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Digitalisierung & KI

Standpunkte Drei verlorene Jahre für die Digitalisierung

Frederic Ufer, Geschäftsführer des VATM
Frederic Ufer, Geschäftsführer des VATM Foto: VATM

Das Ende der Ampelkoalition besiegelt auch das Ende zahlreicher Gesetzesvorhaben. Für die Digitalisierung Deutschlands und den deutschen Telekommunikationsmarkt bedeutet das einen gravierenden Rückschlag, der Konsequenzen für die eh äußerst ambitionierten Ziele der scheidenden Bundesregierung hat, schreibt Frederic Ufer im Standpunkt.

von Frederic Ufer

veröffentlicht am 27.11.2024

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Mit dem Bruch der Ampel ist der Bundestag zur Wahlkampfbühne geworden. Zahlreiche Gesetzesverfahren werden plötzlich mangels erforderlicher Mehrheiten nicht abgeschlossen. Das heißt: Sie werden mit dem Ende dieser Legislaturperiode ins Nirwana verschwinden und damit erledigt sein. Große netz- und digitalpolitische Vorhaben der Bundesregierung drohen als Kollateralschaden zu enden. Zuvorderst denke ich da an das TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz (TK-NABEG), das NIS-2 Umsetzungsgesetz sowie das Gesetz zur Stärkung der Resilienz kritischer Anlagen (Kritis-Dach).

Die Branche ist ernüchtert, zumal zahlreiche Gesetze dringlichst erwartet wurden, um die Rahmenbedingungen des 5G- und des Glasfaserausbaus zu verbessern. Betrachten wir die Folgen des nun wahrscheinlichen Scheiterns der Initiativen im Parlament, müssen Politiker und Verantwortliche in den Ministerien sowie bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) zwangsläufig reagieren.

Von drei Jahren ambitionierter Gigabitziele der Ampelkoalition und dem Ringen um die besten Bedingungen für den Markt – und damit für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland – ist unterm Strich wenig übrig geblieben.

Ein noch vor wenigen Jahren für Deutschland einmaliges Investitionsklima wurde sehenden Auges von der Politik zerstört, indem man den Ex-Monopolisten Deutsche Telekom mehr als zwei Jahre lang beim strategisch motivierten und allein auf die Abschreckung von Wettbewerb ausgerichteten Überbau alternativer Glasfasernetze hat gewähren lassen. Während uns nahezu ganz Europa bei Digitalisierung und Konnektivität überrundet hat, diskutieren wir noch, wie sinnhaft schnelle Glasfaseranschlüsse sind. Das Jahrhundertprojekt Glasfaserausbau, das Gelder im dreistelligen Milliardenbereich braucht, wurde und wird auf diese Weise konsequent torpediert.

Wo steht der TK-Infrastrukturausbau 2025?

Als die Gigabitstrategie Mitte 2022 und damit die ambitionierten Ziele für den Glasfaserausbau vorgestellt wurden, waren sich Experten und Marktforscher einig: Eine Vollversorgung bis 2030 sei nicht erreichbar. Die VATM-Marktzahlen belegten das schon vergangenes Jahr. Um es klar zu sagen: Dass die Ziele der zerbrochenen Regierung bis 2030 nicht erreicht werden können, ist das Ergebnis falscher Politik und Regulierung.

Das TK-Nabeg, das nach fast zweijähriger Odyssee durch die Untiefen der Regierungskoalition nun endgültig zu scheitern droht, ist nur ein Indiz für eine verfehlte TK-Infrastruktur-Politik. Eigenwirtschaftlicher und geförderter Ausbau sind noch immer nicht miteinander verzahnt, die Telekom hat noch immer eine übergroße Marktmacht, die Regulierung bleibt zu schwach und es fehlt jegliche Planungssicherheit. Diese Punkte hindern uns daran, weiter Glasfaser auszubauen.

Die Ziele für den Mobilfunkausbau sind nicht weniger ambitioniert. Die Vorgaben lauten: bis 2026 unterbrechungsfreie drahtlose Sprach- und Datendienste flächendeckend für alle Endnutzer. Dabei liegt der Fokus auf breitbandiger Versorgung und darauf, die nutzbare Dienstequalität in ländlichen Räumen voranzutreiben. Die BNetzA legt im Kontext einer möglichen Verlängerung der Zuteilung wichtiger Mobilfunkfrequenzen nach und peilt an, die Mobilfunknetzbetreiber ab 2030 dazu zu verpflichten, mindestens 99,5 Prozent der gesamten Landesfläche mit mindestens 50 Mbit/s versorgen zu müssen. Spannend wird es genau bei diesem verbliebenen Prozent, den schwierig zu erschließenden Lagen in Naturschutzgebieten.

Fehlende Planungssicherheit bei NIS-2 und KRITIS-Dachgesetz

Groß waren die Ambitionen in Berlin beim weit gefassten Sicherheitsbereich. Hier hat die Regierung gleich mehrere einschneidende Verfahren angestoßen, auf die ganze Heerscharen von Dienstleistern und Beratern folgten. Die Komplexität des NIS2-Umsetzungs- und Kritis-Dachgesetzes ist hoch, die Unternehmen haben erhebliche Zusatzkosten zu tragen.

Trotz bereits gerissener Fristen aus Brüssel ist nun vieles offen. Hinzu kommen eine wie auch immer geartete Vorratsdatenspeicherung, die wie ein Damoklesschwert über der Branche hängt, und weiter steigende Kosten, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit schwächen.

Die deutsche Politik hat sich in einer angespannten Marktsituation als wenig verlässlicher Partner für die Wirtschaft erwiesen und jetzt droht das Land, mit dem Nicht-Verabschieden dieser wichtigen Gesetzesvorhaben zusätzlich beim Schutz Kritischer Infrastrukturen ins Hintertreffen zu geraten.

Der schwarze Peter liegt klar bei der Politik

Die Branche ist in das Rennen um einen schnellstmöglichen Infrastrukturausbau eingestiegen und arbeitet an der Kapazitäts- und Leistungsgrenze. Ohne beschleunigte Genehmigungsverfahren für neue Mobilfunkstandorte ist das politische „Wünsch-Dir-Was“ obsolet. Das TK-Nabeg in seiner aktuellen Form wäre zwar nicht der notwendige Befreiungsschlag gewesen, hätte aber immerhin einiges verbessert.

Fairerweise muss ich das Erreichte anerkennen. Zahlreiche Einzelmaßnahmen hat das Bundesdigitalministerium angestoßen und umgesetzt, auch auf Landesebene hat sich viel getan. Die großen Hebel bleiben nun vorerst ungenutzt, allen voran das „überragende öffentliche Interesse“ im TK-Nabeg. Das bräuchte es, um digitale Infrastrukturen in den besonders aufwendig zu erschließenden Naturschutzgebieten bauen zu können.

Ein neuer Anlauf kostet nun so viel Zeit, dass jegliche Zielmarken, auch die der BNetzA in den Auflagen für die künftige Frequenzvergabe angedachten, keinen Bestand haben. Wer fordert, muss auch liefern. Eine neue Regierung wird mit einer erheblichen Erblast in die Digitalpolitik starten. Dabei darf sie keinesfalls erneut überehrgeizige Ziele formulieren, sondern direkt in die konkrete Umsetzung gehen.

Frederic Ufer ist seit Mai 2022 Geschäftsführer des Branchenverbandes VATM, in dem sich die wichtigsten Akteure des Telekommunikationsmarktes zusammengeschlossen haben. Zuvor leitete er 15 Jahre den Bereich Recht und Regulierung des Verbands.

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