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Standpunkte Gesundheit fördern – Staatshaushalt entlasten: ein Plädoyer für mehr Prävention

Ute Mons, Leiterin der Abteilung Primäre Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum
Ute Mons, Leiterin der Abteilung Primäre Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum Foto: DKFZ/Jutta Jung

Prävention ist am effektivsten, wenn sie über reine Aufklärung hinausgeht und durch gesundheitspolitische Maßnahmen Lebensumwelten und Rahmenbedingungen schafft, die es der Bevölkerung leichter machen, sich gesünder zu verhalten, schreibt Ute Mons im Standpunkt. Die Leiterin der Abteilung Primäre Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum wirbt dafür, klug gestalteten fiskalischen Instrumenten eine Chance zu geben. Das schütze Gesundheit, spare Kosten und generiere Einnahmen.

von Ute Mons

veröffentlicht am 20.01.2025

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Angesichts angespannter Haushaltslage und prekärer Krankenkassenfinanzen steht die zukünftige Bundesregierung vor großen Herausforderungen. Eine baldige Entlastung ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil: die demografische Alterung führt zu einer stetigen Zunahme von Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Demenz. Während medizinische Fortschritte in den letzten Jahren zwar erfreulicherweise zu erheblichen Verbesserungen der Lebensqualität und Lebenserwartung bei chronisch Erkrankten beigetragen haben, steigen damit jedoch auch die Kosten der Versorgung kontinuierlich an.

Eine der effektivsten Strategien, um langfristig die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern und die Gesundheitskosten zu senken, ist die Vermeidung von Krankheiten durch Prävention. Fast 40 Prozent der jährlichen Krebsfälle gehen auf vermeidbare Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und übermäßigen Alkoholkonsum zurück und sind damit grundsätzlich vermeidbar. Dieselben Risikofaktoren tragen auch zur Entstehung von Demenz, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei. Und sie sind in der Bevölkerung weiterhin weit verbreitet, teilweise sogar – wie Übergewicht – mit steigendem Trend.

Prävention setzt bei diesen Risikofaktoren an, und senkt dadurch nachhaltig die Krankheitslast. Prävention ist am effektivsten, wenn sie über reine Aufklärung hinausgeht und durch gesundheitspolitische Maßnahmen Lebensumwelten und Rahmenbedingungen schafft, die es der Bevölkerung leichter machen, sich gesünder zu verhalten. Durch sicherere Radwege, verständliche Nährwertkennzeichnungen auf Lebensmitteln, Restriktionen auf Marketing für ungesunde Produkte oder durch preisliche Anreize. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, greifen Aufklärungsmaßnahmen auch besser. Aktuell verpufft die Wirkung von schulischen Programmen zur Alkoholprävention spätestens dann, wenn die Kinder nach der Schule an der Bushaltestelle Alkoholwerbung ausgesetzt sind.

Krankheit vermeiden heißt Folgekosten vermeiden

Wer Krankheiten vermeidet, vermeidet auch die damit verbundenen Kosten. Allein das Rauchen verursacht Schätzungen zufolge jährlich Kosten von etwa 97 Milliarden Euro. Davon entfallen 30 Milliarden Euro auf direkte Kosten für Behandlung, Reha und Pflege. Mehr als doppelt so hoch sind darüber hinaus die indirekten Kosten des Rauches in Höhe von 67 Milliarden, die durch wirtschaftliche Verluste infolge von Arbeitsunfähigkeit und vorzeitigen Todesfällen entstehen.

Riskanter Alkoholkonsum verursacht in Summe rund 57 Milliarden Euro an Kosten pro Jahr, davon sind 17 Milliarden Euro direkte Kosten für das Gesundheitssystem und 40 Milliarden Euro indirekte Kosten für die Volkswirtschaft. Die Kosten der Adipositas belaufen sich insgesamt auf 63 Milliarden Euro pro Jahr, die sich aus rund 29 Milliarden Euro direkten und 34 Milliarden Euro indirekten Kosten zusammensetzen. Die finanziellen Folgen der Risikofaktoren Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung dürften ähnlich erheblich sein.

Mit wirksamer Prävention Einnahmen generieren

Doch Prävention kann nicht nur Kosten senken, sondern sogar Einnahmen generieren. Klug gestaltete Erhöhungen der Verbrauchssteuern auf Tabak und Alkohol sind nicht nur die effektivsten Anreize zur Reduktion des Konsums, sondern führen gleichzeitig zu höheren Steuereinnahmen. Ein weiteres viel diskutiertes Beispiel ist die Steuer auf zuckergesüßte Getränke. Daten aus England belegen, dass die Einführung einer solchen Zuckersteuer eine signifikante Reduktion des Zuckerkonsums bei Kindern und Erwachsenen zur Folge hatte und gleichzeitig mehr als 330 Millionen Pfund jährliche Mehreinnahmen generierte.

Darüber hinaus könnte eine Sonderabgabe auf ungesunde Produkte zusätzliche Einnahmen generieren, die gezielt für die Prävention eingesetzt werden könnten. In der Schweiz wird beispielsweise ein nationaler Tabakpräventionsfonds durch eine Abgabe von 2,6 Rappen (umgerechnet also ca. 2,8 Cent) pro verkaufte Schachtel Zigaretten finanziert. Pro Jahr stehen der Tabakprävention in der Schweiz damit rund 13 Millionen Franken zur Verfügung. In Deutschland hätte eine analog gestaltete Abgabe im Jahr 2023 Einnahmen in Höhe von rund 90 Millionen Euro generiert. Und nicht zuletzt würden mit solchen fiskalischen Instrumenten auch die Produkthersteller an den von ihnen verursachten Kosten beteiligt, die sonst von der Allgemeinheit getragen werden müssen.

Win-Win für Gesundheit und Haushalt

Einkommensschwächere Haushalte werden durch eine Erhöhung der Verbrauchssteuern auf ungesunde Produkte übrigens nicht über Gebühr belastet, auch wenn sie einen größeren Anteil ihres Einkommens für Konsumgüter ausgeben. Denn da sie preissensibler sind, verzichten sie auch eher auf den Kauf dieser Produkte, wenn die Preise steigen. Zusätzliche Entlastung und ein Anreiz für gesundheitsbewusstere Ernährung könnte durch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf gesunde Nahrungsmittel erreicht werden, wie auf Obst und Gemüse. So würden auch gesundheitliche Ungleichheiten abgebaut.

Zusammengefasst: Prävention schützt Gesundheit, spart Kosten und kann sogar Einnahmen generieren. Die zukünftige Bundesregierung ist gut beraten, Krankheitsprävention zu priorisieren und eine nachhaltige Präventionsstrategie zu entwickeln, die gleichzeitig die Gesundheit der Bevölkerung verbessert und die knappen Kassen entlastet. Und nicht zuletzt ist eine gesündere Bevölkerung auch die Basis für eine gesunde und resiliente Wirtschaft.

Professorin Dr. Ute Mons ist Leiterin der Abteilung Primäre Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

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