Sustainable-Finance icon

Sustainable Finance

Standpunkte Klimakosten und -nutzen von KI müssen transparent werden

Arne Tarara, Gründer und Geschäftsführer von Green Coding Solutions
Arne Tarara, Gründer und Geschäftsführer von Green Coding Solutions Foto: Green Coding Solutions

KI wird von immer mehr Menschen genutzt, doch der der Klima-Effekt ist umstritten. Verschiedene Unternehmen und Initiativen bemühen sich bereits, Transparenz bei den CO2-Emissionen zu schaffen. Arne Tarara, CEO von Green Coding Solutions, beleuchtet den Stand der Technik und betont, dass KI auf ihren Umweltnutzen geprüft werden muss.

von Arne Tarara

veröffentlicht am 15.08.2024

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Künstliche Intelligenz (KI) zielt auf die Automatisierung von Entscheidungsvorgängen ab, die traditionell den Einsatz menschlicher Intelligenz erfordern. Führende Tech-Firmen wie Microsoft, Open AI, Google und andere investieren Milliarden in KI-Systeme wie ChatGPT und planen, ihre globalen Rechenzentrumskapazitäten erheblich auszubauen. Dieser Ausbau ist beeindruckend, wirft aber auch bedeutende Fragen zur Nachhaltigkeit und zum Energieverbrauch von KI auf.

So verdoppelte Microsoft bereits in diesem Jahr die Kapazität seiner Rechenzentren. Dem Unternehmen stehen jetzt fünf Gigawatt (GW) Anschlusskapazität zur Verfügung. Für das erste Halbjahr 2025 ist die Anschlussleistung von 1,5 GW geplant, was in etwa einem mittleren Atomkraftwerk entspricht. In den nächsten Jahren sollen Dutzende neue Rechenzentren weltweit gebaut werden. Für Google sind keine konkreten Zahlen bekannt, doch aufgrund der Absicht, mit Microsoft konkurrieren zu können, dürften die Investitionen hier ähnlich ausfallen.

Sehr relevanter CO2-Ausstoß

Neben der schieren Menge an Energie, die für den Betrieb dieser IT-Infrastruktur notwendig ist, sind selbstverständlich auch die Herstellungskosten der Hardware eine sehr relevante Komponente für das Klima. Mit jedem hergestellten Server und KI-Beschleuniger fallen CO2-Mengen im vierstelligen Kilogramm-Bereich an. Für einen durchschnittlichen Server liegen diese bei rund 800 kg. Hierbei sind die CO2-Herstellungskosten für einen KI-Beschleuniger noch nicht mit eingerechnet.

Es wird schnell deutlich, dass der Ausbau der KI-Technologie einen sehr relevanten CO2-Ausstoß mit sich bringt. Selbst wenn einiges davon mit regenerativen Energien abgefangen werden kann, bleibt immer noch der große Anteil der CO2-Emissionen aus der Herstellung. Das weiterhin CO2-intensive Recycling ist hierbei noch nicht mit eingerechnet.

Ziele für CO2-Fußabdruck in weiter Ferne

Microsoft, Open AI und Google haben sich zu mehreren Initiativen verpflichtet, um den ökologischen Fußabdruck ihrer Rechenzentren zu reduzieren. Dazu gehört der Einsatz erneuerbarer Energien, wie Wind- und Solarenergie, um den Energiebedarf zu decken. Microsoft hat angekündigt, bis 2030 CO2-negativ zu sein, Open AI arbeitet daran, die Effizienz ihrer KI-Modelle zu verbessern, um den Energieverbrauch zu minimieren, und Google hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 vollständig CO2-frei zu operieren.

Laut den jüngst veröffentlichten Bilanzen der Unternehmen scheinen diese Ziele aber weit entfernt. Googles Emissionen sind bezogen auf 2019 sogar um 48 Prozent gestiegen und bei Microsoft zeichnet sich ein ähnliches Bild mit einem Anstieg um 30 Prozent seit 2020 ab.

Potenziale von KI und Zweifel an Umweltverträglichkeit

Ohne Frage bietet KI auch enorm große Potenziale. So war die Begeisterung zur Veröffentlichung von ChatGPT3 groß. Es wurde deutlich, wie stark Gen-AI-Assistenten sind und dass sie bei klassischen Bürotätigkeiten unterstützen können. Stimmen- und Bilder-Generierungen und andere Anwendungen sparen Zeit und Kosten, wobei die Potenziale nicht nur im generativen Bereich liegen. So werden von Experten große Erfolge im Bereich der Medikamentenherstellung, der Medizin oder auch im Rechtswesen erwartet, wo komplexe Datenmengen analysiert sowie Muster erkannt werden können.

Für viele weitere Sektoren wie die produzierende Industrie oder IT bestehen aber auch große Zweifel daran, ob sich zumindest die bisherigen extremen Kosten mit dem Aufwand für die Integration und auch das Training der Modelle je Netto-Positiv-Effekte für Kosten und Klima ergeben werden.

In einer von Accenture durchgeführten Bitkom-Studie wurde Digitalisierung, KI & Co. eine Einsparung von bis zu 26 Prozent attestiert, die diese in anderen Sektoren wie Energie, Gebäude, Landwirtschaft und anderen erbringen können. Das Umweltbundesamt (UBA) hat dazu kürzlich eine kritische Stellungnahme veröffentlicht, in der die Zahlen als stark überschätzt eingeordnet werden. Auch die skeptische Bewertung von Sequoia Capital und Goldman Sachs in dieser Sache zeigt, dass mittlerweile auch auf der Investoren-Seite Zweifel bestehen.

Ansätze mit einer Netto-Nutzen-Betrachtung

Einen fundierten Ansatz, um diesem Problem zu begegnen, bietet beispielsweise der Förderaufruf Digital Green Tech. Die jeweiligen Förderprojekte nutzen Technologien, um speziell ökologische Vorteile und Einsparungen zu erzielen.

Hierbei läuft parallel ein wissenschaftliches Begleitvorhaben, in dem die Gesellschaft für Informatik und das Öko-Institut den Netto-Nutzen für die Projekte in Form einer vereinfachten Ökobilanz ermitteln. Ähnliches ist auch für KI-Modelle denkbar, da es mittlerweile gute Abschätzungen gibt, wie hoch die Energie- und CO2-Kosten der Technologie sind – selbst, wenn diese als Software-as-a-Service genutzt werden.

Huggingface, eine Community rund um die Bewertung und Evaluierung von KI-Modellen, listet für viele Modelle bereits deren CO2-Daten auf. Weiterhin beschäftigt sich die Green Software Foundation aktiv damit, eine Klassifizierung von Modellen einzuführen, da es eine extreme Bandbreite zwischen den CO2-Kosten für eine Abfrage an ein KI-Modell gibt und wie spezialisiert dieses ist.

Erst kürzlich wurde dieser Ansatz mit Open-Source Modellen in einem Paper auf der Hot Carbon Konferenz vorgestellt. Diesen kann man auch auf der Seite green-coding.ai der Green Coding Solutions GmbH selber ausprobieren. Hier sieht man, dass Abfragen verschiedener Modelle oft gleiche Antworten bei teilweise nur einem Zehntel des Energieverbrauchs liefern.

Ökologie nur Randpunkt des AI-Act der EU

Die EU hat sich jüngst an der Regulierung von KI mit dem AI-Act versucht. Hierbei stellt dieser jedoch eher einen sozialen und gesellschaftlichen Rahmen dar, in dem KI innerhalb der EU eingesetzt werden darf. Ökologische Aspekte werden darin noch sehr vorsichtig angesprochen, indem lediglich die Offenlegung des Energieverbrauchs der Modelle gefordert wird – mit der Perspektive, dies in 2028 zu überarbeiten oder weiter zu verschärfen.

An sich ist es zu begrüßen, mit einer so schnell beschlossenen Regelung keinen Schnellschuss zu machen und sie überschaubar zu halten. Obwohl es bereits absehbar ist, dass es für bestimmte Anwendungsfälle effizientere und weniger effiziente Modelle gibt, haben selbst Akteure innerhalb der IT, wie die Green Software Foundation oder auch Hugging-Face, keine klaren Kennlinien, ab wann ein KI-Modell als ineffizient gilt und welche Werte ökologisch nicht mehr vertretbar sind. Dieses Problem besteht generell für jegliche Software, da immer auch der Nutzen der Technologie mit abgewogen werden muss.

Was folgt?

KI-Modelle können in komplexen Systemen unfraglich Effizienzgewinne erzielen. Wie hoch diese exakt sind, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nur schwer abschätzen und ist auch sehr kritisch zu betrachten. Unklar ist, ob die CO2-Emissionen, die aktuell mit dem Ausbau und der Nutzung von KI verbunden sind, jemals die Einsparungen aufwiegen werden.

Vielversprechend sind Ansätze wie beispielsweise die kleineren Modelle von Google (Gemma), die auch lokal auf Notebooks und Mobilgeräten lauffähig sind. Hier wäre keine neue Hardware für die Nutzung der Modelle nötig. Ob diese dann aber auch die komplexen Anforderungen lösen können, die für CO2-Einsparungen in den Sektoren notwendig sind, lässt sich aktuell kaum sagen.

Kritisch beleuchtet werden sollte auch die Frage, ob die Modelle wirklich einen technologischen Vorteil gegenüber einer schlichten klassischen algorithmischen Lösung bieten und wir mit KI nicht in vielen Bereichen eher einen „Rebound Effekt“ erleben, bei dem für die gleiche Klasse von Problemen auf eine deutlich weniger nachhaltige, aber etwas bequemere Technologie gewechselt wird, die dann am Ende auch deutlich öfter eingesetzt wird.

Der Einsatz von KI sollte immer eine Netto-Nutzen-Betrachtung speziell im ökologischen Aspekt mit sich ziehen. Die Effizienzgewinne, die KI bringen, wirken verführerisch, müssen sich aber in vielen Bereichen noch beweisen und KI sollte nicht um jeden Preis Einzug halten.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen