„Bürokratieabbau“ ist neben „Technologieoffenheit“ eines der meistgehörten Schlagwörter der heutigen Zeit. Von dem einem zu viel, vom anderen zu wenig – so die einhellige Diagnose. Jetzt ist die Ampel Geschichte, aber die Schlagworte werden bleiben und wahrscheinlich auch im bevorstehenden Wahlkampf nicht selten zu hören sein.
Ein Musterbeispiel für einfach und unbürokratisch gut gelungen, ist die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung. Kein Gesetz, sondern nur ein Paragraf. Eine reine Beschreibung dessen, was zukünftig möglich sein soll. Ohne bürokratische Regelung im Detail, ohne vermeintlich gute Ideen in Bezug auf die Definition des Umlageschlüssels oder Reglementierungen von Preisen. Wenn man nach einem Beispiel sucht, mit dem man zeigen will, dass die Fortschrittskoalition auch Fortschritt gebracht hat, dann findet man mit der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ein Beispiel. Zwar klingt der Begriff lang und kompliziert, was sich aber dahinter verbirgt, hat das Potential, der Photovoltaik auch in Mehrfamilienhäusern zum Durchbruch zu verhelfen.
Chance für Mehrfamilienhäuser
Bisher ist der Boom der Photovoltaikanlagen an den Mehrfamilienhäusern vorbeigegangen. Bis heute profitieren überwiegend die Einfamilienhausbesitzer von der günstigen und klimafreundlichen Solarstromerzeugung. Mietende dagegen partizipieren bisher nur selten von den Vorteilen der Energiewende. Die Mieterstromregelung nach EEG hat aufgrund ihrer Komplexität (manche nennen es auch bürokratischen Aufwand) nicht annähernd den erhofften Erfolg gebracht. Kaum ein Eigentümer, kaum eine Wohnungsbaugesellschaft wird „mal eben so“ zum Stromversorger. Und der Umweg über Dienstleister ist nicht minder kompliziert und schmälert trotz der Förderung den wirtschaftlichen Erfolg. Zudem müssen die Mietenden ihren Stromanbieter wechseln und den Mieterstromtarif abschließen. Auch dies eine weitere (bürokratische?) Hürde, die sich in niedrigen Mitmachquoten widerspiegelt.
Mit dem Solarpaket I und der dort neu eingeführten „gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ wird sich das ändern. Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung überträgt das Prinzip, das im Einfamilienhausbereich millionenfach ein Erfolgsmodell ist und das nicht unwesentlich zu einem regelrechten „Ausbauboom“ von über 14 Gigawatt PV-Leistung im vergangenen Jahr beigetragen hat, konsequent auf den Bereich der Mehrfamilienhäuser.
Der erzeugte Solarstrom wird nach einem zu definierenden Schlüssel auf die beteiligten Mietenden umgelegt. Jedem Teilnehmenden wird „sein Solarstromanteil“ von seinem Gesamtstromverbrauch rechnerisch abgezogen – analog der gängigen Praxis bei den Einfamilienhausbesitzenden. Auch dort reduziert sich ihr Strombezug aus dem Netz genau um den Anteil, den sie selbst erzeugen und zeitgleich verbrauchen. Die Mietenden schließen dazu einen zweiten, zusätzlichen Vertrag, den Gebäudestromnutzungsvertrag. Er sichert ihnen – mit wirtschaftlichem Vorteil gegenüber ihrem Strombezug aus dem Netz – ihren Solarstromanteil.
Mietenden bleibt Wahlrecht
Auf den bestehenden Stromvertrag zwischen den Mietenden und ihrem jeweiligen Stromanbieter hat der Gebäudenutzungsvertrag keinen Einfluss – auch kann dieser jederzeit gewechselt werden. Es liegt im Eigeninteresse des Immobilienbesitzenden, den Solarstrom immer mit einem wirtschaftlichen Vorteil gegenüber dem örtlichen Strompreisniveau anzubieten. Denn nur so ist er in der Lage, einen möglichst hohen Anteil des selbst erzeugten Stroms im Haus zu verkaufen. Den Mietenden, denen der Abschluss des Gebäudestromnutzungsvertrags beispielsweise zu viel bürokratischer Aufwand ist, lassen es und sparen so kein Geld.
Umlageschlüssel anzuwenden und Abrechnungen zwischen Gebäudeeigentümer und Mietenden durchzuführen, ist für Messdienstleister wie Techem Kerngeschäft. Statt Heizkostenverteiler und Wärmemengenzähler kommen im Modell der Solarstrom-Abrechnung Smart Meter zum Einsatz. Als wettbewerblicher Messstellenbetreiber ist auch dies inzwischen fester Bestandteil unserer Digitalisierungs- und Dekarbonisierungsagenda. Entstehende Kosten finanziert der Eigentümer aus dem Verkauf des Solarstroms.
Für Mietende und Vermietende ergibt sich hier eine klassische Win-Win-Situation: in dem Maße, wie der Eigentümer seine Mietenden stärker an der günstigen Solarstromerzeugung partizipieren lässt, umso niedriger sein wirtschaftlicher Vorteil. Je höher der Solarstrompreis, umso höher sein Vorteil gegenüber seiner Handlungsalternative der Einspeisevergütung. Aber je unattraktiver der Solarstrompreis, umso schwieriger die Akquise der Mietenden beziehungsweise umso niedriger die „Mitmachquote“.
Und auch der Allgemeinstrom kann selbstverständlich in dieses Modell integriert werden. Hier findet der Eigentümer unmittelbar seinen ersten Solarstromkunden beziehungsweise Teilnehmenden. Auch ist es möglich, den Allgemeinstrom primär zu bedienen. Das ist beispielsweise beim Betrieb einer elektrischen Wärmepumpe sinnvoll. In dem Fall wird dann nur das, was vom Solarstrom übrigbleibt, auf die Mietenden umgelegt. Der günstige Allgemeinstrombezug reduziert für die gesamte Hausgemeinschaft die Nebenkosten, anteilig mit günstigem Solarstrom betriebene Wärmepumpen reduzieren die Heizkosten.
Beitrag zu Nachhaltigkeitsverpflichtungen
Darüber hinaus unterstreicht jeder Vermietende durch die Investition in die PV-Anlage sein Engagement für den Klimaschutz. Der Solarstrom trägt außerdem zu einer Reduktion des CO2-Fußabdrucks der jeweiligen Immobilie bei und zahlt so auf die übergeordnete ESG-Agenda ein. Auch wirkt dies positiv im Rahmen der EU-Taxonomie und damit auf eine günstige Finanzierung darüber hinaus gehender Investitionen in die Dekarbonisierung des Gebäudebestands. Und die Mietenden sparen Stromkosten und wohnen günstiger.
Mit dem Modell der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung werden auch die Dächer der Mehrfamilienhäuser sukzessive blau werden. Mit der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ist der Ampel ein Positivbeispiel für den – siehe oben – dringend benötigten Bürokratieabbau gelungen. Auf gesetzliche Vorgaben zum Umlageschlüssel, zur Preisgestaltung oder andere Details wird verzichtet. Von solch unbürokratischen und offenen Regelungen brauchen wir – ohne Zweifel – mehr!