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Energie & Klima

Standpunkte Die Förderung von Solarstrom modernisieren, nicht abschaffen

Peter Knuth, Geschäftsführer von enerix
Peter Knuth, Geschäftsführer von enerix Foto: Enerix

Die FDP hat die parlamentarische Sommerpause genutzt, um mit kontroversen Debatten Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Nach der Idee, die Städte autofreundlicher zu gestalten, kam der nächste umstrittene Vorschlag: Die Förderung für Solarstromerzeugung soll abgeschafft werden. Peter Knuth vom PV-Anbieter enerix hält das für zu simpel.

von Peter Knuth

veröffentlicht am 27.09.2024

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Der Vorstoß zu einer vollständigen Abschaffung der Einspeisevergütung sorgt derzeit erneut für viel Diskussion. Was für Empörung sorgt, ist die Aussage unseres Finanzministers Christian Lindner. Er hat im Rahmen der Haushaltsdebatte Sparmöglichkeiten in der Photovoltaikbranche gesucht und gefunden: Die Einspeisevergütung soll weg, da “(...) eine Förderung gar nicht mehr in Breite nötig (ist)”, weil sich Photovoltaikanlagen rechnen, so der Minister in einem Interview.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz trat am 1. April 2000 mit dem Ziel in Kraft, die erneuerbaren Energien derart zu fördern, dass über eine 20-jährige Einspeisevergütung die Investitionen zuzüglich eines Gewinns rückerstattet werden. Die Vergütung war bei den damaligen Kosten für eine Photovoltaikanlage dringend notwendig, um die Technologie schnell und effizient zu etablieren, was durch das EEG auf jeden Fall passiert ist. Mittlerweile hat sich die Situation aber geändert. PV-Anlagen sind günstiger geworden und der Markt voller Produkte aus Fernost. Deshalb ist es selbstverständlich, dass sich auch die Einspeisevergütung dem wandelnden Markt anpasst – nicht jedoch, dass sie abgeschafft wird.

Die Einspeisevergütung wird nach wie vor benötigt

Photovoltaikanlagen auf Industriedächern oder Freiflächenanlagen über 100 Kilowatt Peak erhalten bereits seit geraumer Zeit keine Einspeisevergütung mehr. Betreiber müssen den erzeugten Strom selbst vermarkten. Nichtsdestotrotz ist das Interesse nach wie vor vorhanden. Das liegt nicht zuletzt am hohen Eigenverbrauch vieler Betreiber von durchschnittlich 60 bis 70 Prozent.

Somit erfolgt die Refinanzierung nicht nur über die Einspeisevergütung, sondern auch über die eingesparten Stromkosten. Es war jedoch die Kombination, dank der es Deutschland in vergangenen Jahren gelungen ist, die weltweit höchste Solarstromproduktion auf Einfamilienhäusern zu erreichen. Leider wird beim Photovoltaikzubau oftmals übersehen, dass es genau der Einfamilienhaussektor ist, der die Energiewende voranbringt. Anlagen auf Einfamilienhäusern erzeugen den Strom dort, wo er auch hauptsächlich verbraucht wird. Somit werden die Netze entlastet. Bei Freiflächenanlagen muss der erzeugte Strom erst über die Netze verteilt werden.

Schaut man aber auf die Zahlen, erkennt man, dass der Zubau inzwischen vorrangig im Groß- beziehungsweise Freiflächensegment stattfindet, während bei kleinen Anlagen, sprich Einfamilienhäusern, ein Nachfrageeinbruch stattfindet. Wird nun ein Schlussstrich bei der Einspeisevergütung gezogen, wäre das fatal. Die Vergütung bietet für Kunden einen Anreiz, sich auch für größere Anlagen zu entscheiden, die nicht nur auf den Eigenkonsum ausgelegt sind. Ohne Einspeisevergütung würden PV-Anlagen eher kleiner gebaut werden, um möglichst wenig Überschuss ins Netz einzuspeisen. Damit ginge wichtige Energie verloren, die die Energiewende schneller vorantreibt.

Ein Ende der Förderung träfe das Handwerk

Förderungen sind sinnvoll, wenn es um einen Anschub für Veränderungen geht, daher muss auch immer deren Auslaufen geplant werden. Allerdings muss auch die Zeit nach der Förderung mitbedacht werden, anstatt sie ad hoc und ohne Anschlussregelung zu beenden. Sollte letzteres bei der Einspeisevergütung geschehen, wird die Nachfrage im Segment der Einfamilienhäuser wohl oder übel einbrechen. Wichtige Energie für das E-Auto und die Wärmepumpe wird nicht mehr produziert.

Das hat dann auch Auswirkungen auf das Handwerk, welches Stellen streichen wird. Dies wird sich spätestens nächstes Jahr bemerkbar machen. Sollte die Einspeisevergütung nämlich wirklich 2025 gestrichen werden, wird das noch in diesem Jahr einen Run auf die letzten Anlagen mit Einspeisevergütung auslösen. Ohne Alternativen wird der Markt am Stichtag des Vergütungsstopps einbrechen.

Das ständige Hin und Her führt bei Kunden sowie zahlreichen Anbietern zu Unsicherheiten. So erlebte die Branche in den letzten Monaten zahlreiche Insolvenzen. War die Nachfrage 2022 so hoch wie noch nie, so ist sie aktuell eher gering. Wurden 2022 noch händeringend vor allem Monteure gesucht, so werden diese aktuell wieder entlassen. Wird die Vergütung abgeschafft, folgt ein riesiger Stellenabbau aufgrund einbrechender Nachfrage.

Die Solarförderung ist kein Entweder-oder

Das Problem mit der Einspeisevergütung ist, dass sie als ein Entweder-oder-Thema behandelt wird: Entweder wir schaffen die Einspeisevergütung ab oder behalten sie, so wie sie ist. Viel wichtiger wäre es stattdessen, die Förderung zu überdenken und an die neuen Marktbedingungen und technologischen Entwicklungen anzupassen.

Eine Möglichkeit wäre, eine flexible Einspeisevergütung einzuführen, die sich am Bedarf des Stromnetzes orientiert. Dann würden Anlagenbesitzer am Vormittag und am Abend eine Vergütung für die eingespeiste Leistung erhalten, jedoch mittags nicht, während bereits viel Strom im Gesamtnetz vorhanden ist. Das würde die Besitzer von PV- und Speicheranlagen motivieren, ihre Verbräuche entsprechend dem Netzbedarf zu steuern, also beispielsweise ihre Waschmaschine mittags laufen zu lassen. Da, wo es möglich ist, könnte man zudem Ost-West-Anlagen bauen anstatt nach Süden gerichtete Anlagen. Das würde den großen Peak reduzieren und die Stromerzeugung strecken. Alternativ könnten auch nur jene Anlagenbetreiber eine Vergütung erhalten, die ihre Anlagen vom Netzbetreiber fernsteuern lassen.

Am Ende spielt der Eigenverbrauch für den Endkunden eine übergeordnete Rolle. Dennoch ist es wichtig, auch den Überschussstrom in einer angemessenen Form zu vergüten. Nur dann entscheiden sich Kunden auch für Anlagen, die über den Eigenverbrauch hinausgehen. Da der Stromhandel an der Strombörse bereits kompliziert genug ist, braucht es unbedingt vereinfachte Rahmenbedingungen, die den privaten Anlagenbesitzer unterstützen. Diese findet man mit einem kurzen Blick nach Österreich. Hier gibt es seit einiger Zeit das Modell der Energiegemeinschaften.

Die Alternative zur Einspeisevergütung

Eine Energiegemeinschaft ist eine lokal organisierte Gruppe von Einzelpersonen, Unternehmen und/oder Institutionen, die zusammenarbeiten, um erneuerbare Energien wie Solar- oder Windkraft zu erzeugen, zu speichern, zu verwalten und zu teilen. Die Regeln sind klar: Es müssen mindestens zwei Parteien – ein Stromerzeuger und ein Abnehmer – beteiligt sein. Große Energieversorger dürfen nicht beitreten. Verbraucher und Produzenten sind gleichberechtigte Mitglieder und haben jederzeit die Möglichkeit ein- oder auszutreten. Es bestehen Einspeise- und Bezugsverträge zwischen den Erzeugern und den Abnehmern, die die Handelsbedingungen regeln.

Die Produktion und Vermarktung muss nicht am selben Ort stattfinden, sondern ist grundstücksunabhängig und -übergreifend. Das bedeutet also, dass eine andere Person Solarstrom erzeugt und ich ihn, ohne selbst eine Anlage besitzen zu müssen, nutzen kann. Dadurch werden Anlagenbetreiber zu Erzeugern, die in Absprache mit dem Verbraucher zu einem zuvor festgelegten Preis ihren Strom vermarkten. Dieser liegt meist über dem Einspeisetarif, aber unter dem Kilowattstundenpreis des Netzbetreibers. Das bedeutet, dass nicht jeder Teilnehmer eine eigene Solaranlage benötigt; Nutzer können von kostengünstigem Solarstrom profitieren.

So entsteht eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Hinzu kommt, dass die Mitglieder einer Energiegemeinschaft von einem reduzierten Netznutzungsentgelt, dem Wegfall des Erneuerbaren-Förderbeitrags sowie der Befreiung von der Elektrizitätsabgabe profitieren.

Letzten Endes findet die Energiewende vor allem im Eigenheim statt, daher sollte dafür gesorgt werden, dass Eigenheimbesitzer ihr Dachpotenzial ausnutzen. Die Energiegemeinschaft schafft Anreize, in erneuerbare Energien zu investieren und eigene Photovoltaikanlagen größer zu dimensionieren. Eine solche Gemeinschaft hat das Potenzial für kontinuierliches Wachstum und ist in ihrer Größe nicht begrenzt.

Peter Knuth ist Geschäftsführer und Mitgründer von enerix, einem Komplettanbieter von Photovoltaikanlagen. Er ist seit 2001 in der Branche tätig.

Wie weiter mit der Erneuerbaren-Förderung? Die Debatte bei Tagesspiegel Background. Lesen Sie weitere Standpunkte zum Thema:

Hans-Josef Fell: Ein Ende des EEG wäre zum Schaden von Marktwirtschaft, Industrieführerschaft und Klima

Sarah Müller: Ab 2025 wird die Förderung für erneuerbare Energien schrittweise abgeschafft. Höchste Zeit!

Sven Höppner: Die Förderung der Erneuerbaren ist eine „Never Ending Story“ ohne „Happy End“

Sebastian Bolay: Der Markt kann Erneuerbare

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