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Energie & Klima

Standpunkte Das erneuerbare Energiesystem braucht mehr Bürgerenergie

Malte Zieher, geschäftsführender Vorstand des Bündnis Bürgerenergie (BBEn)
Malte Zieher, geschäftsführender Vorstand des Bündnis Bürgerenergie (BBEn) Foto: BBEn

Das Bündnis Bürgerenergie ist überzeugt, dass Beteiligung vor Ort und dezentrale Energieversorgung die Akzeptanz erneuerbarer Energien steigert und zu schnellerem und wirksamerem Klimaschutz führt. Bündnisvorstand Malte Zieher macht in seinem Standpunkt konkrete Vorschläge für das Gelingen. Peer-to-Peer-Stromversorgung und Energy Sharing sollten regulatorisch gestärkt und im großen Stil ermöglicht werden.

von Malte Zieher

veröffentlicht am 05.07.2023

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Bürgerenergie steht für eine erneuerbare und auf dezentrale Strukturen ausgerichtete Energiewende, die demokratischen, sozialen und ökologischen Werten entspricht. Die Bürgerenergie hat zahlreiche Vorteile. Durch Bürgerenergie gelingt eine gerechtere Verteilung der Wertschöpfung sowie die Förderung der Akzeptanz und gesellschaftlichen Trägerschaft des Umbaus des Energiesystems. Sie kann darüber hinaus Flexibilitätspotenziale heben, die Digitalisierung vorantreiben und die Transformationsgeschwindigkeit erhöhen.

Die Versorgung mit erneuerbaren Energien und die Balancierung des Energiesystems wird in Zukunft stark auf der lokalen und der regionalen Ebene stattfinden. Hier kann die Bürgerenergie der entscheidende Faktor in der Transformation des Energiesystems sein. Das Strommarktdesign muss diese Regionalisierung abdecken.

Subsidiäre Regulatorik im Strommarktdesign

Vom Haushalt über das Quartier, das Ortsnetz, die Region bis zum überregionalen Ausgleich – auf allen Ebenen bringt die Bürgerenergie die Energiewende voran. Je mehr vor Ort gelöst werden kann, desto besser. Eine subsidiäre Versorgung zielt darauf ab, dass lokal erzeugte Energie möglichst lokal verbraucht wird und bestehende Netzkapazität optimal ausgelastet wird.

Auf lokaler Ebene sprechen wir von Vor-Ort-Versorgung. Die regionale Versorgung innerhalb von Bürgerenergiegesellschaften – sogenanntes Energy Sharing – bildet die komplementäre Ebene zur Vor-Ort-Versorgung. Dadurch wird Subsidiarität zu einem Leitprinzip des Energiesystems. Die Stärkung der lokalen und regionalen Ebene führt nicht zur Abkopplung vom Gesamtsystem, sondern stützt es von unten.

Dass lokale Konzepte einen Unterschied machen, hat jüngst eine Studie von Energy Brainpool zur Vor-Ort-Versorgung gezeigt. Deren Modellierungen zeigen, dass ein Stromnetz mit etablierter Vor-Ort-Versorgung durch viele flexibel steuerbare Verbrauchsanlagen und Batteriespeicher bis zu 30 Prozent mehr Erneuerbaren-Strom aufnehmen kann. So kann die Abregelung von Erneuerbare-Energien-Anlagen vermieden werden.

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

Die Vor-Ort-Versorgung setzt sich aus verschiedenen lokalen Versorgungsmöglichkeiten zusammen. Zum einen gehört dazu die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung als Versorgungsmöglichkeit vor dem Netzverknüpfungspunkt. Sie bietet mithilfe von intelligenten Messsystemen den Teilnehmer*innen die Chance, die vor Ort verbrauchten Strommengen einer Solaranlage einfach mit der Stromlieferung vom Lieferanten zu verrechnen. Für die Betreiber*innen fallen keine Lieferantenpflichten an und jede*r Teilnehmer*in behält den bisherigen (Rest)Stromlieferanten. Somit ist die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung eine bürokratiearme Ergänzung zum Mieterstrommodell.

Zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gerade einen insgesamt gelungenen Vorschlag im Solarpaket I gemacht. Leider bleibt das Solarpaket I jedoch an diesem Punkt stehen. Aus unserer Sicht braucht es im Rahmen der Vor-Ort-Versorgung unbedingt auch die Möglichkeit zur Peer-to-Peer Stromversorgung über das lokale Verteilnetz sowie das regionale Energy Sharing.

Peer-to-Peer-Stromversorgung

Zunächst fehlt ein Regulierungsmodell für den nahräumlichen Strombezug aus einer Erzeugungsanlage von Letztverbraucher*innen auf der untersten Ebene des öffentlichen Stromnetzes. Wir nennen dies lokale Peer-to-Peer-Stromversorgung.

Aus unserer Sicht sollte die Peer-to-Peer-Versorgung ähnlich wie die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung möglichst bürokratiearm erfolgen. Der bezogene Reststrom sowie der bezogene Photovoltaik-Strom der Teilnehmer*innen an der Peer-to-Peer-Stromversorgung werden unabhängig von ihrer Herkunft über die intelligenten Messysteme im Viertelstundentakt gemessen. Eine Bilanzierungsformel teilt die beiden Stromquellen proportional zum Anteil am Gesamtverbrauch aller Teilnehmer*innen rechnerisch in Netz- und Photovoltaik-Strom verbrauchsgenau pro Viertelstunde auf. Zusammen mit dem Stromerzeugungszähler der Solaranlage lässt sich damit für alle Teilnehmer*innen genau errechnen, wie viel Strom aus welcher Quelle bezogen und wie viel ins öffentliche Netz eingespeist wurde.

Für die Peer-to-Peer-Stromversorgung sollten bis zu einer installierten Kapazität von 10,8 Kilowatt sowie im Fall von Mehrparteienhäusern bis zu 50 kW keine Einhaltung von Versorgerpflichten im Sinne des EnWG notwendig sein. Darüber hinaus sollten aus unserer Sicht reduzierte Netzentgelte Anwendung finden.

Energy Sharing als regionale Ergänzung

Auf regionaler Ebene muss zeitnah ein Regulierungsrahmen für Energy Sharing geschaffen werden. Beim Energy Sharing schließen sich in einer Region Bürger*innen, Kommunen und KMU zu einer Bürgerenergiegesellschaft zusammen und betreiben im räumlichen Zusammenhang eine oder mehrere Erneuerbare-Energien-Anlagen. Die Bürgerenergiegesellschaft versorgt ihre Mitglieder dabei teilweise aus ihren eigenen regionalen erneuerbaren Projekten. Anders als bisher, wo Bürgerenergiegesellschaften in Deutschland reine Erzeugungsanlagen in Bürger*innenhand darstellen, könnten mit einem Recht auf Energy Sharing in Deutschland nun alle beteiligten Bürger*innen den Strom ihrer gemeinschaftlich betriebenen Anlagen auch nutzen. Damit würden gezielt Anreize für die lokale Flexibilisierung des Verbrauchs gesetzt. Gleichzeitig profitieren Verbraucher*innen auch finanziell, weil der verbrauchte Strom günstiger ist als herkömmlich zugekaufter Strom.

Nachdem wir Ende April mit dem BEE und dem DGRV unsere Eckpunkte für Energy Sharing veröffentlicht haben, haben wir diese Woche einen konkreten Gesetzesvorschlag veröffentlicht. Anhand der kostenbasierten Berechnung in einer ebenfalls diese Woche veröffentlichten Studie von Energy Brainpool schlagen wir eine Energy Sharing-Prämie für den zeitgleich erzeugten und verbrauchten Strom in Höhe von 4,9 Cent pro Kilowattstunde für Solaranlagen beziehungsweise 2,8 Cent für Windenergieanlagen vor. Ausführlich sind Analyse und Forderungen in einem Positionspapier zusammengefasst, das wir heute in die Plenumssitzung der Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) einbringen.

Bürger*innen fordern Teilhabe

Lokale und regionale Versorgungsmodelle sind unabdingbar in einer zukunftsgerichteten Reform des Strommarktdesigns, denn sie schaffen Teilhabe. Und Teilhabe steigert nachweislich Akzeptanz und Identifikation mit der Energiewende vor Ort. Zusätzlich forciert Teilhabe das Interesse am Bau von Erneuerbare-Energien-Anlagen vor Ort und mobilisiert private wie öffentliche Investitionen.

Die Bürger*innen wollen nicht länger passive Verbraucher*innen sein und hohen Strompreisen aufgrund teurer Energieimporte ausgeliefert sein. Sie wollen zu Prosumer*innen werden und verlangen dafür mehr Handlungsspielräume, die ihnen ermöglichen, sich selbst mit grüner, kostengünstiger Energie zu versorgen und diese untereinander zu teilen. Dieser Wunsch der Bürger*innen ist durch die Energiepreiskrise noch stärker ausgeprägt. In den letzten Monaten und Jahren haben insbesondere die finanzschwächeren Haushalte zu spüren bekommen, wie stark sie von kurzfristigen hohen Preisschwankungen am Markt abhängig sind. Es ist folglich an der Zeit, Instrumente zu schaffen, die die Teilhabe an der Energiewende attraktiv und niederschwellig gestalten.

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