Eine Zeitenwende kündigt sich an: Mit einem Anteil von über 50 Prozent am Stromverbrauch haben sich die erneuerbaren Energien längst zu einer tragenden Säule unserer Stromversorgung entwickelt – und erstmalig auch die fossilen Energieträger in ihrer Bedeutung hinter sich gelassen. Der Siegeszug der erneuerbaren Energien in Deutschland war wohl noch nie so sichtbar wie im ersten Halbjahr dieses Jahres. Im 20. Jahr seines Bestehens lässt sich feststellen: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte.
Windparks auf hoher See werden ohne Förderung, größere Solarparks gar ganz außerhalb des EEG gebaut. Nahezu zeitgleich fallen ab dem kommenden Jahr immer mehr vergleichsweise teure Altanlagen nach 20 dann Jahren Förderung aus der EEG-Vergütung, könnten aber noch weitere Jahre weiterbetrieben werden: Eine zunächst positive Nachricht, die Hoffnung schürt auf sinkende Strompreise und zusätzliche Impulse für die Energiewende. Allein die gut 100 Megawatt peak (MWp) an Solaranlagen, die zum Stichtag 1. Januar 2021 aus der EEG-Umlage fallen, schaffen Raum für bis zu zehn GW peak an neuen Freiflächenanlagen; so kostengünstig sind die Erneuerbaren inzwischen geworden.
Doch für die frühen Pioniere der Energiewende bietet das diesjährige Jubiläum nicht nur Anlass zur Freude. Denn wenn die staatlich garantierte Einspeisevergütung für die ersten Erneuerbare-Energien-Anlagen ausläuft, dann stehen zahlreiche Anlagenbetreiber vor der Frage, ob und wie sich ein Weiterbetrieb ihrer Anlagen darstellen lässt. Klar ist eigentlich nur eines: Anlagenbetreiber werden sich nur dann für einen Weiterbetrieb begeistern lassen, wenn dies zumindest weitgehend kostendeckend möglich ist.
Weiterbetrieb nicht rechtssicher geregelt
Niemand kann ernsthaft ein Interesse daran haben, für die ausgeförderten und wirtschaftlich abgeschriebenen Anlagen neue längerfristige Fördertatbestände zu schaffen. Doch angesichts des Atom- und des Kohleausstiegs – bis Ende 2022 gehen mehr als 15 GW konventioneller Leistung vom Netz – sowie der weiterhin ungelösten Herausforderungen beim Ausbau der Windkraft an Land können wir es uns schlicht nicht leisten, die betreffenden Anlagen bereits unmittelbar nach dem Auslaufen ihrer Förderperiode zu verlieren.
Gerade in Hinblick auf das (mittlerweile auch gesetzlich verankerte) 65-Prozent-Ziel sowie die bislang noch unberücksichtigten zusätzlichen Strombedarfe durch die Wasserstoffstrategie wird ein nennenswerter Anteil der betreffenden Anlagen dem Strommarkt auch weiterhin zur Verfügung stehen müssen, wollen wir eine Ökostromlücke vermeiden. Zudem wäre ein verfrühter Rückbau der Pionieranlagen ein absolut falsches Signal für die Energiewende.
Für die Ü20-Windkraft hat sich in diesem Zusammenhang bereits ein eigener vielversprechender Geschäftszweig etabliert. Langfristige Lieferverträge mit der Industrie können den Fortbestand der Anlagen sichern; wo immer möglich wird auch das Repowering im Fokus stehen.
Bei Solaranlagen hingegen ist der Weiterbetrieb von ausgeförderten Anlagen weder rechtssicher noch ökonomisch und ökologisch sinnvoll geregelt: Die Umstellung des Anlagenkonzepts von Volleinspeisung auf Eigenversorgung scheitert daran, dass ausgeförderte Solaranlagen nach der geltenden Rechtslage unabhängig von ihrer Größe anteilig mit der anteiligen EEG-Umlage auf Eigenverbrauch belastet werden. Die weitere Einspeisung ins Netz wiederum ist bislang ausschließlich über die sonstige Direktvermarktung zulässig, die jedoch mit unverhältnismäßig hohem technischem und finanziellem Aufwand verbunden ist.
Langlebigen Anlagen droht massenweiser Rückbau
Auf diese Weise führt der mangelhafte Rechtsrahmen zu einem paradoxalen Ergebnis: Obwohl Solaranlagen im Vergleich zu anderen Technologien über eine längere technische Lebensdauer verfügen und aufgrund des niedrigeren Wartungs- und Betriebsaufwandes auch nach ihrem Förderende besonders kostengünstig klimaneutralen Strom produzieren könnten, droht ausgerechnet ihnen ein massenweiser Rückbau. Bis Ende des Jahres 2025 könnten knapp 180.000 Solaranlagen mit insgesamt mehr als zwei GWp Leistung vom Netz genommen werden, was drei mittelgroßen Kohlekraftwerksblöcken entspricht.
Das Auslaufen der EEG-Förderung ist seit Jahren bekannt, die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie enthält erstaunlich konkrete Vorgaben, die ohnehin in deutsches Recht umzusetzen sind, und auch seitens der Verbände liegen inzwischen mehrere wohldurchdachte Vorschläge auf dem Tisch. Und tatsächlich könnte der Weiterbetrieb einer ganz überwiegenden Anzahl der betreffenden Anlagen bereits mit wenigen gesetzlichen Anpassungen sichergestellt werden:
Erstens müssten ausgeförderte Anlagen bis 30 kWp bei Eigenverbrauch vollständig von der EEG-Umlage befreit werden, so wie es auch die europäische Erneuerbare-Energien-Richtline vorsieht. Zweitens bedarf es für die Überschusseinspeisung respektive für Volleinspeise-Anlagen einer „kleinen“ Direktvermarktung, die ohne die Messtechnik für eine Viertelstundenbilanzierung auskommt und sich daher auch für kleinere Solaranlagen wirtschaftlich darstellen lässt. Drittens und letztens muss für all jene Fälle, in denen der Wechsel in die (kleine) Direktvermarktung nicht aktiv durch den Anlagenbetreiber vorgenommen wird, eine unbürokratische Auffanglösung eingeführt werden, in deren Rahmen der Netzbetreiber den Strom gegen eine geringe aber kostendeckende Mindestentschädigung abnimmt.
Politische Lösung bis zum 1. Januar 2021 zwingend notwendig
Mit diesen drei Eingriffen könnte sichergestellt werden, dass es weder zur wilden Einspeisung noch zum Rückbau der Anlagen kommen muss. Bundesminister Peter Altmaier jedoch bleibt eine – bereits zum 1. Januar 2021 zwingend notwendige – politische Lösung im Umgang mit ausgeförderten Solaranlagen schuldig: Die „große“ EEG-Novelle, die für das erste Halbjahr dieses Jahres angekündigt wurde und die erhofften Änderungen bringen sollte, lässt ohne erkennbare Gründe weiter auf sich warten. Im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie soll die Novelle gar als „EEG 2021“ firmieren, für unzählige Altanlagen käme das aber zu spät.
Die Zurückhaltung des zuständigen Ministers ist eine gleich mehrfach verpasste Chance. Denn von den frühen Pionieren der Energiewende geht nicht nur eine bis heute erhebliche Signalwirkung aus. Mit den richtigen Weichenstellungen könnten die Pioniere von damals auch heute wieder zum Innovationstreiber der Energiewende werden. Spannende neue Geschäftsmodelle stehen kurz davor, sich am Markt zu etablieren. Innovative Anbieter könnten den erneuerbaren Strom mithilfe von virtuellen Kraftwerken zunehmend auch in Verbindung mit Stromspeichern etwa an lokale und regionale Stromgemeinschaften, die Industrie oder auch an neu entstehende Power-to-X-Anlagen vermarkten – mit positivem Effekt sowohl für die Verbraucherinnen und Verbraucher als auch für das Klima.
Nur wenn es uns gelingt, neben einem beschleunigten Zubau neuer Anlagen auch den Bestand über das Förderende hinaus im Stromsystem zu halten, können wir unsere Klimaziele erreichen.