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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Wirtschaftlicher Imperativ für Deutschland und Europa

Dirk Voeste, Chief Sustainability Officer der Volkswagen Group
Dirk Voeste, Chief Sustainability Officer der Volkswagen Group Foto: promo

Kreislaufwirtschaft bietet eine enorme Chance, nicht nur als Motor für wirtschaftliches Wachstum zu dienen. Sie reduziert auch unseren ökologischen Fußabdruck. Eine repräsentative Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Deutschen bei der Autoindustrie eine besondere Verantwortung sieht.

von Dirk Voeste

veröffentlicht am 04.09.2024

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Europa, insbesondere Deutschland, ist mit Herausforderungen konfrontiert, die es in dieser Form lange nicht gegeben hat. Rohstoffknappheit und geopolitische Spannungen sind Gift für den ehemaligen Exportweltmeister, Bürokratie und Abwanderung von Spitzenwissenschaftlern ersticken den Erfindergeist. Dringend benötigte Investitionen werden aufgeschoben oder fallen der Rezession zum Opfer. Was bleibt, sind zwei Perspektiven: Resignation oder Aufbruch. Die Medien, auch Social Media, bedienen in ihrer Berichterstattung derzeit vor allem das düstere Bild.

Doch ein Signal zum Aufbruch könnte näher liegen, als viele denken: Kreislaufwirtschaft bietet eine enorme Chance, nicht nur als Motor für wirtschaftliches Wachstum zu dienen, sondern auch, unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Deutschland hat aus der Historie heraus hier einen starken Stand – wegweisende Ideen, Technologie-Entwicklungen, die in der Welt große Beachtung gefunden haben und noch immer finden. Nicht selten sind diese aus der Not oder mangels vorhandener Ressourcen entstanden.

Es geht nicht um einen neuen Hype

Natürlich ist Kreislaufwirtschaft keine neue Erfindung, kein Begriff, mit dem die Influencer auf Social Media einen Hype auslösen. Aber darum geht es auch gar nicht. Innovationen, die durch die Etablierung und Optimierung von Kreislaufwirtschaft entstehen, können ein Schlüssel für ein neues, nachhaltiges Wachstum in Europa und in Deutschland sein.

Dabei ist Kreislaufwirtschaft viel mehr als Recycling. Es geht darum, so wenig neue Rohstoffe wie möglich zu nutzen und sie so lange wie möglich im Kreislauf zu halten. Erst danach zu recyclen oder, wenn es nicht anders geht, thermisch zu verwerten.

Deutschland ist als eine der führenden Industrienationen auf Rohstoffe aus globalen Lieferketten angewiesen. Aufgrund der geopolitischen Entwicklungen müssen wir unsere Abhängigkeit von knappen Rohstoffen und unsicheren globalen Lieferketten deutlich reduzieren. Die Kreislaufwirtschaft bietet hier eine Lösung, indem sie den gesamten Lebenszyklus von Produkten neu denkt. Dies reduziert nicht nur die Kosten, sondern minimiert auch die Risiken, die durch globale Handelskonflikte und Versorgungsengpässe entstehen.

Kreislaufwirtschaft schafft Innovation

Darüber hinaus schafft Kreislaufwirtschaft große Innovationspotenziale. Unternehmen, die in Recyclingtechnologien und nachhaltiges Produktdesign investieren, können sich auch international als Vorreiter positionieren. Das stärkt die technologische Führungsposition Deutschlands und eröffnet gleichzeitig neue Märkte.

Nicht zuletzt sollten wir den gesellschaftlichen Wandel nicht unterschätzen: Die Nachfrage der Verbraucher nach nachhaltigen Produkten nimmt stetig zu. Unternehmen, die diesen Trend erkennen, können das Vertrauen und die Loyalität ihrer Kunden gewinnen.

Eine aktuelle repräsentative Umfrage im Auftrag der Volkswagen Group zeigt, dass die Mehrheit der Verbraucher die Kreislaufwirtschaft als einen entscheidenden Faktor für nachhaltiges Wirtschaften ansieht. Das dürfen wir nicht ignorieren und vor allem nicht verschlafen.

Auch Automobilindustrie muss Vorreiter sein

Die Umfrage-Ergebnisse zeigen: Die Förderung der Kreislaufwirtschaft wird von den Verbrauchern nicht nur als Weg zur Reduzierung von Umweltbelastungen (46 Prozent), sondern auch zur Sicherung langfristiger Nachhaltigkeit (38 Prozent) und zur Steigerung der Ressourceneffizienz (35 Prozent) gesehen. Hinzu kommt, dass Kreislaufwirtschaft die Unabhängigkeit Europas (31 Prozent) und die Wettbewerbsfähigkeit (23 Prozent) stärkt.

Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit gehen Hand in Hand. Damit ist Kreislaufwirtschaft nicht mehr nur ein ökologisches Konzept – sie wird zum wirtschaftlichen Imperativ für Deutschland und Europa.

Insbesondere die deutschen Schlüsselindustrien sind gefragt. 62 Prozent der Deutschen sehen laut Umfrage bei der Autoindustrie eine besondere Verantwortung, nachhaltige Produkte anzubieten. 59 Prozent der Befragten glauben, dass Automobilhersteller, die schon heute auf Nachhaltigkeit setzen, in Zukunft erfolgreicher sein werden.

Um hier tatsächlich voranzugehen und voranzukommen müssen wir ganzheitlich denken, die gesamte Wertschöpfungs- und Lieferkette in den Blick nehmen. Dieser Ansatz ist alternativlos, wenn wir auf dem oben beschriebenen Weg erfolgreich wachsen sollen.

Klare regulatorische Vorgaben sind nötig

Deswegen setzt die Volkswagen Group mit der Nachhaltigkeitsstrategie „regenerate+“ auch auf Lösungen der Kreislaufwirtschaft. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Dekarbonisierung. Der verstärkte Einsatz von Sekundärmaterialien und geschlossenen Stoffkreisläufen reduziert die CO2-Emissionen und den ökologischen Fußabdruck deutlich.

Ein Beispiel: Bei der Fahrzeugproduktion geht es darum, verstärkt auf kreislauffähige Materialien zu setzen. Wertvolle Rohstoffe aus Altfahrzeugen werden demontiert und wiederverwendet, beispielsweise seltene Edelmetalle aus Katalysatoren. Wenn wir in Richtung Elektromobilität schauen, steht Recycling bei der Entwicklung von Batterien schon jetzt im Fokus.

Kreislaufwirtschaft ist aber nicht nur bei den Produkten ein Faktor. Es fängt schon in der Produktion an. So zielt beispielsweise unsere Initiative „Zero Impact Factory“ darauf ab, Produktionsanlagen umweltneutral zu betreiben. Leitlinien für eine recyclinggerechte Produktentwicklung sind verabschiedet. Ein konzernweites System sorgt für die Verwertung von Wertstoffen wie Papier, Kunststoff, Holz, Elektronik und Metall.

Es geht darum, zu bewahren, zu schonen und zurückzugeben – und genau damit auch zu wachsen. Der Klimawandel droht bis Mitte des Jahrhunderts laut renommierter Studien Einkommensverluste von bis zu 20 Prozent für die Weltwirtschaft zu verursachen. Dem müssen wir entgegenwirken.

Dafür braucht es neben Unternehmergeist, Mut und Investitionen auch den politischen Willen sowie klare regulatorische Vorgaben. Wir haben wenig Zeit, diese einmalige Chance zu nutzen. Aber wir können es schaffen. Die Kreislaufwirtschaft wird eine wichtige Rolle dabei spielen.

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