Vergangene Woche hat das Europäische Parlament seine Position zu einem europäischen Klimaschutzgesetz festgelegt – mit größerer Mehrheit als erwartet, einschließlich breiter Zustimmung durch die polnische Bürgerplattform, Polens zweitgrößter Partei. Mit dieser Position verbessert das Parlament den Gesetzesvorschlag der Kommission. Das Parlament zeigt, dass das Europäische Klimaschutzgesetz mehr leisten kann und muss, um die EU auf den Weg zu Klimaneutralität bis 2050 zu bringen. Das Parlaments schließt Lücken in der EU Gesetzgebung, die die Erreichung des Ziels Klimaneutralität bis 2050 behindern. Es stechen fünf Verbesserungen heraus.
Die erste Verbesserung: Das 2030 Reduktionsziel von minus 60 Prozent ist deutlich ambitionierter als der Kommissionsvorschlag von minus 55 Prozent. Wichtig ist außerdem, dass das Parlament ein 2030-Bruttoziel vorschlägt. Die Kommission hatte ein Nettoziel vorgeschlagen, sprich Emissionen und CO2-Entnahme dienen gleichermaßen der Zielerreichung. Nach dem Parlament können CO2-Entnahmen für die Erreichung des 2030 Ziels nicht angerechnet werden.
Das ist wichtig. Denn CO2-Entnahmen – sei es durch natürliche Senken und technische Lösungen – sind im Vergleich zu Reduktionen der inhärent schwächere Klimaschutz. Im Gegensatz zu Öl, Kohle oder Gas im Boden haben alle CO2-Entnahmekonzepte Probleme, CO2 dauerhaft, umweltfreundlich und gleichzeitig kostengünstig in den erforderlichen Mengen zu speichern. Entnahme und Reduktionen gleichzusetzen ist nicht nur Birnen und Äpfel vergleichen, sondern ein Problem für effektiven Klimaschutz.
Die zweite Verbesserung betrifft EU-Emissionsbudgets, sprich eine quantifizierte Festlegung der verbleibenden EU-Restemissionen. Nach dem Willen des Parlaments legt die Kommission dieses Emissionsbudget fest. Das soll bis Ende 2021 geschehen. In diesem Emissionsbudget soll die verbleibende Restemissionsmenge angegeben werden, die die EU bis spätestens 2050 emittiert werden könnte, ohne die Einhaltung ihrer Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen zu gefährden.
In den Erwägungsgründen heißt es zudem, dass das Emissionsbudget dem fairen Anteil der EU an den verbleibenden globalen Emissionen entsprechen soll. Nach dem Parlamentsvorschlag soll das EU-Emissionsbudget eine wichtige Größe bei der Festlegung des Reduktionsziels für 2040 und bei der Bestimmung des Reduktionspfads sein.
Diese Regelungen zum Emissionsbudget sind zentrale klimapolitische Verbesserungen – aus drei Gründen. Erstens ist für das Klima die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre entscheidend. Die atmosphärische Konzentration wiederum hängt von der Menge der Gesamtemissionen ab. Emissionsbudgets legen diese Gesamtemissionen fest. Zweitens würde ein Emissionsbudget die Klimapolitik der EU transparenter machen. Anders als Jahresziele machen Emissionsbudget verbleibende Restemissionen auf den ersten Blick sichtbar. Drittens würde die EU ein gutes Stück „Klimaehrlichkeit“ gewinnen, wenn die Festlegung des 2040 Zieles und des Reduktionspfades sich am Emissionsbudget orientieren muss.
Die dritte Verbesserung: Das Parlament will ein Ziel für negative Emissionen nach 2050. Das bedeutet, dass ab dem 1. Januar 2051 die EU mehr Treibhausgase der Atmosphäre entzieht als sie emittiert. Dies ist ein wichtiger Baustein einer robusten Klimaarchitektur. Denn alle Szenarien, die den durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg unter zwei Grad oder sogar 1,5 Grad halten, unterstellen negative Emissionen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. In diesem Zusammenhang sollte das Klimaschutzgesetz im Endergebnis klar regeln, dass CO2 vor allem durch den Schutz und die Wiederherstellung beschädigter Wälder und Moore der Atmosphäre entnommen werden soll.
Die vierte Verbesserung betrifft Institutionen. Das Parlament schlägt einen Europäischen Klimarat vor. Dieser soll unabhängig sein und beraten. Er wird unbefristet eingerichtet. Der Klimarat soll aus höchstens 15 Experten bestehen. Das Parlament schlägt ein starkes Mandat vor. Der Klimarat soll zum Beispiel bewerten, ob die Maßnahmen der EU ausreichen, um innerhalb des EU Emissionsbudget zu bleiben und das Klimaneutralitätsziel zu erreichen. Falls erforderlich kann der Klimarat Empfehlungen an die Kommission geben, die die Kommission innerhalb von drei Monaten öffentlich beantworten muss. Dieser Vorschlag nimmt auf, dass viele Mitgliedstaaten bereits nationale Klimaräte haben. Nach dem Willen des Parlaments sollen auch die Mitgliedstaaten unabhängige Beratungsgremien errichten, die dies noch nicht getan haben.
Die fünfte Verbesserung: Die Kommission hatte im März ein Klimaneutralitätsziel für die EU vorgeschlagen, aber keine Ziele für Mitgliedsstaaten. Dieses kollektive EU Ziel ist zwar rechtlich verbindlich, aber kollektive Verantwortung wird leicht kollektive Verantwortungslosigkeit. Zwar überprüft die Kommission die Beiträge der Mitgliedsstaaten zur Erreichung des EU Ziels, aber für diese Prüfung hat die Kommission nur schwache Kriterien zur Hand – im Wesentlichen einen indikativen Reduktionspfad. Die Gefahr kollektiver Verantwortungslosigkeit ist also real. Um dieser zu begegnen, schlägt das Parlament vor, dass alle Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, bis 2050 klimaneutral zu werden.
Der Ball liegt nun im Feld des Rates. Die
Diskussionen im Rat haben sich bisher am Vorschlag der Kommission orientiert. Aber
mit dem nun auf dem Verhandlungstisch liegenden Vorschlag des Parlaments wird die Diskussion breiter. Es ist
klar, dass ein starkes Europäisches Klimaschutzgesetz eine wichtige
Voraussetzung ist, damit die EU innerhalb der nächsten 30 Jahren klimaneutral
wird. Wie ein solches aussieht, hat das
Parlament letzte Woche gezeigt.