Schon bevor Donald Trump zum zweiten Mal als neuer US-amerikanischer Präsident vereidigt wurde, hat er die Welt in Aufruhr versetzt – und fundamentale politische Veränderungen losgetreten. Während der neue Präsident in der Außen- und Sicherheitspolitik bis jetzt vor allem großspurige Ansagen und Drohungen formuliert, wirken sich die neuen Machtverhältnisse unmittelbar auf die Regulierung großer Tech-Unternehmen aus.
Das hat viel zu tun mit Trumps mächtigem Verbündeten und Staatsreformbeauftragten Elon Musk, reichster Mensch der Welt, Chief Executive Officer (CEO) von Tesla und Space X – und Inhaber der umstrittenen Kurznachrichtenplattform X. Der Tech-Milliardär und künftige US-Sonderberater für Regierungseffizienz nutzt seine Macht und Reichweite offen, um rechtsextreme Kräfte in westlichen Demokratien zu unterstützen. Gleichzeitig delegitimiert er rechtsstaatliche Strukturen und verbreitet munter Verschwörungsnarrative, die so auch aus dem Kreml stammen könnten.
Deregulierungsfans in vielen strategischen Positionen
Vor Trumps Wahlerfolg musste Musk noch fürchten, dass die mangelnde Regulierung auf seiner Plattform bald auch in den USA geahndet werden könnte. Nun aber kann er aufatmen – und Desinformation und Propaganda haben freien Lauf: Auf seinen Vorschlag hin hat Trump nun Brendan Carr zum künftigen Chef der verantwortlichen Regierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) ernannt. Während diese Behörde eigentlich dafür zuständig ist, Vorschriften und Leitlinien für Kommunikationsmedien in den Vereinigten Staaten von Amerika zu verabschieden und durchzusetzen, ist Regulierung für ihren künftigen Chef Carr ein Fremdwort.
Auch von Trumps Vize James David (JD) Vance bekommt Musk Rückendeckung. Dieser drohte bereits damit, die USA könnte ihre Hilfen für die Ukraine in Frage stellen, sollte die EU ihre strengeren Vorschriften gegenüber X durchsetzen. Es ist offensichtlich, warum sich der Tech-Milliardär Musk mit einer Viertelmilliarde Dollar, öffentlichen Wahlempfehlungen und Wahlkampfauftritten für Trump eingesetzt hat. Und es ist unverkennbar, wie sehr Musk den neuen US-Präsidenten damit in seiner Hand hat.
Dieses Verhalten lässt auch andere Tech-CEOs nicht unberührt. Während des Wahlkampfs nahm Amazon-Gründer Jeff Bezos als Eigentümer der renommierten US-Zeitung „Washington Post“ Einfluss auf deren Inhalt und verbot eine geplante Wahlempfehlung für die Kandidatin der US-Demokraten, Kamala Harris.
Die Europäische Union wehrt sich
Diese ultralibertäre Grundhaltung von Trump und Musk hat in vorauseilendem Gehorsam nun auch Meta-CEO Mark Zuckerberg übernommen. Kurzerhand und ohne Vorwarnung beendete er in den USA seine Kooperationen mit Faktencheck-Redaktionen. Großspurig verkündete er dies in einer Videobotschaft – ergänzt durch einen Vorwurf gegenüber Europa, der es in sich hat: Auf der anderen Seite des Atlantiks gäbe es immer mehr Gesetze, durch die Zensur institutionalisiert würde. Auch wenn EU-Kommissionsvizechefin Henna Virkkunen dies umgehend zurückwies – Zuckerbergs Worte wirken weiter. Und hinter seinen Ankündigungen steckt Kalkül.
Denn mit dem Digital Markets Act und dem Digital Services Act hat Europa zwar neue Vorschriften implementiert, welche die Macht großer Online-Plattformen inklusive der sozialen Netzwerke einschränken sollen. Doch die Umsetzung durch die europäischen Regulierungsbehörden geht nur schleppend voran. Und schon werden die ersten Stimmen hörbar, die eine Überprüfung eingeleiteter Verfahren und gar eine mögliche Anpassung der geeinten Regeln ins Spiel bringen.
Kampf ehemaliger Verbündeter
Für die Tech-CEOs bringt dies zusammen mit der weltpolitischen Lage und dem Machtwechsel in Washington, D.C. nun eine Chance mit sich. Sie wollen erreichen, dass die Brüsseler Regulierungen in allzu harter Form durchgesetzt werden, indem die neue US-Regierung massiven politischen Druck auf die EU ausübt. Dass die EU – geleitet von einer Kommission, die noch frisch im Amt ist – zusätzlich von Regierungskrisen in Berlin und Paris, sowie schwierige Mehrheitsverhältnisse in EU-Parlament und Rat gebeutelt und damit am Rande der Handlungsunfähigkeit sind, dürfte Trump und Co nur bestärken.
In dieser Lage ergibt sich für die unheilige Allianz zwischen Trumps MAGA-Regierung und den von Musk angeführten Tech-CEOs die einmalige Chance, Europa in seine Schranken zu weisen. Während die EU ein Verfahren gegen Meta, Google und Apple wegen Verstößen gegen den Digital Markets Act vorantreibt, kommen in den USA Forderungen nach einem Handelskrieg in Form von Zöllen auf europäische Produkte auf. Den europäischen Staats- und Regierungschefs sowie der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen sollte spätestens jetzt völlig klar sein: Hier steht Europas Souveränität auf dem Spiel. Reagiert die EU nicht mit klarer Replik, werden die Angriffe aus den USA weitergehen.
EU hat starke Instrumente bei der Hand
Dabei verbirgt sich hinter dem Verhalten der US-Amerikaner vor allem eines: Panik. Denn mittlerweile ist klar, dass es die europäischen Staaten tatsächlich ernst meinen mit der Durchsetzung ihrer eigenen Regeln im eigenen gemeinsamen Markt. Der nicht weniger als der größte Binnenmarkt der Welt ist. Offensichtlich ist auch, dass die EU ihren Regulierungsbehörden – anders als die USA – nicht zunehmend den Zahn zieht, sondern sie stattdessen endlich mit scharfen Schwertern ausgestattet hat. Zu ihrem eigenen Besten: Denn nur so kann die Union sicherstellen, dass es auf ihrem eigenen Markt einen fairen Wettbewerb und starke Rechte für Nutzer*innen von digitalen Diensten gibt. Und nur so wird Europa dafür sorgen können, dass die in den Parlamenten Europas verabschiedeten Gesetze hierzulande auch tatsächlich durchgesetzt werden können.
Die Frage der Souveränität Europas wird sich in der nun daran entscheiden, ob sich die führenden Politiker der EU und ihrer Mitgliedstaaten – besonders die deutsche Bundesregierung – zu den gemeinsam verabschiedeten Regelungen bekennt und den Regulierungsbehörden den Rücken stärkt. Unbeirrbarkeit ist hier dringend angeraten – selbst wenn es um die mächtigsten und wertvollsten Unternehmen der Welt geht und Trump mit schwersten Drohungen hantiert. Die ökonomischen Interessen europäischer Wettbewerber sind von diesen Entscheidungen abhängig – auch der immer stärker umkämpfte Medienmarkt. Genauso wie die Freiheit und die Souveränität der Menschen in Europa.
Jan Philipp Albrecht ist seit Juni 2022 Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Davor war er vier Jahre lang Digitalminister in Schleswig-Holstein und war neun Jahre lang für die Grünen als Abgeordneter im Europäischen Parlament tätig. In dieser Rolle war Albrecht unter anderem Berichterstatter des Parlaments für die EU-Datenschutzgrundverordnung.