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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Die Fata Morgana der Mobilitätswende

Florian Maringer, Vorstand Strategie & Analyse beim Kontext Institut für Klimafragen
Florian Maringer, Vorstand Strategie & Analyse beim Kontext Institut für Klimafragen Foto: Martina Draper

E-Fuels können in der Luft- und Schifffahrt Sinn ergeben. Doch die Förderung der Antriebstechnologie für den Pkw ist wenig zielführend und kostet den Staat viel Geld. Sind technologische Scheinlösungen die Fata Morganas, dann ist Technologieneutralität der irrlichternde Weg dorthin. Dabei gäbe es Alternativen.

von Florian Maringer

veröffentlicht am 16.04.2024

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Stellen wir uns eine Fata Morgana vor: Ein verdurstender Mensch in der Wüste, der verzweifelt einem Trugbild nachläuft, einer vermeintlich rettenden Oase, und dann feststellt, dass dort nichts ist. Bei der großen Transformation zu Klimatechnologien begegnen uns solche Trugbilder häufig.

Sind technologische Scheinlösungen die Fata Morganas, dann ist Technologieneutralität der irrlichternde Weg dorthin. Sie begegnet uns als letzte demagogische Verteidigungslinie gerade im Verkehr, und das, aus Sicht einiger Partikularinteressen, aus guten Gründen. Wie so oft steckt im ablenkenden Argument ein Körnchen Wahrheit. 

Möge der Markt entscheiden

Hierzulande wird unter dem Vorwand von Technologieneutralität oder -offenheit vielfach allen Technologien so viel Geld gegeben, wie sie brauchen, um den Markt entscheiden zu lassen. Also ihre kompetitiven Nachteile auszugleichen, um die Konsument:innen wählen zu lassen. Der Staat soll einen Wettbewerbsnachteil ausgleichen, obwohl klar ist, dass sich dieser sehr lange, vielleicht nie, verändern wird.

So werden Trugbilder erzeugt und Technologien gezielt gepusht, um Geschäftsmodelle wie den Verbrennungsmotor im Straßenverkehr im Markt zu halten oder bereits gelöste Probleme teuer nochmals zu lösen. Die Transformation braucht aber massive öffentliche und private Mittel für Investitionen, und sie braucht Technologieklarheit für genau diese Investitionen. 

Es gibt bereits eine Alternative zu E-Fuels: den Elektromotor

Die Diskussion um Technologieneutralität ist aus fachlicher Sicht befremdlich, und Kommentare aus der Fachwelt untermauern dieses Befremden. Ein Blick auf den Verkehrssektor verdeutlicht, warum. Er war und ist aktuell am härtesten umfehdet und durchzogen von Trugbildern. Das Ziel sollte sein, die CO2-Emissionen im Verkehr zu eliminieren und ohne Emissionen voranzukommen. Welche Lösungen haben wir hier? Den Elektromotor oder E-Fuels.  

Der Verbrennungsmotor hat die Kutsche abgelöst, weil er Vorteile bot, die die Kutsche nicht hatte. Er ist eine Technologie, um ein Fahrzeug zu bewegen. Doch seine Marktfähigkeit nimmt ab, weil eine andere Technologie sich mittlerweile durchsetzt und es besser kann. Und das, obwohl CO2-Preis und globale Subventionen weiter den Verbrenner stützen. Der Elektromotor holt den Verbrenner mittlerweile aus technologischer Sicht in vielen Aspekten ein oder überholt ihn sogar. 

Der für den Verbrenner problematischste Nachteil, die CO2-Emission, ließe sich, zumindest am Reißbrett, mit E-Fuels lösen.  Doch deren Erzeugung ist noch im Stadium der Demonstration. Selbst alle angekündigten Projekte weltweit würden lediglich zehn Prozent des deutschen Verbrauchs jener Sektoren umfassen, die auf jeden Fall flüssige Treibstoffe brauchen, nämlich Schifffahrt, Flugverkehr und industrielle Prozesse

Eine Skalierung darüber hinaus braucht bis weit in die 2040er-Jahre. Um Marktfähigkeit zu erlangen, müssten Erzeugung und Transportketten für mehrere Milliarden Liter hochgefahren werden. Doch Deutschland wird mit seinem Bedarf nicht allein sein. Die Technologie zur Erzeugung mag dann zwar bereit sein, doch der Markt definiert Menge und Preis. Beides ist über das nächste Jahrzehnt hinaus nicht darstellbar, um den Straßenverkehr auf diese Weise in ausreichendem Umfang zu dekarbonisieren.  

E-fuels für Schiffs- und Flugverkehr priorisieren

Um beim Beispiel zu bleiben: Hält man am Konzept Verbrenner im Straßenverkehr in dieser Größenordnung nur ansatzweise fest, kann man das Problem lediglich lösen, indem die Technologie selektiv geschützt wird. Wer das will, muss verhindern, dass sie aus dem Markt gedrängt wird, weil sie die Emissionsvorgaben nicht erfüllen kann. 

Mangels relevanter Mengen an E-Fuels dürfen die Emissionsvorgaben also nicht verbindlich werden. Da die Nachfrage aus Schiffs- und Flugverkehr selbst optimistische Mengenschätzungen langfristig vollständig aufnehmen, müsste man mit Milliardenförderungen die Nachfrage im Pkw-Bereich hochhalten, um dort Emissionen zu reduzieren. 

Außer man möchte Millionen Menschen mit exorbitant hohen Spritpreisen vom Pkw vertreiben – ein Vorwurf, den sich Klimaschützer sonst gefallen lassen müssten. Tut man das nicht, müssten die anderen Sektoren aufschreien: Es treibt zum einen die Preise, indem die Zahlungsbereitschaft eines Bereiches selektiv hochgetrieben wird. Auf der anderen Seite entzieht es den relevanten Sektoren die notwendigen Mengen. Und das, obwohl es im Pkw-Bereich mit der Elektromobilität bereits eine ausgereifte Technologie gibt, die rund um Europa rapide skaliert. Konserviert man eine Technologie wie Verbrennermotoren durch politische Regelungen oder Milliardenförderungen, handelt man nicht neutral. 

Technologieklarheit als Schlüssel zu wirksamer Wirtschaftspolitik 

Das Kontext Institut für Klimafragen hat zu genau diesem Thema Ende März 2024 eine Analyse präsentiert: Wie vermeintliche Offenheit in der Realität oft das Gegenteil meint. Das ist häufig der Fall, wenn politische Akteur:innen und Interessenvertretungen von Technologieneutralität oder Technologieoffenheit sprechen.  

Es zeigt sich recht deutlich, dass solche Phrasen sehr oft genutzt werden, um bestehende Konzepte aus dem fossilen Sektor zu erhalten. Wir stehen technologisch an einer Kreuzung in der Wüste. Die Elektromobilität wird für den Verbrenner so disruptiv wie der Verbrenner für die Kutschen. Der Verbrenner im Straßenverkehr kann nur geschützt werden, indem er politisch gestützt wird. Daher wird am Horizont das Trugbild, die Fata Morgana, anderer Optionen gezeichnet. 

Diese Fata Morgana verschwindet, wenn man sie erreicht. Genau das ist offenbar das Ziel jener, die vermeintlich Neutralität versprechen: Technologisch sollte man sich weiter auf dem Pfad einer unausgereiften Technologie bewegen. Denn man könne nicht abschätzen, ob sich diese Technologie noch entwickelt. Jahrzehntelange Erfahrungen in der Technologieentwicklung zeigen aber, dass das nicht stimmt. Man kann anhand von Reifegrad und Marktumfeld recht gut einschätzen, bis wann eine Technologie ungefähr in welchem Stadium welche Skalierung ermöglicht.  

Rechtlicher Rahmen notwendig 

Mittlerweile hängt die langfristige Wettbewerbsfähigkeit Europas daran. Weltweit, aktuell vor allem in den USA und in China, entwickelt man gezielt Technologien für die Klimaneutralität. In der Innovation, aber vor allem auch in der Marktdurchdringung und in der Anwendung. Technologien, die bereits marktreif und breitentauglich sind, brauchen einen rechtlichen Rahmen und Investitionen, um sie auszubauen und zu skalieren. 

Setzt man einen milliardenschweren Apparat für Technologien in Gang, liegt es auf der Hand, dass man damit nicht die Vergangenheit konserviert, sondern eben die Zukunft entwickelt. Das ist kein Staatsdirigismus, sondern die Nutzung etablierter marktwirtschaftlicher Instrumente. Versucht man technologische Nachteile mit Milliardensubventionen auszugleichen, entwickelt man ein Museum der Technikgeschichte, aber keine Volkswirtschaften. Der Markt braucht jetzt Technologieklarheit, die eben nicht durch eine Marktverzerrung mittels selektiver Interessenspolitik erreicht werden kann.  

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