Das Corona-Konjunkturpaket ist zu einem guten Teil auch ein Paket gegen den Klimawandel und damit für die Energiebranche. Zwar sind Stadtwerke und Energieversorger im Moment hauptsächlich mit der Umsetzung der sehr kurzfristig angekündigten Mehrwertsteuersenkung beschäftigt, die an die Kunden weitergegeben werden muss. Ein guter Teil der Mittel fließt aber in die Förderung der Elektromobilität, um deren Markthochlauf zu beschleunigen: So werden die erhöhte Kaufprämie für Elektrofahrzeuge, steuerliche Erleichterungen für Dienstwagennutzer, die Verzehnfachung der Förderung des Ausbaus privater Ladeinfrastruktur auf 500 Millionen Euro, die Verlängerung der Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge bis 2030, die Flottenaustauschprogramme für soziale Dienste, das Handwerk und KMU sowie die Mehrwertsteuersenkung auf 16 Prozent bis Ende 2020 starke Anreize zur Anschaffung von Elektrofahrzeugen und Plugin-Hybriden setzen und die Nachfrage deutlich steigern.
Das meiste Geld fließt dabei zwar in Form von Kaufprämien an die Kunden beziehungsweise die Autohersteller. Beim Verkauf des Autostroms, beim Aufbau der Ladeinfrastruktur und beim notwendigen Ausbau der Verteilnetze können jedoch Energieversorger profitieren, wenn sie sich in dem wachsenden Markt jetzt konsequent positionieren und ihre Kompetenzen als regionale Infrastrukturdienstleister ausspielen.
Nachfrage nach Ladeinfrastruktur wird steigen
Wer in nächster Zeit einen Neuwagen anschaffen will, wird nun aufgrund der steigenden finanziellen Attraktivität auch Elektrofahrzeuge in Betracht ziehen. Kommt es dann zum Kauf, entsteht zwangsläufig Bedarf an einer komfortablen Lademöglichkeit, entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz. Je nach Fahrzeug, Batteriegröße und täglich benötigter Reichweite stellt sich auch die Frage nach Schnelllade-Möglichkeiten und der verfügbaren Netzkapazität. Hier können die lokalen Stadtwerke, die ihr Verteilnetz kennen, schnell verlässliche Aussagen über die vorhandenen Möglichkeiten treffen, die passende Ladeinfrastruktur anbieten und gegebenenfalls auch einen zweiten Hausanschluss legen, um die bereitgestellte Ladeleistung zu erhöhen.
Gerade im gewerblichen Bereich und in Mehrfamilienhäusern, wo der Ausbau der Ladeinfrastruktur schrittweise, parallel zur Entwicklung der Elektrofahrzeugnachfrage stattfinden wird, ist zudem eine längerfristige, individuelle Ausbauplanung erforderlich. Stadtwerke können hier jedem einzelnen Kunden bedarfsgerechte Lösungen bieten und gleichzeitig den dafür notwendigen Netzausbau planen. Die Vor-Ort-Präsenz wird für Stadtwerke damit zum echten Heimvorteil.
Produktkonzept und Timing müssen
passen
Stadtwerke und andere Grundversorger beliefern im Durchschnitt knapp 70 Prozent der Haushalte und viele Unternehmen in ihrer Region verlässlich mit Strom. Aufbauend auf der vorhandenen Kundenbeziehung können sie sich als erste Adresse für die Lieferung des Autostroms und darüber hinaus auch für die Bereitstellung von Ladeinfrastruktur und weitere Services positionieren. Wichtig dabei sind der Blick auf die Kundenbedürfnisse und die Wettbewerbssituation.
Wer als Energieversorger wartet, bis der Kunde sich beim Autohändler für ein Fahrzeug entschieden hat, kommt definitiv zu spät. Autohersteller bieten bereits heute ein umfassendes Paket aus Fahrzeugfinanzierung, Wartung und Service sowie Versicherung an. Ein Ausbau in Richtung Elektromobilität findet bereits statt. Volkswagen agiert sogar selbst als Energieversorger und bietet seinen Kunden ein Rundum-Sorglos-Paket aus Ladebox samt Installation, eine Ladekarte für unterwegs sowie die Stromlieferung für den Haushalt an.
Wer beim Fahrzeugkauf ein Stromangebot des Autoherstellers erhält, würde dies vermutlich in vielen Fällen annehmen. Wie aus einer Befragung von 2.400 Haushalten im Rahmen der Vertriebskanalstudie Energie 2020 von Kreutzer Consulting und Nordlight Research hervorgeht, würden nur 39 Prozent den Strom für ihr Elektroauto bevorzugt vom Energieversorger beziehen wollen. 13 Prozent würden sich eher für den Autohersteller entscheiden. Für etwa die Hälfte aller Befragten kämen beide Anbietergruppen in Frage. Wer zuerst auf den Kunden zugeht, wäre wohl im Vorteil.
Auch wenn der Kunde sich höchstwahrscheinlich zuerst über das Auto und erst später über die Lademöglichkeiten informiert, können Stadtwerke sich frühzeitig als Elektromobilitäts-Dienstleister und erster Ansprechpartner für Ladeinfrastruktur und Ladestrom positionieren.
Vorteile als Dienstleister aus der Region nutzen
Einerseits ist ohnehin meist eine starke regionale Präsenz durch Werbung, Sponsoring und sonstige Aktivitäten vorhanden. Durch den Aufbau geförderter Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum und die Bewerbung dieses Angebots entsteht zusätzliche Sichtbarkeit des Themas und auch Resonanz in den Medien. Ohnehin schon vorhandene kommunale Fördermittel für die Anschaffung von Elektrofahrzeugen oder Wallboxen können zudem mit den staatlichen Zuschüssen kombiniert werden, um die Angebote noch attraktiver zu machen.
Zu guter Letzt können Stadtwerke als Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs und zum Teil auch als Car- und Bike-Sharing-Anbieter leichter integrierte Mobilitätsangebote schaffen, die ein optimales Zusammenspiel zwischen Individualverkehr und öffentlichem Verkehr ermöglichen. Hierzu tragen nicht nur die vielen Infrastruktur-Fördermittel bei, sondern auch die 500 Millionen Euro, die für den Ausbau von Smart City-Anwendungen bereitgestellt werden. Stadtwerke können daher besonders stark vom Corona-Konjunkturpaket profitieren, wenn Sie heute eine Strategie entlang des erwarteten Hochlaufs der Elektromobilität entwickeln und die jetzt vorhandenen Fördermittel – auch im Wasserstoffbereich – gezielt zum Ausbau ihrer Marktposition einsetzen.