Wasserstoff ist als Wirtschaftsfaktor wesentlich, nicht nur im Sinne von Standortentscheidungen der energieintensiven Industrie. Auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), deren Produktion derzeit auf die Verfügbarkeit von Erdgas angewiesen ist, spielt die langfristige lokale Verfügbarkeit von Wasserstoff eine wesentliche Rolle. Für die aktuelle Produktion genauso wie für anstehende Investitions- und Standortentscheidungen.
Für einen schnellen und erfolgreichen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft braucht es die richtigen politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen sowie Planungssicherheit für Gasversorger und Gasverteilnetzbetreiber und damit für Kundinnen und Kunden. Mit der geänderten Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, die voraussichtlich im September verabschiedet wird, und dem Entwurf für ein Wärmeplanungsgesetz, wird Wasserstoff auch eine Rolle im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung erhalten. Daher sind diese Voraussetzungen ebenfalls wichtig, damit die Kommunen ihre großen, auch stadtplanerisch hochrelevanten Aufgaben bei der Wärmeplanung erfüllen können.
Wasserstoffnetze der Zukunft bauen auf Gasnetzen der Gegenwart auf
Die Energiewirtschaft verfolgt mit großer Aufmerksamkeit das EU-Trilogverfahren zur Novelle der Gasbinnenmarktrichtlinie, das auch die Frage der Entflechtung von Gas- und Wasserstoffnetzen behandelt. Beim Trilog zu diesem Thema stehen sich die teils gegensätzlichen Positionen des Europäischen Rats, der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments gegenüber. Ziel ist es, eine gemeinsame Position zu finden.
So viel ist bereits klar: Sollte sich der Europäische Rat oder die Kommission mit ihrer Position gegen die des Parlaments durchsetzen können, drohen erhebliche nachteilige Konsequenzen für die lokale Wasserstoffwirtschaft. Denn die vorgesehenen Entflechtungsvorgaben, die Kommission und Rat für Gas- und Wasserstoffnetze vorsehen, würden den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft drastisch behindern. Jedenfalls würden dadurch Wärmewende, Energiewende und Klimaschutz verzögert, schlimmstenfalls nahezu unmöglich gemacht.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Deutschland 99 Prozent der Industriekunden über das Gasverteilnetz versorgt werden. Für unseren Wirtschaftsstandort käme eine weitere Belastungsprobe hinzu, denn die Versorgung kleiner und mittlerer Industrie- und Gewerbebetriebe mit dem klimaneutralen Gas Wasserstoff wäre praktisch nicht mehr möglich. Auch eine Deckung der Wärmelastspitzen im Gebäudebereich wäre ausgeschlossen.
Diese unerfreuliche Perspektive beruht auf der Tatsache, dass die Kommission in ihrem Vorschlag zur Überarbeitung der Gasbinnenmarktrichtlinie eine eigentumsrechtliche Entflechtung von Gas- und Wasserstoffnetzbetreibern fordert. Damit wäre der Betrieb eines Wasserstoffnetzes für viele Energieversorger aus regulatorischen Gründen nicht mehr möglich. Im Vergleich dazu stellt die Position des Rats keine wesentliche Verbesserung dar: Dieser fordert zwar keine eigentumsrechtliche, aber eine gegenüber dem Status quo für Verteilnetzbetreiber deutlich verschärfte Entflechtung. Damit dürfte der Netzbetreiber beispielsweise keine Dienstleistungen von verbundenen Unternehmen beziehen. So dürfte nicht einmal auf das Know-how der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gasnetzbetreiber zurückgegriffen werden.
Die schnelle und kosteneffiziente Transformation der Gasverteilnetze zu Wasserstoffverteilnetzen erfordert aber gerade, dass bestehende Ressourcen genutzt werden. Insbesondere für die frühzeitige Umstellung von Industriekunden ist darüber hinaus ein hohes Maß an Abstimmung vor Ort auch mit dem Anbieter der derzeit bestehenden Infrastruktur unabdingbar. Gerade vor dem Hintergrund des Gebäudeenergiegesetzes und der kommunalen Wärmeplanung, die nun richtigerweise die Möglichkeit eröffnen, Wasserstoffnetzgebiete auszuweisen, kommt der Transformation der Gasnetze aus einer Hand ein entscheidender Vorteil zu.
Position des EU-Parlaments ermöglicht schnelle Transformation
Erfreulicherweise hat sich das Europäische Parlament in der Frage der Entflechtungsvorgaben für einen pragmatischen Ansatz ausgesprochen. Demnach sollen die bisherigen Regelungen für Gasverteilernetzbetreiberauch auf Wasserstoffnetze angewendet werden. Dass diese bestehenden, strengen Entflechtungsvorgaben der Regulierungsbehörde wirksam sind, steht außer Frage. Seit mehr als einem Jahrzehnt sorgen sie in Deutschland für einen funktionierenden Wettbewerb.
So könnte der Betrieb eines Wasserstoffnetzes für Stadtwerke beziehungsweise kommunale Gasversorger ermöglicht und die schnelle und kosteneffiziente Transformation des Gasverteilnetzes gewährleistet werden. Das ist ein entscheidender Punkt für die lokale Wasserstoffwirtschaft, vor allem vor dem Hintergrund, dass nach aktueller Studienlage über 95 Prozent der Gasverteilnetze für 100 Prozent Wasserstoff nutzbar sind.
Deutsche Politik muss für Stadtwerke einstehen
Die Trilog-Verhandlungen laufen. In der jetzigen Situation ist es daher dringend erforderlich, dass die deutsche Politik ihr klares Bekenntnis zu den Stadtwerken weiter in die Verhandlungen einbringt und sich für deren Belange einsetzt, bevor die Verhandlungen abgeschlossen sind. Die deutsche Position muss in den Trilog-Verhandlungen deutlich wahrnehmbar sein und darauf abzielen, die Lösungsvorschläge des Europäischen Parlaments zu unterstützen. Nur so lassen sich auf den letzten Metern unnötig verschärfte Entflechtungsvorgaben für Gas- und Wasserstoffnetze vermeiden und der Hochlauf der lokalen Wasserstoffwirtschaft überhaupt ermöglichen.