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Sustainable Finance

Standpunkte Bei Infrastrukturinvestments voran gehen

Karin Kaiser, Leiterin Schroders Greencoat Deutschland
Karin Kaiser, Leiterin Schroders Greencoat Deutschland Foto: Schroders Greencoat

Die Energiewende ist mehr als nur eine simple Stromwende, sondern sie bietet in vielen Lebens- und Wirtschaftsbereichen ein großes Potenzial, um Klimaneutralität zu erreichen. Deutschland kommt dabei eine Vorreiterrolle zu – und für Investoren bieten sich gute Chancen. Das meint Karin Kaiser, Leiterin der auf Energiewende-Infrastruktur-Investments spezialisierten Sparte des Vermögensverwalters Schroders Capital, Schroders Greencoat Deutschland.

von Karin Kaiser

veröffentlicht am 06.04.2023

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Erneuerbare Energien sind einer der am schnellsten wachsenden und spannendsten Bereiche des Anlageuniversums für Infrastruktur. Einen Schub gab 2022: Viele Bestrebungen zugunsten von Netto-Null-Emissionen, die sonst wahrscheinlich erst in den frühen 2030er Jahren auf den Weg gebracht worden wären, wurden vorgezogen – wie etwa der „Repower-EU-Plan“ in Europa oder der „Inflation Reduction Act“ in den USA.

Beide legen ihren Schwerpunkt auf den Ausbau erneuerbarer Energien als zentrale Säule der Energiewende. Darum schätzen wir den Marktwert für erneuerbare Energien allein in Europa bis 2030 auf über 1.000 Milliarden Euro. Nimmt man außerdem die USA hinzu, so lässt sich erkennen, dass erneuerbare Energien mittelfristig mit Abstand den größten Bereich des Infrastruktursektors stellen werden.

Viele Faktoren sprechen für langfristige Investitionen in Energieinfrastruktur

Dabei gilt es nicht nur, unseren heutigen Strombedarf auf „grünen“ Strom umzustellen. Um das Ziel der Netto-Null-Emissionen zu erreichen, muss sich die Energiewende auf weitere Sektoren erstrecken. Dazu gehört insbesondere die Elektrifizierung von Transport und Wärme. Nötig sind etwa Ladestationen für Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen, Investitionen in Wasserstoff und andere Formen nachhaltiger Infrastruktur.

Sinnvoll wäre, wenn sich auch hier regulatorische Unterstützungen durchsetzen würden. So ist die EU bestrebt, Neuzulassungen von Verbrennern ab 2035 zu verbieten und somit keine neuen Diesel und Benziner mehr zuzulassen – sofern das gegen das Votum von Deutschland und anderen Ländern durchsetzbar ist. Ein potentielles Verbot von gas- und ölbetriebenen Heizverfahren ab 2024 ist zurzeit auch Gegenstand politischer Debatte. Die Umstellung auf elektrische Wärmepumpen würde dann gleichfalls zu einer Steigerung der Stromnachfrage führen. Als dritte Komponente ist die EU-Wasserstoffstrategie nicht zu vernachlässigen. Die Herstellung von Wasserstoff benötigt ebenfalls Strom – idealerweise natürlich jeweils „grünen“ Strom, erzeugt aus erneuerbaren Energien.

Durch diese zunehmende Elektrifizierung sei bis 2050 ein Anstieg der Stromnachfrage um 51 Prozent zu erwarten, so das Analysehaus Aurora Energy. Gleichzeitig sei damit zu rechnen, dass konventionelle, auf Kohle und Gas basierte Anlagen über die nächsten Jahre weiter abgebaut werden. Langfristig dürfte sich der Ausbau der erneuerbaren Energien also beschleunigen.

Hierdurch entsteht demnach zwischen den Jahren 2022 und 2050 eine kumulative Investitionsmöglichkeit von mindestens 1.500 Milliarden Euro. Was für den Klimaschutz unerlässlich ist, sollten Investoren nicht als Last und Kosten, sondern als Chance betrachten.

Gewisser Inflationsschutz möglich

Diese große Marktchance der Energiewende punktet mit vielen bekannten und weniger bekannten Vorteilen. So belaufen sich viele der wichtigsten Betriebskosten auf null – denn Sonne und Wind per se kosten nichts. Cashflows sind weitestgehend vorhersehbar und relativ unempfindlich gegenüber dem Konjunkturzyklus. Beides kann sich bei einem wirtschaftlichen Abschwung als wertvoll erweisen.

Ebenso ist ein gewisser Inflationsschutz möglich, der vom Umsatzmodell abhängt. Historisch wurden viele gängige Subventionsmodelle in Europa vertraglich explizit an die Inflation gebunden. Doch auch ohne staatliche Unterstützung können Wind- oder Solarparks langfristige Verträge mit kreditwürdigen Vertragspartnern eingehen und ihren Strom für 10 bis 15 Jahre zu einem garantierten, teils inflationsgebundenen Preis verkaufen.

Außerhalb dieser Modelle wird der Strom auf dem freien Markt verkauft, abhängig von zukünftigen Strompreisen. Aufgrund der Kopplung der Energiepreise an die Inflation bleibt ein impliziter Zusammenhang bestehen, welcher 2022 sehr deutlich wurde: Energiepreise waren Haupttreiber der Inflation, nicht nur in der Eurozone.

Je nach Umsatzstruktur gibt es folglich für Investoren ein Aufwärtspotenzial, bei dem Vermögenswerte von einem inflationären Umfeld profitieren. Gleichwohl sind bestehende Verträge mit Festpreisregelungen ohne Inflationsschutz dann weniger attraktiv, etwa vergleichbar mit einer Anleihe. Dieses Risiko fließt jedoch in die Preisgestaltung sowie auch in die Vertragsdauer mit ein.

Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien werden überdies oft für den über ihre Lebensdauer erwirtschafteten Cashflow gehalten. Dies kann ein Zeitraum von 30 bis 40 Jahren sein, auch bekannt als Buy-and-Hold. Hierbei hat die kurzfristige Volatilität der Bewertungen weniger Einfluss auf die langfristigen Renditen der Anleger, auch in einem steigenden Zinsumfeld.

Deutschland in Sondersituation

Deutschland ist laut Aurora Research einer der wichtigsten und auch attraktivsten Märkte für erneuerbare Energien in Europa. Das gilt sowohl für On- und Offshore-Wind als auch für Solarenergie. Dem Ausbau hierzulande kommt dabei eine Vorreiterrolle in Europa zu: Denn auf der Nachfrageseite steht ein energieintensiver Industriestandort, auf der Angebotsseite ist Deutschland durch den Wegfall von russischem Gas sowie dem so gut wie vollzogenen Atomausstieg in einer Sonderrolle. 2022 wurde fast die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen. Bis Ende der Dekade soll der Anteil auf 80 Prozent steigen.

Bei nachhaltigen Infrastrukturinfrastrukturinvestments kommt es auf ein umfassendes Detailwissen und eine hohe technische Kompetenz an. Daher sollten Investoren bei der Wahl des passenden Infrastrukturmanagers darauf achten, dass dieser möglichst auf erneuerbare Energien spezialisiert ist und diese nicht nur neben anderen Bereichen mit verwaltet.

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