Einstürzende Kleiderfabriken in Bangladesch, mit Schwermetallen vergiftete Flüsse, Kinderarbeit auf Plantagen und in Minen – all dies sind reale Auswirkungen einer globalen Wirtschaft mit einem hohen Bedarf an Rohstoffen und Konsumgütern sowie gleichzeitig dem Druck, Produktionskosten zu senken. Unternehmen, die ihre Lieferketten unter menschenwürdigen und umwelt- sowie klimaschonenden Bedingungen gestalten wollen oder dies schon tun, haben aktuell einen Wettbewerbsnachteil.
Deshalb war die Einführung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes ein wichtiger Schritt und die Erweiterungen, die nun mit der europäischen Lieferkettenrichtlinie kommen, eine notwendige Fortführung, um gleiche und faire Wettbewerbschancen zu etablieren und um die wirtschaftliche Souveränität zu stärken.
Verantwortungsvolles Regierungshandeln braucht Verlässlichkeit auch in Europa. In unserem Koalitionsvertrag haben wir unsere Zustimmung zum europäischen Vorschlag und daraus resultierende Verbesserungen der deutschen Gesetzgebung klar festgehalten. Auch die FDP-geführten Ministerien waren eng in die Verhandlungen auf europäischer Ebene eingebunden und hatten zugestimmt.
Umso unverständlicher ist die in den letzten Wochen aufkommende Debatte mit Infragestellung der deutschen Zustimmung zum EU-Lieferkettengesetz. Gerade die deutsche Wirtschaft hat einen Wettbewerbsvorteil innerhalb Europas bei den davon betroffenen Prozessen. Entsprechend begrüßt die Mehrheit der Unternehmen außerhalb von Wirtschaftslobbyverbänden das EU-Lieferkettengesetz. Mit der EU-Richtlinie werden endlich gleiche Regeln für alle im europäischen Markt tätigen Unternehmen festgelegt. Das wird es für deutsche Unternehmen leichter machen, ihre Stärken auszuspielen. Genauso wird es sich für Unternehmen auszahlen, die schon ohne Gesetzesgrundlage auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards achten.
Klimawirksamkeit der Lieferketten angehen
Hinzu kommt: Die EU-Richtlinie beinhaltet nicht nur menschenrechtliche Standards im engsten Sinne. Die Verantwortung für den Schutz der Umwelt und die Einhaltung der Klimaziele soll auch für Unternehmen gelten, da diese sowohl direkt als auch indirekt Menschenrechte verletzen. Größere Unternehmen müssen laut des geeinigten Richtlinienentwurfs ein wirksames Risikomanagement vorlegen, das sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind.
Regulatorisch ist hier noch Luft nach oben – aber es ist ein wichtiger Anfang, mit dem die EU den European Green New Deal unterstützen und sicherstellen kann, dass europäische und ausländische Unternehmen, die in der EU relevante Gewinne erwirtschaften, weltweit ihren Profit nicht auf Kosten, sondern unter Einhaltung von grundlegenden Rechten erwirtschaften. Es ist ein wichtiges Signal, dass angesichts der Klimakrise Unternehmen auch für die Klimafolgen ihres Handels in die Verantwortung genommen werden. Als Politikerinnen und Politiker dürfen wir nicht unterschätzen, wie viel Wegstrecke eine Vielzahl an Unternehmen in diesem Bereich bereits zurückgelegt haben.
Kinderarbeit ist immer noch grausame Realität
Laut UNICEF sind global 160 Millionen Kinder von Kinderarbeit betroffen. Besonders im Bergbau, in Minen oder auf Farmen sind die Bedingungen besonders ausbeuterisch und gefährlich, werden Kindern ihrer Rechte und Chancen beraubt, sind sie ungeschützt auch gegenüber sexueller Gewalt. Kontrollierte Lieferketten sind einer der Wege, um Kinderarbeit zu begegnen und Unternehmen haftbar zu machen. Mit dem EU-Lieferkettengesetz müssen Unternehmen Rechenschaft für Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU leisten. Auch dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Die große Mehrzahl der Unternehmen begreift die Lieferkettengesetzgebung nicht als Belastung, sondern als Chance, sich intensiv mit den eigenen Lieferketten zu beschäftigen und die wirtschaftliche Souveränität zu stärken. Das Handelsblatt Research Institut hat in einer repräsentativen Umfrage die populistischen Thesenmacher meist in Gestalt von Lobbyverbänden einem Realitätscheck unterzogen. Die große Mehrheit ist für die Lieferkettengesetzgebung. Nur sieben Prozent lehnen die Verpflichtungen klar ab. Die europäische Lieferkettenrichtlinie schützt vor allem verantwortungsvolle Unternehmen vor unfairen Wettbewerbern durch einheitliche Regeln in Europa.
Deutschland muss verlässlich handeln
Gerade in Zeiten drohender Politikverdrossenheit muss die Politik glaubwürdig für ein starkes Europa werben. Politische Sonntagsreden und parlamentarische Umsetzung dürfen sich nicht widersprechen. In einem zweijährigen Prozess haben sich die 27 EU-Staaten, EU-Parlament und die Kommission auf eine Lieferkettengesetz geeinigt. Das Ergebnis des langwierigen Verhandlungsprozesses wurde maßgeblich von Deutschland geprägt, wie wir es gemeinsam im Koalitionsvertrag festgehalten hatten.
Nun unsere europäischen Partner unvermittelt vor den Kopf zu stoßen, untergräbt unsere Glaubwürdigkeit in Europa. Deshalb ist es jetzt wichtig. auf Kurs zu bleiben, die Umsetzung zu unterstützen und beständig an Verbesserungen zu arbeiten. Verbraucher*innen erhalten eine größere Sicherheit, dass sie mit ihrem Einkauf keine Menschenrechtsverletzungen und massive Umweltzerstörungen in anderen Regionen der Welt verursachen und unterstützen.
Kathrin Henneberger ist grüne Bundestagsabgeordnete in den Ausschüssen Klima & Energie sowie Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Ihr Fokus liegt auf globaler Klimagerechtigkeit und den Menschenrechten.
Maik Außendorf ist Digitalpolitischer Sprecher der
Grünen Bundestagsfraktion und Mitglied im Wirtschaftsausschuss. Zudem ist er Berichterstatter
für Außenwirtschafts- und Handelspolitik im Wirtschaftsausschuss.