Der Haushaltsentwurf 2025 steht, doch die politische Auseinandersetzung über dessen inhaltliche Prioritäten geht erst richtig los. Wie die Bundesregierung kritische Zukunftsinvestitionen anstoßen will, bleibt offen. Vor allem fehlt ein Signal für dringend nötige Investitionen in erneuerbare Energien, Netzausbau und eine klimaneutrale Industrie.
So schrumpft etwa der Klima- und Transformationsfonds (KTF) um mehr als acht Milliarden Euro; und ausgerechnet im „Klima-Sorgenkind“ Verkehrssektor werden weiterhin falsche Signale gesetzt und vor allem teure Elektro-Dienstwagen steuerlich begünstigt, anstatt den negativen Externalitäten des motorisierten Individual- und Güterverkehrs durch die richtigen steuerlichen Anreizsysteme zu internalisieren. Kurzfristig setzt der Haushalt den Ton für die Bundestagswahl 2025, doch werden hiermit aufgrund langfristiger Pfadabhängigkeiten auch grundsätzliche Weichen gestellt.
Ein breiteres Verständnis von „Sicherheitsmilliarden“
Der öffentlichkeitswirksamste Streit entlädt sich in diesem Jahr nicht nur an Ausgaben zur Klima-, sondern vor allem an der Verteidigungspolitik. Denn Investitionen in den Klimaschutz sind genau solche „Sicherheitsmilliarden“, wie sie auch in die Streitkräfte fließen. Zu Recht hat Bundesfinanzminister Christian Lindner in Ergänzung zur Zeitenwende den Begriff der Freiheitsenergien geprägt. Während Verteidigungsausgaben die territoriale Souveränität schützen sollen, schaffen „Freiheitsmilliarden“ für den Klimaschutz Freiheitsrechte für die Zukunft. In beiden Fällen gilt: Handeln kostet, Nichthandeln kostet uns mehr.
Die Frage, wie diese zusätzlichen „Freiheitsmilliarden“ vor allem finanziert werden sollen, bleibt umstritten, denn der Spielraum für die Finanzierung von vorausschauender Politik wird knapper.
Abnehmende Spielräume, zunehmender Handlungsdruck
Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum KTF haben den zu verteilenden Kuchen der Bundesfinanzen verkleinert. Auch die Zinslastquote, also der Anteil am zur Verfügung stehenden Budget, den der Staat für seinen Schuldendienst aufbringen muss, wird in den nächsten Jahren weiter steigen und damit die Kosten der Bundesschuld.
Zugleich steigen Handlungsbedarf und -druck: Das deutsche 1,5-Grad-Celsius-Budget für das Pariser Klimaabkommen ist laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) bereits aufgebraucht: Wir stoßen also unausweichlich mehr CO2 aus, als uns zusteht. Darüber hinaus wird das zeitliche Fenster für kritische Investitionen kleiner, und der Investitionsbedarf in Bildung, Infrastruktur und Streitkräfte ist so hoch wie selten zuvor.
Politische Antworten im Gegenwind
Zugleich erfahren die meisten Wege in Richtung Klimaneutralität starken Gegenwind:
Ordnungsrechtliche Maßnahmen sind politisch umstritten, teilweise werden sogar Rückschritte als mehr Klimaschutz propagiert. Erst am vergangenen Sonntag verkaufte es Finanzminister Christian Lindner im ARD-Sommerinterview als großen klimapolitischen Erfolg, dass der Verbrennungsmotor weiterhin als eine Option erhalten bleibe, wenn er perspektivisch „klimaneutral weiterentwickelt wird“. Währenddessen hat die deutsche Automobilindustrie vor allem damit zu kämpfen, den Rückstand auf dem Weg zum E-Auto wieder aufzuholen. Bei dieser Transformation ist Zielklarheit von entscheidender Bedeutung.
Die Handlungsräume für marktorientierte Instrumente wie eine verstärkte CO2-Bepreisung sind politisch begrenzt. Die wichtige Entscheidung, die CO2-Bepreisung schrittweise zu erhöhen, wird in den kommenden Jahren das erste Mal spürbare Auswirkungen haben. Es wird viel Energie kosten, diesen Pfad der CO2-Bepreisung zu verteidigen – und es gelingt uns als Gesellschaft hoffentlich diesen Weg weiter zu verfolgen.
Neben gezielten Zukunftsinvestitionen, die Wohlstand nachhaltig mehren, für die mein Kollege Michael Schäfer in einem Standpunkt-Gastbeitrag am 4. Juli plädiert hat, und nach der Vorlage des Entwurfs für den Bundeshaushalt 2025 ist es an der Zeit, vor allem Steuerausnahmen für fossile Energieträger wie das Dienstwagenprivileg oder die Kerosinsteuerbefreiung auf Inlandsflüge und Flüge innerhalb der EU anzugehen. Diese liefern nämlich für eine innovative, marktorientierte Volkswirtschaft keinen spürbaren Mehrwert, sondern verbrennen vor allem Lebensgrundlagen und Steuergelder.
Mehr Zukunft und große Schritte wagen
Deutschland verliert sich bei Steuerausnahmen für fossile Energieträger immer wieder im teuren Klein-Klein und vergisst oft den ursprünglichen Regulierungszweck zahlreicher Steuerausnahmen.
So werden beispielsweise bei KFZ-Steuer und Dienstwagenbesteuerung Hybridautos mit Elektroautos fast gleichgestellt, während Hybride empirisch nachweislich vornehmlich verbrennungsmotorisch fahren und selbst Autobauer offen zeigen, dass E-Fuels im Auto E-Fails sind. Darüber hinaus ist es weder zielorientiert noch fair, E-Autos mit einem Bruttolistenpreis von 90.000 Euro zu fördern: 2.000 Kilogramm Leergewicht bei 90 Kilogramm Passagiergewicht sind auch mit elektrischem Antrieb keine nachhaltige Mobilität. Von der Steuerausnahme profitieren die oberen zehn Prozent der Gesellschaft. Darüber hinaus sorgt sie für den überproportionalen Verkauf von Oberklassewagen und SUVs. Allein diese Steuerausnahme kostet jede:n Steuerzahler:in je nach Ansatz zwischen 70 und 110 Euro pro Jahr, da die Pauschalbesteuerung des Bruttolistenpreises mit einem Prozent zu niedrig angesetzt ist.
Wenn schon die Abschaffung politisch nicht durchsetzbar ist, wäre zumindest ein klares Zielbild von Vorteil. Anstatt dem Herumgezerre im Parlament durch Lobbyverbände an einzelnen Mini-Schrauben zu erliegen, könnte beispielsweise Großbritannien als Vorbild dienen, dass einen Zielkorridor an Emissionswerten definiert. Als Folge dieses klaren Zielbilds gibt es im Vereinigten Königreich ein Stufenmodell, das besonders emissionsintensive Verbrenner immer stärker steuerlich belastet.
Während Deutschland 2022 rund 18 Milliarden Euro in den Klimaschutz investiert hat, flossen im selben Jahr rund 65 Milliarden Euro in klimaschädliche Subventionen wie beispielsweise in die Energiesteuerbefreiung von Kerosin oder Steuervorteile für Dienstwagen.
Mit der einen Hand wird in die Zukunftsfähigkeit des Landes investiert, während mit der anderen, deutlich großzügigeren Hand diese Investitionen durch Steuerausnahmen für fossile Energieträger konterkariert werden. Solange die Regierung an dieser Praxis festhält, ist es nicht legitim, von knappen Kassen beim Klimaschutz zu sprechen.
Sollte aus liberaler oder konservativer Sicht die Sorge bestehen, dass Steuermehreinnahmen durch die Schließung der Lücken von Steuerausnahmen für fossile Energieträger nur in konsumtive Staatsausgaben fließen, so wäre jetzt die richtige Zeit für die Einrichtung eines „Freiheitsenergiefonds“: Der würde zweckgebunden die so notwendigen Nettoinvestitionen in erneuerbare Energien, Wärmewende oder Infrastruktur ermöglichen, die von der Privatwirtschaft selbst nicht gestemmt werden kann.
So können wir mit Ambition und Überblick den Weg in die Klimaneutralität gehen und sichern uns damit unsere politische Souveränität.