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Digitalisierung & KI

Standpunkte Eine Lösung für das Puzzle des Digitalen Binnenmarkts

Thomas Boué, Generaldirektor für Politik bei The Software Alliance (BSA)
Thomas Boué, Generaldirektor für Politik bei The Software Alliance (BSA)

Das Puzzle der jüngsten EU-Digitalregeln zusammenzusetzen, ist keine leichte Aufgabe. Thomas Boué setzt sich für umfassende Folgenabschätzungen ein, um mögliche Überschneidungen und Unstimmigkeiten zu beseitigen. Er argumentiert im Standpunkt für ständige Kommunikation mit Stakeholdern.

von Thomas Boué

veröffentlicht am 29.07.2024

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In der weltweiten Digitalwirtschaft ist Europas digitaler Binnenmarkt ein Symbol für Integration und Innovation. Der digitale Binnenmarkt wurde 2015 geschaffen, um Vorschriften zu harmonieren, grenzübergreifenden digitalen Handel zu erleichtern und technologische Fortschritte zu ermutigen. Er stellte damals einen neuen Zugang dar, um digitale Technologien für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Fortschritt zu nutzen.

Von 2019 bis 2024 hat die EU-Kommission große gesetzgeberische Anstrengungen unternommen, um digitale Technologien umfassend zu regulieren und einen funktionierenden digitalen Binnenmarkt aufzubauen. Wir konnten eine Menge Ergebnisse beobachten – die Einführung von wegweisenden Vorhaben wie gestärkten Regeln für die Cybersicherheit, neue globale Standards im AI Act, neue Haftungsregeln und modernisierte Rahmenwerke wie im Digital Services Act und Data Act.

Es braucht mehr Überblick

Während sich die EU aber jetzt gerade für die nächste Amtsperiode bereit macht und diese Regeln sich in Richtung Umsetzung bewegen, ist es zu einer Top-Priorität geworden, dass die Einzelteile zu einem harmonischen Ganzen zusammenkommen.

Das digitale Umfeld wird immer komplexer. Die EU-Institutionen sollten sich deshalb darauf konzentrieren, eine gründliche Folgenabschätzung für die gesamte Gesetzgebung durchzuführen. Diese Analyse sollte sorgfältig bewerten, wie die neueren Gesetze mit bestehenden EU-Vorschriften interagieren, und es müssen die Bereiche ermittelt werden, in denen es Überschneidungen oder Unstimmigkeiten entstehen könnten.

Diese Knoten zu entwirren, ist definitiv keine leichte Aufgabe. So könnten sich beispielsweise die Anforderungen an die Cybersicherheit mit dem AI Act überschneiden, während die DSA-Verpflichtungen zur Moderation von Inhalten mit den Offenlegungsanforderungen des AI Acts in Einklang gebracht werden müssen. Das hört sich zwar alles sehr technisch an, aber diese nicht aufeinander abgestimmten Teile könnten sich auf vielen Ebenen auswirken, von den Mitgliedstaaten bis hin zum Durchschnittsverbraucher. Mit der richtigen Unterstützung können wir jedoch alle diese Änderungen bewältigen und die Gesetze einhalten.

Behörden brauchen Ressourcen

Als Vertreter von Business-to-Business (B2B)-Softwareanbietern aus der ganzen Welt setzen wir uns bei BSA seit langem für einen von der EU initiierten Mechanismus zur Unterstützung solcher Unternehmen ein. Unsere Mitglieder und andere ähnliche Unternehmen aus allen möglichen Branchen bilden das Rückgrat der europäischen Wirtschaft und brauchen maßgeschneiderte Unterstützung, um sich in der Regulierung zurechtzufinden und gleichzeitig weiter innovativ zu sein. Diese Unterstützung sollte Ratschläge zur Compliance enthalten, genauso wie Mechanismen für kontinuierliches Feedback und Anpassungen an veränderte Gesetze.

Ein weiterer problematischer Punkt ist die wirksame Durchsetzung dieser Vorschriften. Europäische und nationale Behörden brauchen angemessene Ressourcen und Kooperationsvereinbarungen, um eine angemessene und wirksame Durchsetzung sicherzustellen. Das wird in Sektoren wie KI oder Datendienstleistungen, in denen eine grenzüberschreitende Umsetzung zentral ist, noch wichtiger.

Das Herzstück sollte dabei sein, Stakeholder konsequent und ununterbrochen mit einzubeziehen. Der AI Act brachte zum Beispiel Expert:innen aus verschiedenen Sektoren zusammen und zeigte so, wie wichtig eine integrative Politikgestaltung ist. Ein Dialog mit Regierungen, Forschung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft stellt sicher, dass Gesetzesvorhaben auf dem richtigen Weg sind, diverse Perspektiven angehen und unvorhergesehene Konsequenzen minimieren. Expert:innengruppen einzusetzen und Stakeholder systematisch zu involvieren sollte tatsächlich bei allen Vorhaben zu Digitalpolitik gang und gäbe sein. Die EU-Institutionen wären so als transparente Organisationen positioniert, die Vertrauen ausstrahlen und von deren Beispiel andere lernen können.

EU hat weiter Vorbildfunktion

Warum? Weil die internationalen Auswirkungen tief greifen. Die proaktive Haltung der EU im Setzen von starken globalen Regulierungsstandards erhöht nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit von europäischen Unternehmen, sondern inspiriert auf der ganzen Welt. BSA hat Büros in Washington D.C., in Brasilien, Japan, Singapur und anderen Orten auf der ganzen Welt. Wir können diese Wirkung aus der ersten Reihe beobachten. Unsere Kolleg:innen und Mitglieder rund um den Globus interessieren sich immer für Entwicklungen in der EU.

Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Der AI Act hat schon mehrere Länder inspiriert, bevor er fertig gestellt wurde. Erinnert sich noch jemand an die DSGVO? Sie hat bei ihrer Einführung Wellen geschlagen und ist bis heute ein weltweites Symbol für den Datenschutz und vielleicht ein Weckruf, den Verbraucher:innen und Unternehmen gebraucht haben.

Trotz bedeutender Fortschritte auf dem Weg zu einem digitalen Binnenmarkt bleiben gesetzgeberische Klarheit und Kohärenz eine Herausforderung. Die kommende Amtsperiode der EU-Kommission bietet einen ausgezeichneten Anlass für eine umfassende Bewertung der bestehenden digitalen Gesetzgebung und das Priorisieren von wirksamer Umsetzung über zusätzliche, potenziell hinderliche Regulierung. Das übergeordnete Ziel der EU sollte sein, das Puzzle richtig zusammenzusetzen, hohe Standards für den Verbraucher:innenschutz zu sichern, das volle Potenzial des digitalen Binnenmarkts auszunutzen und sich weltweit als digitaler Vorreiter zu positionieren.

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