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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Umwelt, Klima und Wirtschaft zusammendenken

Andreas Rade, Geschäftsführer Politik und Gesellschaft beim Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA)
Andreas Rade, Geschäftsführer Politik und Gesellschaft beim Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) Foto: VDA

Die deutsche Autoindustrie gilt als Vorreiter in der Kreislaufwirtschaft. Die Diskussionen um eine nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie und die Überarbeitung der Altfahrzeug-Richtlinie auf europäischer Ebene bieten nun Chancen zur Weiterentwicklung der bisherigen politischen Ansätze.

von Andreas Rade

veröffentlicht am 29.07.2024

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Fahrzeuge sind wertvolle Gebrauchsgegenstände, die oft über 20 Jahre genutzt und mehrfach weiterverkauft werden. Verbraucherinnen und Verbraucher stellen daher hohe Anforderungen: exzellente Produktqualität, lange Lebensdauer und eine umfassende Reparaturfähigkeit über die gesamte Nutzungsdauer. Ein Auto ohne Garantie, ohne Perspektive auf Reparatur und Ersatzteilversorgung sowie ohne Werkstattnetz ist kaum vorstellbar.

Das Prinzip „Design for Recycling“ ist fest in den Entwicklungsprozessen der Automobilindustrie verankert. Für die Zulassung eines Fahrzeugs muss der Hersteller nachweisen, dass 85 Prozent des Fahrzeugs recycelbar sind. Ohne diesen Nachweis erhält ein Fahrzeugmodell keine Typzulassung und darf nicht in Verkehr gebracht werden.

Die deutsche Automobilindustrie geht sogar über das „Design for Recycling“ hinaus und verfolgt einen „Design-for-Sustainability“-Ansatz. Dieser berücksichtigt die gesamte Wertschöpfungskette und ihre Umweltauswirkungen, einschließlich des CO2-Fußabdrucks. Von der Rohstoffgewinnung über Produktion, Reparatur, Wiederverwendung und Wiederaufarbeitung bis hin zum Recycling. Dieser ganzheitliche Ansatz deckt die Anforderungen der Kreislaufwirtschaft besser ab als der reine Recyclingansatz.

Wirkungsvolle Regulatorik ist entscheidend

Um die Potenziale der Kreislaufwirtschaft zu nutzen und damit die deutsche Automobilbranche weiterhin in der internationalen Spitzenposition bleiben kann, sind jetzt zwei Dinge entscheidend: ein geeigneter regulatorischer Rahmen und die Digitalisierung der Prozesse.

Beginnen wir mit der Regulatorik: Ein wichtiger Schritt wäre eine überarbeitete Circular-Car-Verordnung. Sie sollte allgemeinere, durchaus sogar ambitionierte Zielvorgaben definieren und den Unternehmen ausreichend Raum eröffnen, selbsttragende Geschäftsmodelle zur Erreichung dieser Ziele zu entwickeln.

Dabei gilt: Bestimmte Vorschriften – beispielsweise die genaue Festlegung der Nutzung von recycelten Materialien oder strenge Auflagen zur Trennung von Komponenten ohne klaren Umwelt- oder wirtschaftlichen Nutzen – bremsen die Entwicklung einer effizienten Kreislaufwirtschaft. Vielmehr müssen Vorschriften zur Verwendung von recycelten Kunststoffen technisch umsetzbar und wirtschaftlich sinnvoll sein. Hieran zeigt sich, ob wir Umwelt und Wirtschaft erfolgreich zusammendenken können.

Circular-Car-Verordnung fehlt Incentivierung

Der Gesetzgeber sollte im Übrigen auch chemisches Recycling anerkennen und damit den Handlungsspielraum der Unternehmen erweitern. Zwar ist der große Durchbruch beim chemischen Recycling bisher noch nicht geglückt, aber mit dieser Variante könnten mehrere Schichten unterschiedlicher Kunststoffe voneinander getrennt oder diese wieder in einzelne Moleküle zerlegt werden. So könnte aus Kunststoffen, die heute verbrannt werden müssen, wieder neuer Kunststoff hergestellt werden. Forschung und Entwicklung können hier entscheidende Fortschritte bieten.

Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, muss der regulative Rahmen Anreize setzen und Wettbewerb zwischen Unternehmen fördern. Und hier kommen wir zum aktuellen Hauptproblem: Dieser Gedanke der Incentivierung fehlt bedauerlicherweise sowohl der aktuellen wie auch der diskutierten Circular-Car-Verordnung. Indem Politik ausschließlich auf das Instrument der Quoten setzt, wird dem Thema Kreislaufwirtschaft der Wettbewerb genommen.

Was benötigt wird, ist ein System ähnlich der CO2-Bepreisung. Je nach Ausgestaltung eines solchen Systems, hätten Unternehmen einen unmittelbaren Anreiz, eine lange Produktlebensdauer sicherzustellen, Kreisläufe weiter zu schließen und größere Mengen Sekundärmaterialien einzusetzen. Sie eröffnet aber auch einen ausreichend großen unternehmerischen Handlungsrahmen. Die Förderung von gebrauchten und wiederaufbereiteten Komponenten und Teilen durch eine Reduktion der Mehrwertsteuer, wie sie im aktuellen Entwurf vorgeschlagen wird, kann zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung sein.

Digitale Tools fördern den nächsten Schritt

Kommen wir zum zweiten entscheidenden Punkt: der Digitalisierung der Prozesse. Digitalisierung ist ein wichtiger Treiber der automobilen Kreislaufwirtschaft. Mit Catena-X haben Automobilhersteller, Zulieferer und Partner aus der IT- und Verwertungsbranche eine Plattform ins Leben gerufen. Diese Plattform soll die Zusammenarbeit entlang der gesamten automobilen Wertschöpfungskette verbessern – angefangen bei der Gewinnung der Rohstoffe bis hin zum Recycling der Fahrzeuge.

Die Plattform basiert auf digitalen Marktplätzen, die in Zukunft unter anderem wiederaufbereitete Gebrauchtteile oder sekundäre Materialien handeln werden. Ein wichtiger Bestandteil dieser Plattform ist der sogenannte „digitale Produktzwilling“. Dieser digitale Zwilling ermöglicht es, Produkte digital abzubilden und sämtliche relevanten Informationen über ein Produkt während seines gesamten Lebenszyklus zu verfolgen.

Damit soll eine bessere Transparenz und Effizienz entlang der Wertschöpfungskette erreicht werden. Eine der ersten konkreten Produktpässe wird aktuell im Rahmen des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projektes „Batteriepass“ zusammen mit Vertretern der Automobilindustrie entwickelt.

Zusammenarbeit ist Erfolgsfaktor

Zudem können Schnittstellen zwischen Akteuren der Wirtschaft und Behörden digitalisiert und damit die Basis für mehr Transparenz in der automobilen Kreislaufwirtschaft geschaffen werden. Daher unterstützet die Automobilindustrie die Digitalisierung des Verwertungsnachweises.

Aktuell wird er bei der Entsorgung eines Altfahrzeuges von Verwertungsbetrieben ausgestellt und soll von den Letzthaltern bei der Fahrzeugabmeldung durch die Zulassungsbehörde vorgelegt werden. Zumindest ist das in der Theorie vorgesehen. In der Praxis ist dieses analoge System hingegen mehr als fehleranfällig. Die Digitalisierung des Verwertungsnachweises stärkt legale, umweltzertifizierte Betriebe und fördert die Transparenz über den Verbleib von Fahrzeugen. Digitalisierung und Automatisierung können gleichzeitig auch die Prozesse der Demontage und Verwertung verändern – weg von kleinteiliger Handarbeit hin zu entsprechenden Verwertungsfabriken.

Die automobile Kreislaufwirtschaft muss nicht erst erfunden werden, sie ist bereits in vollem Gange. Dennoch gibt es viel zu tun – sowohl für den Gesetzgeber als auch für die Industrie. Die Zusammenarbeit zwischen den Branchen ist dabei ein zentraler Hebel. Sie kann automatisierte und standardisierte Prozesse sowie die Demontage vorantreiben oder die Recycelfähigkeit von Neufahrzeugen und die dafür einzusetzenden Materialien weiter verbessern. Die Automobilindustrie ist hoch motiviert, diesen Weg zu gehen.

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