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Energie & Klima

Standpunkte Ohne gute Beteiligung und Umweltprüfungen gelingt die Energiewende nicht

Rebekka Blessenohl und Brick Medak, NABU
Rebekka Blessenohl und Brick Medak, NABU Foto: NABU

Im Zuge der Planungsbeschleunigung der Energiewende sind Beteiligungsschritte und Naturschutzvorgaben beim Ausbau der Erneuerbaren zunehmend ins Visier geraten. Dieser einseitige Fokus der Bundesregierung ist ein großer Fehler, kritisieren Rebekka Blessenohl und Brick Medak vom Naturschutzbund Deutschland (NABU).

von Rebekka Blessenohl und Brick Medak

veröffentlicht am 20.08.2024

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Spätestens seit dem Deutschland-Pakt-Vorschlag der Bundesregierung ist klar, dass für die Ampel und gerade Bundeskanzler Olaf Scholz Planungsbeschleunigung eine große Priorität hat. Schnellere und unbürokratischere Genehmigungsverfahren für klimafreundliche Vorhaben begrüßt der NABU sehr. Schließlich wird mit Verfahrensdauern von acht Jahren kaum das Ruder bei der Klimakrise herumgerissen. Leider beobachten wir, dass im Zuge der Planungsbeschleunigung Naturschutz und Beteiligung als Sündenböcke für die langsamen Verfahren dargestellt und zunehmend beschnitten werden. Statt zentrale Hemmnisse anzugehen, droht so ein erheblicher Schaden für die Natur und den gesellschaftlichen Rückhalt beim Klimaschutz.

Angefangen mit dem Osterpaket, haben sich seitdem zahlreiche Gesetze(sänderungen) aneinandergereiht – wie beispielsweise das LNG-Beschleunigungsgesetz – deren Kernelement die Abschaffung von Umweltprüfungen,aber auch Beteiligungsschritten ist. Gleiches gilt auch für die laufende Umsetzung der neuen Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der EU (REDIII) in deutsches Recht, welche für Windenergie auf See bereits im Bundestag beraten wurde. Für Windenergie an Land und Solar wurde der Gesetzesentwurf Ende Juli im Bundeskabinett beschlossen.

Fatales Zeichen

In der Debatte rund um die Abschaffung von Umweltprüfungen entsteht zunehmend der Eindruck, dass die Empörung über die EU- und bundespolitischen Entwicklungen ausschließlich von den Naturschutzverbänden ausginge. Dabei wird gerne vergessen, dass Umweltprüfungen auch Beteiligungsmöglichkeiten eröffnen. So fallen wichtige Verfahrensschritte, wie etwa die Einsicht in die Genehmigungsunterlagen, zukünftig häufig weg. Ein fatales Zeichen in Zeiten, in denen – wie die Bertelsmann Stiftung 2023 ermittelte – mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit einer stärkeren sozialen Spaltung durch die Energiewende rechnet. Darüber hinaus ignorieren solche Maßnahmen zahlreiche wissenschaftlichen Erkenntnisse, die zeigen, dass Beteiligungsprozesse einer der entscheidenden Schritte zu mehr Rückhalt für die Energiewende sind.

Die Befürwortung des Ausbaus der erneuerbaren Energien ist nicht nur ein „nice-to-have“, sondern essenziell, um bei der Energiewende voranzukommen. Schließlich droht bei Widerstand vor Ort neben möglichen Klagen das komplette Aus für den Bau eines Wind- oder Solarparks, wenn die benötigten Flächen durch die entsprechenden Eigentümer:innen nicht zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich bringen Menschen vor Ort im Zuge von Beteiligungsverfahren ihr Wissen zu lokalen Gegebenheiten ein und weisen auf mögliche Lücken in der Planung hin.

Überzeugender Klimaschutz braucht Zielbilder

Die Tragweite einer bröckelnden Unterstützung für die Energiewende geht über die Verhinderung einzelner Projekte hinaus. Der Energiesektor ist von allen Sektoren am weitesten in Richtung Klimaneutralität vorangeschritten und bildet so das Zugpferd für weitere Klimaschutzmaßnahmen in anderen Sektoren. Wie stark die Fliehkräfte bei Ablehnung einer Maßnahme auf alle anderen Bereiche sein können, hat am eindrucksvollsten die Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz gezeigt. Das „Schreckgespenst Heizungsgesetz“ wird auch nach einem Jahr immer noch genannt, um Klimaschutzmaßnahmen wegen einer möglichen „Überforderung der Bevölkerung“ politisch zu beerdigen.

Die Antwort auf berechtigte Ängste kann nicht sein, jegliche Möglichkeiten zur Beteiligung einzuschränken. Stattdessen braucht es mehr Kommunikation. Wichtig: Qualität schlägt Quantität. Es braucht ein überzeugendes Warum und Wie.

Um zurück zur Energiewende zu kommen: Wir brauchen einen verständlichen Fahrplan, wo es mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien hingeht. Besonders von Interesse sind die Flächen vor Ort, auf denen die Anlagen errichtet werden. Auf welchem Anteil der Landesfläche werden bis 2040 wie viele Anlagen von welcher Art der Energieerzeugung stehen? Auf diese und andere Fragen hätte man eine Antwort, würde das in der RED III vorgegebene „Mapping“ umfassend umgesetzt werden.

Beteiligung als Mittel zur Versachlichung der Debatten verstehen

Für eine gelingende und überzeugende Kommunikation ist auch entscheidend, wer die Informationen vermittelt. Studien haben gezeigt, dass es Vertrauensakteure vor Ort braucht, um den Sinn von Klimaschutzmaßnahmen zu vermitteln. Gerade bei der Energiewende bieten sich dafür unter anderem Umweltverbandsvertreter:innen an, werden sie laut FA Wind doch als eine der glaubwürdigsten Quellen für Informationen beim Thema wahrgenommen. Um solche Mediator:innen der Energiewende vor Ort überhaupt identifizieren und Sorgen der Bevölkerung wahrnehmen zu können, braucht es umfassende und frühzeitige Beteiligungsverfahren.

Statt Beteiligung als zeitraubendes und unnötiges Beiwerk zu betrachten, sollte der Gesetzgeber deshalb mehr Vertrauen in die Bürger:innen haben, dass diese ihre Möglichkeiten zur Mitsprache sinnvoll und konstruktiv nutzen. Natürlich gibt es einzelne schwarze Schafe, die im Rahmen von Beteiligungsverfahren eine Blockade der Vorhaben erreichen wollen. Aber gerade diesen Menschen spielt es in die Hände, wenn keine sachliche Diskussion geführt werden kann und erleichtert, dass sie mit falschen Fakten Ängste schüren. Ein frühzeitiger Austausch zur Planung kann eine große Bereicherung für beide Seiten sein, wie beispielweise das Dialogforum des NABU und des BUND Baden-Württembergs eindrucksvoll zeigt.

Mit falschen Feindbildern aufräumen

Die beiden „Feindbilder“ der Planungsbeschleunigung, Artenschutzvorgaben und Beteiligung, haben eins gemeinsam: Sie tragen diesen Titel zu Unrecht. Ohne Frage gibt es bei beiden Bereichen noch Optimierungspotenzial, um Prozesse effizienter zu gestalten. Der Bogen wurde staatlicherseits in den letzten Jahren aber überspannt und in vielen kleinteiligen Gesetzesänderungen wurden einseitig Abstriche eingefordert. Das eindrücklichste Beispiel ist die Abschaffung der Umweltverträglichkeitsprüfung im Zuge der EU-Notfallverordnung. Und das, obwohl ein Nachweis für die beschleunigende Wirkung dieser radikalen Einschnitte bisher nicht erbracht wurde.

So liegen im Bereich Windenergie trotz ansteigender Genehmigungszahlen die Ausbauzahlen diesen Jahres bisher hinter denen des letzten zurück. Was bringt eine Genehmigung im Turbo, wenn Engpässe beim Transport des Materials einem anschließend einen Strich durch die Rechnung machen? Es wäre schön, wenn sich wieder darauf besonnen wird, was das eigentliche Ziel der Planungsbeschleunigung sein sollte: die beschleunigte Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, die Naturschutz und gesellschaftlichen Rückhalt als wichtigste Faktoren für ein erfolgreiches Gelingen umfassend berücksichtigen.

Rebekka Blessenohl ist Referentin für Erneuerbare Energien und Naturschutz beim NABU.

Brick Medak leitet das Team Energiepolitik und Klimaschutz beim NABU.

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