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Energie & Klima

Standpunkte Land in Sicht für die Windenergie?

Paul Lehmann, Juniorprofessor für Umwelt- und Energieökonomik an der Uni Leipzig
Paul Lehmann, Juniorprofessor für Umwelt- und Energieökonomik an der Uni Leipzig Foto: UFZ

Gegenwärtig wird heiß diskutiert, ob die im EEG 2021 festgelegten Ausbauziele für die Windenergie ausreichen, um die Klimaschutzziele zu erfüllen. Es stellt sich aber auch die Frage, ob die bereits festgesetzten Ziele überhaupt erreicht werden können. Diesbezüglich ist die Wirksamkeit der EEG-Reform vermutlich begrenzt, argumentieren die Umweltökonomen Paul Lehmann, Jan-Niklas Meier und Jasper Meya in ihrem Standpunkt.

von Paul Lehmann

veröffentlicht am 02.10.2020

aktualisiert am 05.10.2020

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Das Bundeskabinett hat am 23. September einen Entwurf zur Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vorgelegt. Erklärtes Ziel ist es, die installierte Leistung der Windenergie an Land von momentan 54 Gigawatt (GW) auf 71 GW bis zum Jahr 2030 zu erhöhen. Allerdings ist zu fragen, ob das novellierte EEG ausreicht, um diese Ziele zu erreichen. Schließlich wurden schon die bisherigen Ausbauziele zuletzt verfehlt: In den vergangenen beiden Jahren ist der Ausbau der Windenergie an Land massiv eingebrochen. Auch standen den 2019 ausgeschriebenen Zubaumengen nur halb so viele Gebote gegenüber. Ob die Ausbaulücke nun geschlossen werden kann, hängt daher davon ab, wie sich die EEG-Reform auf die Profitabilität von Neuanlagen sowie die Flächenverfügbarkeit für die Windenergie auswirkt.

Profitabilität der Windenergie an Land könnte sogar sinken

Mit dem EEG 2021 soll die Profitabilität von Windrädern an weniger windstarken Standorten insbesondere im Süden Deutschlands verbessert werden. Dazu werden die Ausschreibungen um eine Südquote ergänzt, die zunächst 15 Prozent der ausgeschriebenen Leistung für Südstandorte reserviert. Zudem erhalten Anlagen an weniger windstarken Standorten nun bereits eine erhöhte Vergütung, wenn sie mindestens 60 Prozent (bisher: 70 Prozent) des Ertrags einer Referenzanlage erzielen.

Konterkariert werden diese Maßnahmen jedoch durch die geplante Kürzung der Vergütung für Windstrom bei negativen Strompreisen. Zukünftig erhalten Neuanlagen keine Förderung mehr, wenn der Strompreis am Spotmarkt länger als eine Stunde negativ ist (bisher: ab sechs aufeinanderfolgenden Stunden).

Der Nettoeffekt der EEG-Reform auf die Profitabilität bleibt damit unklar. Und selbst wenn sich die Profitabilität zumindest für manche Standorte verbessert, bleibt offen, ob dies dort auch zu mehr Anlagenzubau führt. Entscheidend ist schließlich, ob überhaupt die notwendigen Flächen und Genehmigungen für neue Anlagen vorliegen. Insbesondere daran mangelte es zuletzt.

Beteiligung der Kommunen könnte Flächenverfügbarkeit erhöhen

Die wichtigste Maßnahme im EEG 2021 zur Verbesserung der Flächenverfügbarkeit ist die von vielen Seiten geforderte finanzielle Beteiligung der Kommunen. Zukünftig können Windenergieanlagenbetreiber den betroffenen Kommunen eine finanzielle Zuwendung von insgesamt bis zu 0,2 Cent pro Kilowattstunde des eingespeisten Stromes anbieten. Je nach Größe der Anlage und Windverhältnissen entspricht das einer jährlichen Zahlung von bis zu 20.000 Euro pro Anlage.

Diese Regelung ist ein Fortschritt: Bislang waren vor Ort primär die externen Kosten der Windenergie, wie Auswirkungen auf das Landschaftsbild oder Lärmemissionen, zu spüren. Durch die Beteiligung am Ertrag wird nun das Interesse der Gemeinden an der Errichtung von Windrädern erhöht. Die Zahlung an Kommunen ist dabei umso größer, je windreicher der Standort ist. Das ist auch im Sinne einer gesamtwirtschaftlich effizienten Standortbereitstellung für neue Windenergieanlagen.

Jedoch wirkt die finanzielle Beteiligung der Gemeinden nur mittelbar auf die Flächenverfügbarkeit. Bei der Entscheidung über die Genehmigung neuer Windräder sind Gemeinden an die Vorgaben der übergeordneten politischen Ebenen gebunden – etwa einzuhaltende Mindestabstände, ausgewiesene Vorranggebiete für Windenergie oder arten- und immissionsschutzrechtliche Auflagen. Wirkung kann die finanzielle Beteiligung daher nur dann entfalten, wenn Gemeinden ihrem Interesse an neuen Windenergieanlagen auch auf Ebene der Regionalplanung und der Landespolitik Gehör verschaffen können.

Darüber hinaus führt das EEG 2021 ein kontinuierliches Monitoring und einen Bund-Länder Kooperationsausschuss ein. Vorgesehen ist, dass die Bundesländer jährlich berichten, wie viele Flächen für neue Windenergieanlagen zur Verfügung stehen und wie diese gegebenenfalls erhöht werden können. Wird das deutschlandweite Zwischenziel für den Windausbau verfehlt, so berichtet die Bundesregierung über Ursachen, differenziert nach energie-, planungs- und genehmigungsrechtlichen Gründen. Damit wird ein weicher Koordinationsmechanismus geschaffen, der sicherstellen soll, dass Bundesländer auch ihre Beiträge zur Flächenbereitstellung leisten. Ein verbindlicheres Instrument der Bund-Länder-Koordination wäre wünschenswert, aber vermutlich nur schwer durchsetzbar.

Flächenverfügbarkeit: schnelle Regelungen außerhalb des EEG nötig

Entscheidender für die Flächenverfügbarkeit wird sein, was außerhalb des EEG passiert. Viel hängt davon ab, wie restriktiv die Länder nun die Bundesregelung zu Mindestabständen zwischen Windrädern und Wohnbebauung umsetzen. Ziehen sie die Option, einen Mindestabstand von bis zu 1000 Metern einzuführen? Und wenn ja, zu welcher Art von Wohnbebauung soll dieser genau eingehalten werden?

Auf Bundesebene sollten Maßnahmen vorangebracht werden, welche die Flächenkulisse für Windenergieanlagen konfliktfrei vergrößern – etwa durch eine kritische Prüfung des geltenden Anlagenschutzbereichs im Umkreis von Drehfunkfeuern für die Flugsicherung. Wichtig ist auch, dass die Umweltministerkonferenz Verbesserungen im Artenschutzrecht entwickelt. Klarere Definitionen (etwa wann genau das Tötungsrisiko für geschützte Arten signifikant erhöht ist) und Standardisierung (etwa für naturschutzfachliche Prüfungsverfahren) könnten helfen, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und rechtssicherer zu machen.

Die Notwendigkeit dieser komplementären Maßnahmen ist allgemein bekannt und wird auch im Aktionsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums zur Stärkung der Windenergie an Land beschrieben. Um die im EEG 2021 vorgesehen Ausbaupfade zu erreichen, müssen diese Entscheidungen jetzt aber schnell getroffen werden. Schließlich wirken Reformen nur sehr zeitverzögert. Gegenwärtig vergehen durchschnittlich fünf bis sechs Jahre von Planung bis zur Inbetriebnahme einer Windenergieanlage.

Auch Umweltministerium und Länder entscheiden über Erfolg des EEG

Der Erfolg des EEG 2021 hängt also nicht nur von den beschlossenen Ausbauzielen ab, sondern auch von den Maßnahmen zu deren Erreichung. Ohne weitere Maßnahmen zur Verbesserung von Flächenverfügbarkeit und Profitabilität droht die Lücke zwischen Ambitionen und tatsächlichen Ausbaufortschritt noch größer zu werden, als sie ohnehin schon ist. Dieses Problem würde im Übrigen auch durch eine nun immer öfter geforderte Weiterförderung von Bestandsanlagen nicht kleiner, sondern nur zeitlich verschoben.

Geprüft werden sollte daher beispielsweise noch mal, wie zielführend die nun verschärfte Förderkürzung für Windstrom bei negativen Strompreisen tatsächlich ist. In jedem Fall bleibt nach der EEG-Reform die Flächenverfügbarkeit der Flaschenhals für den Windausbau an Land. Entscheidend ist daher, dass nun komplementär zum EEG weitere Reformen des Planungs- und Genehmigungsrechts zügig verabschiedet werden. Das Heft des Handels liegt dabei nicht alleine beim Bundeswirtschaftsministerium, sondern auch beim Bundesumweltministerium sowie den Ländern.

Dr. Paul Lehmann ist Juniorprofessor für Umwelt- und Energieökonomik an der Universität Leipzig und leitet dort in Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ die Arbeitsgruppe zum „Nachhaltigen Ausbau erneuerbarer Energien mit multiplen Umweltwirkungen (MultiplEE)“. Jan-Niklas Meier ist Volkswirt und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der MultiplEE-Gruppe. Dr. Jasper Meya ist Volkswirt am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Leipzig-Jena und der Universität Leipzig.

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