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Standpunkte Hohes Ausbautempo braucht höchste Priorität

Norbert Westfal ist Präsident des Verbands Breko und Sprecher der Geschäftsführung bei EWE Tel (Foto: EWE Tel).
Norbert Westfal ist Präsident des Verbands Breko und Sprecher der Geschäftsführung bei EWE Tel (Foto: EWE Tel). Foto: EWE Tel

Seit Monaten kann sich die Bundesregierung nicht auf das Telekommunikations-Netzausbau-Beschleunigungsgesetz einigen. Breko-Präsident Norbert Westfal schreibt, wieso ein einziges Wort bei der Formulierung über dessen Erfolg oder Misserfolg entscheidet.

von Norbert Westfal

veröffentlicht am 31.01.2024

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Die Bundesregierung hat ambitionierte Ziele für den Glasfaserausbau: Bis 2030 sollen alle Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen in Deutschland die Möglichkeit haben, einen Glasfaseranschluss zu nutzen. Internet, schnell und zukunftssicher. Aktuell liegt die Verfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen, die sogenannte Glasfaserquote, bei 36 Prozent. Trotz positiver Entwicklung und hoher Ausbaudynamik in den letzten beiden Jahren muss die Mehrzahl der Anschlüsse noch gebaut werden. Die Unternehmen stehen bereit, in den nächsten Jahren viele Milliarden Euro zu investieren. Gleichzeitig ist aber auch die Politik gefragt, bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Unternehmen investieren.

Für einen noch schnelleren, einfacheren Ausbau hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Spätsommer 2023 einen Entwurf für ein Telekommunikations-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz (TK-NABEG) zur Überarbeitung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vorgelegt. Das TK-NABEG soll Planungs- und Genehmigungsprozesse beschleunigen, Bürokratie abbauen und dadurch mehr Tempo in den Ausbau von Glasfasernetzen bringen. Daneben soll das Gigabit-Grundbuch als zentrales Daten- und Informationsportal zur digitalen Infrastruktur im TKG verankert werden.

Ist der Netzausbau im überragenden öffentlichen Interesse?

Doch der Teufel steckt wie bei vielen Gesetzesvorhaben im Detail. Im Fall des TK-NABEG dreht sich die Diskussion wenige Tage vor dem geplanten Kabinettsbeschluss insbesondere um die Frage, ob der Ausbau von Telekommunikationsnetzen als Maßnahme nicht nur als im „öffentlichen Interesse“, sondern im „überragenden öffentlichen Interesse“ definiert wird oder nicht. Innerhalb der Bundesregierung, die sich selbst den schnellen Ausbau von Glasfaser- und Mobilfunknetz als Ziel ausgegeben und im Jahr 2022 eine 100 Maßnahmen umfassende Gigabitstrategie als Umsetzungskompass vorgelegt hat, herrscht über diese Frage Streit. Das BMDV ist dafür. Auch die Bundesländer haben sich in einem gemeinsamen Appell bereits Ende vergangenen Jahres für die Aufnahme des überragenden öffentlichen Interesses ins TKG ausgesprochen. Aber: Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz lehnt den Vorschlag ab.

Mit der Einstufung des Telekommunikationsnetzausbaus als Maßnahme im „überragenden öffentlichen Interesse“ würde man dem Glasfaser- und Mobilfunkausbau denselben Stellenwert wie dem Ausbau von Erneuerbaren Energien (§ 2 EEG), Stromnetzen und dem Bau von LNG-Terminals (§ 3 LNGG) einräumen. Die Gleichstellung mit anderen Versorgungsinfrastrukturen wäre auch gerechtfertigt. Digitale Infrastrukturen sind die Lebensadern der Digitalisierung und haben eine überragende Bedeutung für die digitale Teilhabe der Gesellschaft und die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Mehr noch: Die gesetzliche Festschreibung des überragenden öffentlichen Interesses für den Glasfaser- und Mobilfunkausbau wäre kein bloßes Symbol. Sondern ein echter Hebel, um deutlich mehr Geschwindigkeit in die oft langwierigen und bürokratischen Genehmigungsverfahren zu bringen. Aktuell dauern Genehmigungsverfahren nicht selten mehr als ein Jahr, weil unterschiedliche behördliche Zustimmungen notwendig sind zum Beispiel aus dem Naturschutz-, Wasser- oder Denkmalschutzrecht.

Höchste Priorität für den Gigabit- und Mobilfunkausbau

In den kommunalen Verwaltungsbehörden bekäme der Glasfaser- und Mobilfunkausbau, anders als bei der bloßen Einstufung im öffentlichen Interesse, höchste Priorität, da bei Maßnahmen im überragenden öffentlichen Interesse bestehende Spielräume bei Abwägungs- und Ermessenentscheidungen eingeschränkt werden. Entscheidungsprozesse würden also deutlich beschleunigt, da bei der Abwägung unterschiedlicher Belange nur noch das Vorliegen eines Ausnahmefalls zu prüfen wäre, der dem Vorrang des Glasfaser- und Mobilfunkausbaus ausnahmsweise entgegenstehen kann.

Dass ausgerechnet das von den Grünen geführte Bundesumweltministerium die Einstufung des überragenden öffentlichen Interesses für den Glasfaser- und Mobilfunkausbau ablehnt, ist nicht nachvollziehbar. Umso mehr vor dem Hintergrund, dass ebendieses Ministerium erst vor wenigen Monaten den Entwurf für eine Überarbeitung des Fernstraßenausbaugesetzes, in dem der Bau neuer Bundesfernstraßen als im überragenden öffentlichen Interesse liegend festgeschrieben wurde, durchgewunken hat. Es scheint so, als sei dem Bundesumweltministerium der Bau neuer Autobahnen wichtiger als der Bau zukunftssicherer und nachhaltiger Datenautobahnen. Zum Verständnis: Die digitale Infrastruktur ist nicht mehr nur Grundlage für digitale Anwendungen, die für mehr Nachhaltigkeit in den unterschiedlichsten Bereichen sorgen. Sie leistet auch selbst einen wesentlichen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und zum Erreichen der Klimaschutzziele. Im Vergleich zu antiquierten Kupferkabeln benötigen Glasfasernetze nur ein Drittel der Energie.

Ampel-Koalition muss dafür sorgen, ihre Ziele zu erreichen

Damit würde die Qualifizierung auch auf Artikel 20a Grundgesetz einzahlen, der den Staat zum Klimaschutz verpflichtet und auf die Herstellung von Klimaneutralität abzielt. Darüber hinaus möchte ich an dieser Stelle mit dem Scheinargument aufräumen, dass ein „Ja“ zum überragenden öffentlichen Interesse für den Glasfaser- und Mobilfunkausbau zu einer Einschränkung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien führen würde oder in Konkurrenz zu diesem tritt. Das Gegenteil ist der Fall: Die Energienetze der Zukunft sind auf eine flächendeckend verfügbare und leistungsfähige digitale Infrastruktur angewiesen. Ein „Entweder-oder“ wird es in der Praxis nicht geben. Überall dort, wo ein synergetischer Ausbau von Energie- und Glasfasernetzen möglich ist, wird dieser aus Kostengründen schon heute durchgeführt.

Ein klares „Ja“ zum überragenden öffentlichen Interesse würde unterstreichen, dass der von Bundesregierung und Bundesländern vereinbarte „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ nicht nur eine PR-Show war, sondern auch mit konkreten Maßnahmen umgesetzt wird.

Um die selbst gesteckten ambitionierten Ausbauziele zu erreichen, muss die Ampel-Regierung jetzt dafür sorgen, dass das TK-NABEG nicht schon vor der Beteiligung von Bundesrat und Bundestag zum Papiertiger wird. Wer hohes Ausbautempo will, muss dem auch höchste Priorität zugestehen. Daher wäre alles andere als ein klares Bekenntnis, dass der Ausbau von Glasfaser- und Mobilfunknetzen im überragenden öffentlichen Interesse ist, eine Niederlage der selbsternannten Fortschritts-Koalition.

Norbert Westfal ist Sprecher der Geschäftsführung beim Telekommunikationsunternehmen EWE Tel und seit 2014 Präsident des Bundesverbands Breitbandkommunikation (Breko).

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