Weltweit gibt es immer mehr Fälle von klimabedingter Migration: Einwohner pazifischer Inseln müssen ins Landesinnere flüchten, Migranten aus afrikanischen Ländern ihre durch Wüstenbildung und Bodendegradation zerstörte Heimat verlassen. Wie die letzten Jahre – insbesondere im Mittelmeerraum – gezeigt haben, kann eine Migrationskrise schnell zum außenpolitischen Fiasko werden, wenn keine Vorbereitungen getroffen werden.
Die internationale Politik schenkt der Verknüpfung zwischen Klimawandel und Migration inzwischen mehr Aufmerksamkeit. Für viele UN-Mitgliedsstaaten ist es jetzt eine Notwendigkeit, sich mit klimabedingter Flucht und Vertreibung zu befassen. Politische Entscheidungsträger müssen eine Lösung dafür finden, dass immer mehr Menschen aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels vertrieben werden. Weltweit gab es 2019 bereits 25 Millionen Binnenvertriebene aufgrund witterungsbedingter Naturkatastrophen. Die Weltbank geht davon aus, dass bis 2050 rund140 Millionen Menschen aufgrund klimatischer Auswirkungen gezwungen sein könnten, in sicherere Regionen ihres Landes zu flüchten.
Wir sind auf diese Migrationsschübe nicht vorbereitet.
Besseres Klimamigrationsmanagement hilft Staaten, die Krise zu überstehen
Covid-19 hat uns kalt erwischt. Weitere böse Überraschungen werden folgen: Einige von ihnen können wir vorhersagen, andere werden uns mehr oder weniger unvorbereitet treffen. Hinter all diesen Krisen verbergen sich Einzelschicksale von Millionen von Migranten: Sowohl von denen, die flüchten, als auch von denen, die zurückbleiben. Es gibt keine Patentlösung, mit der man jede Krise bewältigen kann, doch mit einem besseren Migrationsmanagement wären wir zumindest gut gewappnet.
Der Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration (GCM) und die im Zuge der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) eingerichtete Arbeitsgruppe zu Vertreibung haben solide Empfehlungen hervorgebracht, die Staaten bei der Entwicklung zukunftsweisender Strategien für die klimabedingte Migration unterstützen sollen. Der Fokus liegt auf Klimaanpassungsstrategien, die sich vor Ort umsetzen lassen, damit Menschen gar nicht erst gezwungen sind, ihr Zuhause zu verlassen.
In jüngerer Zeit hat sich der Konsens dahin verlagert, dass Staaten vor allem ihre Migrationsstrategien ausweiten müssen, um die sichere Migration all jener zu vereinfachen, die aufgrund klimatischer und ökologischer Bedingungen nicht in ihren Ursprungsgebieten bleiben oder dahin zurückkehren können. Die politische Umsetzung dieses Konzepts steht erst am Anfang: Daher sind diese Ideen derzeit meist noch nur als Leitlinien in internationale politische Strategien eingebunden. Es gibt jedoch Hoffnung, dass das weltweit zunehmende politische Bewusstsein dazu führt, dass bestehende nationale Vorschriften zum Klimawandel unter Einbeziehung der weltweit vereinbarten Leitlinien überarbeitet werden.
Eine auf dem GCM basierende neue Rahmenpolitik zur klimabedingten Migration könnte die Einbindung klimatischer und ökologischer Dimensionen allgemein verpflichtend machen. Der von der Afrikanischen Union erarbeitete Drei-Jahres-Plan befasst sich beispielsweise vorrangig mit klimatischen Migrationstreibern. Jedoch neigen viele Politiker dazu, beim negativ konnotierten Thema Migration in eine Art Schockstarre zu verfallen.
Die in weltweiten Vereinbarungen gewählte Sprache ist zwar konstruktiv, doch Worte bedeuten nicht viel, wenn Regierungen dann nicht entsprechende Managementstrategien umsetzen, die sogenannten Klima- beziehungsweise Umweltflüchtlingen verschiedene gesetzliche Migrationsoptionen eröffnen. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Klimakrise voranschreitet, kommen wir nicht mehr umhin, uns der heiklen Migrationsfrage zu widmen.
Überwindung der Angst vor mehr Migration
Wie ist der Status quo? Eine unlängst von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) durchgeführte Studie ergab, dass 53 Prozent der 66 untersuchten Länder und Gebiete klimatischen und ökologischen Faktoren in ihrer nationalen Migrations- und Vertreibungspolitik Rechnung tragen. Dabei handelt es sich insbesondere um afrikanische Länder. Andere Staaten – wie Nepal und Georgien – haben sogar eine gesonderte Politik zu klimabedingter Flucht und Migration erarbeitet.
Das ist ein guter Anfang, doch die COVID-19-Pandemie bietet sich uns die Chance, den Klimaschutz und das Klimamanagement im Zuge eines „Building Back Better“-Konzepts zu überdenken. Es ist an der Zeit, dass sich Staaten einer systematischen und umfassenden Analyse ihrer Migrationspolitik und -strategie widmen: einerseits, um zu verstehen, wie sich das Migrationsmanagement an neue ökologische Gegebenheiten anpassen lässt, und andererseits, um zu bestimmen, welche neuen Ansätze nötig sein könnten. Es geht nicht nur darum, Menschen Schutz und Unterstützung zu bieten, die aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels ihre Heimat verlassen mussten, sondern auch darum, hervorzuheben, inwieweit Migranten ihre aufnehmenden Staaten bereichern können.
Zu diesem Zweck lassen sich viele Ansätze zum Migrationsmanagement überdenken und verstärken. So bietet es sich an, dass Staaten denen, die von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, besondere Migrationsmaßnahmen (einschließlich Aufenthaltsgenehmigungen) anbieten.
Bestehende bilaterale Vereinbarungen im Bildungs-, Weiterbildungs- und Beschäftigungsbereich können besser auf Gemeinschaften zugeschnitten werden, die den Folgen des Klimawandels besonders ungeschützt gegenüberstehen. Regionale Freizügigkeitsprotokolle können sogenannte Klimaflüchtlinge ausdrücklich einschließen. Strategien und Programme zur freiwilligen Rückkehr und Wiedereingliederung lassen sich optimieren, damit sie grundsätzlich ökologisch nachhaltig sind und Chancen für eine grüne Wirtschaft eröffnen.
Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von Menschenhandel und Menschenschmuggel sollten prinzipiell berücksichtigen, wie Klimaauswirkungen Risiken erhöhen. Ein weiterer vielversprechender Weg sind wirtschaftliche Maßnahmen zur Verringerung der Kosten von Geldüberweisungen und Anreize für Investitionen in eine Klimaschutz-Diaspora.
Viele sogenannte Klimaflüchtlinge müssen erst einmal die erlebten Traumata verarbeiten, könnten sich aber im Laufe der Zeit als wahre Bereicherung für das aufnehmende Land erweisen. Ein umfassender Migrationsmanagementansatz kann dabei helfen, würdevolle und gesetzliche Möglichkeiten anzubieten, von denen alle profitieren. Diese sollen die Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung ergänzen, um Zwangsmigration von vornherein zu verhindern. Wir sollten den Moment, in dem die Welt gleichzeitig mit einer Gesundheits- und einer Klimakrise konfrontiert ist, nutzen, um bessere Systeme zu entwickeln, die Migranten würdevolle Optionen bieten und die Staaten, aus denen und in die sie aufgrund der globalen Erderwärmung flüchten, unterstützen.
Mariam Traore Chazalnoël ist eine führende Expertin für Migration, Umwelt und Klimawandel bei der IOM, für sie sie seit 2008 in Genf, Bamako und New York arbeitet. Dina Ionesco ist Leiterin der Abteilung für Migration, Umwelt und Klimawandel bei der IOM.
Hinweis auf Wunsch der Autorinnen: Die in diesem Artikel enthaltene Analyse gibt die Meinung der Autorinnen wieder und entspricht nicht unbedingt der Haltung der IOM.
Der Artikel ist einem Beitrag zu „21st Century Diplomacy: Foreign Policy Is Climate Policy“ entlehnt, einem vom Forschungs- und Beratungsinstitut Adelphi und dem Wilson Center geleiteten Projekt.