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Energie & Klima

Standpunkte Wir müssen Russlands Gas- und Ölgeschäft jetzt stoppen

Foto: Steffen Roth

Durch die hohen Öl- und Gaspreise werden jeden Tag annähernd eine Milliarde Euro in die russische Kriegskasse gespült, sagt Norbert Röttgen vom Auswärtigen Ausschuss. Das sei fatal – daher müsse die Bundesregierung die Importe aus Russland einstellen.

von Norbert Röttgen

veröffentlicht am 07.03.2022

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Wladimir Putin hat Mariupol dem Erdboden gleich gemacht, und es wird nicht die letzte Stadt gewesen sein. Er versucht, die Ukrainer in die Knie zu zwingen, indem er auf unmenschliche und verbrecherische Weise ganze Straßenzüge, Wohngebiete und Krankenhäuser bombardiert. So wie der Angriffskrieg auf die Ukraine als solcher ein Kriegsverbrechen war, ist es nun auch die Kriegsführung, die sich wahllos gegen die Zivilbevölkerung richtet.

Die Zerstörung und das menschliche Leid dieses Krieges sind schon jetzt unermesslich. Aber es wird noch schlimmer werden, und daher dürfen wir jetzt nicht länger warten. Die Menschen in Deutschland verstehen, was in der Ukraine auf dem Spiel steht: der Frieden und die Freiheit Europas. Wir müssen alles, was in unserer Macht steht, tun, um die Ukrainern in ihrem Kampf gegen Putin und für die Freiheit zu unterstützen. Wir müssen Russlands Gas- und Ölgeschäft jetzt stoppen.

Diplomatie und militärische Fähigkeiten gehören zusammen

Die Welt, wie wir sie kannten, existiert nicht mehr. Putin versucht in der Ukraine, die Weltgemeinschaft zurück in eine Zeit zu bomben, in der politische Ziele mit militärischer Macht durchgesetzt und Grenzen willkürlich verschoben wurden. Putin setzt Krieg als Mittel der Politik ein wie im 19. Jahrhundert und als hätte es das 20. Jahrhundert nicht gegeben.

Wir müssen verstehen, was ein Erfolg dieser Methode Putins für das 21. Jahrhundert bedeutet und damit aufhören, die Augen zu verschließen. Putin ist nicht mehr berechenbar. Er verfolgt imperiale Phantasien und einen völkischen Wiedervereinigungsplan, den er in seiner Kriegsrede dargelegt hat. Die Ukraine hat für ihn kein Existenzrecht. Er sieht sie nicht als unabhängigen Staat, sondern als Teil Russlands. Ähnlich blickt er auf alle ehemaligen Sowjetrepubliken, die Außenminister Sergej Lawrow als „verwaiste Territorien“ bezeichnete.

Wir müssen diese Zäsur als Weckruf begreifen und unsere Naivität gegenüber autoritären Regimen ablegen. Diplomatie und militärische Fähigkeiten gehören zusammen, ja, sie bedingen sich sogar. Wir müssen lernen, beides zusammenzudenken und ein für alle mal verstehen, dass wir auch politisch nicht ernst genommen werden, wenn wir neben Diplomatie nicht auch über einsatzfähige militärische Mittel verfügen.

Entscheidend in dem Kampf gegen Putin und seine Machtphantasien ist der unglaubliche Mut und Widerstandswille der Ukrainer. Darum hat Putin schon jetzt verloren: Die ukrainische Nation, deren Existenz Putin bestreitet, ist unwiderruflich entstanden und stärker denn je. Putin kann vielleicht die Ukraine als Land zerstören, aber als Nation nicht vernichten. Die Ukrainer kämpfen für ihr Land und ihre Freiheit mit einer Entschlossenheit und Überzeugung, der ich mit tiefstem Respekt und Ehrfurcht begegne.

Daher ist es nur schwer zu ertragen, dass wir der Ukraine militärisch nicht unmittelbar beistehen können. Aber diesen Entschluss hat die Nato aus gutem Grund getroffen und dabei wird es bleiben. Ohne einen Angriff auf ein Mitgliedsland der Nato selbst werden wir keinen Krieg gegen Putin führen, weil die Eskalationsgefahr unermesslich wäre und ganz Europa in einen atomaren Konflikt stürzen könnte. Dieses Risiko werden wir nicht eingehen. Daran dürfen wir keinen Zweifel aufkommen lassen.

Aber alles andere können und müssen wir tun. Wir müssen alle wirtschaftlichen Register ziehen, um Putins System so hart wie möglich von innen zu treffen und finanziell auszutrocknen. Indem wir die wichtigsten russische Banken – Sberbank und die Gazprombank – vom Swift-Ausschluss ausnehmen, geht Putins Öl- und Gasgeschäft zu Höchstpreisen und auf Rekordniveau weiter. Jeden Tag wird so annähernd eine Milliarde Euro in Putins Kriegskassen gespült, die unsere eigentlich wirkmächtigen Sanktionen gegen die russische Zentralbank konterkarieren.

Unsere Gesellschaft begreift, dass es auch um unsere Freiheit geht

Der Krieg ist ein Geschäftsmodell für Putin, und wir finanzieren es! Also worauf warten wir noch? Wie viele bombardierte Städte sind genug? Wie viele Menschen müssen sterben, bevor wir beginnen zu handeln? Es ist zynisch, nun zu sagen, die Situation in der Ukraine müsse erst noch schlimmer werden. Unsere Gesellschaft ist stark, sie ist solidarisch und sie begreift, dass es auch um unsere Freiheit geht.

Ich bin überzeugt: Das Öl- und Gasembargo wird kommen. Wir können die ausbleibenden Gaslieferungen durch unsere Gasvorräte bis zum nächsten Winter ersetzen. Bis dahin haben wir Zeit und Möglichkeiten, unsere Energiepolitik neu auszurichten. Vorübergehend wird das wahrscheinlich nur zu Lasten anderer Ziele wie Klimaschutz und dem Ende der Kernenergie gehen. Aber für viele Ukrainer wird es zu spät sein, wenn wir jetzt weiter zögern. Deshalb muss die Abwägung eindeutig sein, so schwer und weitreichend die Entscheidung auch ist.

Ich appelliere an die Bundesregierung: Wir müssen die russischen Gas- und Ölimporte jetzt stoppen! Die Ukrainer brauchen unsere Unterstützung, und wenn sie verlieren, verlieren auch wir. Unsere Bevölkerung erkennt das in ihrer großen Mehrheit an. Dafür braucht es nur ein Bruchteil von dem, was die Ukrainer jede Nacht und jeden Tag so bewundernswert aufbringen: Mut.

Dieser Standpunkt ist am Montag, 07. März, im Tagesspiegel erschienen.

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