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Gesundheit & E-Health

Robert Koch-Institut (RKI) Wenig IT, mehr KI

Die IT-Abteilung des RKI ist personell extrem ausgedünnt: Das könnte das für 2021 vorgesehene Monitoringsystem für Corona-Impfungen gefährden. Dafür entstehe eine KI-Abteilung, betonen Vertreter der Regierungsfraktionen.

Thomas Trappe

von Thomas Trappe

veröffentlicht am 09.12.2020

aktualisiert am 10.12.2020

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Für die führenden Gesundheitspolitiker der Regierungsfraktionen gibt es angesichts der heute beginnenden abschließenden Lesung des Haushalts 2021 und mit Blick auf die Personalausstattung des Robert Koch-Instituts (RKI) keinen Grund zur Klage. „Wir stärken das Institut für die Zukunft“, sagt Erwin Rüddel (CDU), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, zu Tagesspiegel Background. In den kommenden beiden Jahren entstünden, so Rüddel, immerhin fast 180 neue Stellen. Und Bärbel Bas, für Gesundheitspolitik zuständige Fraktionsvize der SPD, ist sicher, dass in den laufenden Haushaltsverhandlungen „die Schlagkraft des RKI insgesamt“ durch das Parlament gestärkt worden sei. Und ja, zweifelsohne können sich die knapp 100 neuen Stellen für das am RKI geplante „Zentrum für Künstliche Intelligenz“ sehen lassen. Sie überdecken aber nicht, dass eine zentrale Abteilung weiterhin daniederliegt, die für das Pandemie-Management im kommenden Jahr von erheblicher Bedeutung sein wird, vor allem für die anstehende größte Impfkampagne der deutschen Geschichte: die IT-Abteilung des RKI, die für die Vernetzung von Impfzentren und die Erhebung von Impfdaten maßgeblich Verantwortung tragen wird. 

Die katastrophale personelle Ausstattung des RKI und die damit einhergehende verminderte Fähigkeit, auf Pandemien reagieren zu können, war bereits Thema, als Corona in Deutschland noch eine Epidemie war: Schon Anfang März beklagten Haushalts- und Gesundheitspolitiker des Bundestags 41 offene Stellen an dem zum Bundesgesundheitsministerium (BMG) gehörenden Institut. In der Union wurde damals angekündigt, das Institut in den anstehenden Haushaltsverhandlungen zu stärken, es gar zu einer Behörde zu pushen, das den Vergleich mit dem amerikanischen Pendant CDC nicht zu scheuen braucht. Der jetzt von Gesundheitspolitikern der Regierungsfraktionen gelobte Stellenzuwachs passt da durchaus ins Narrativ: Das allerdings kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die IT-Abteilung eben nur 4 der vom Institut geforderten 68 Stellen zugebilligt bekam, wie die Welt am Sonntag zuerst berichtete

„Die mangelnde Digitalisierung im öffentlichen Gesundheitswesen erweist sich als eine Achillesferse in der Pandemie“, kommentiert das Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, gegenüber Tagesspiegel Background im Vorfeld der heute beginnenden Haushaltsdebatte. Für Klein-Schmeink ist klar, dass Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) „an der falschen Stelle sparen“. 

Aufgabenspektrum wächst

Tatsächlich hatte, wie die SPD-Abgeordnete Bas betont, das BMG im Regierungsentwurf des Haushalts 2021 ursprünglich weniger Stellen vorgesehen als sie jetzt im mit dem Parlament ausgehandelten Plan festgeschrieben sind. Das gilt nicht nur für das RKI, sondern auch für das unter anderem für die Corona-Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut, das ebenfalls zum Geschäftsbereich des BMG zählt. Allerdings gab es beim RKI eben nur einen moderaten Stellenzuwachs, dem ein wahrscheinlich weit größerer Arbeitsanstieg im laufenden wie auch im kommenden Jahr gegenübersteht. Das gilt auch und vor allem für die IT-Abteilung: Die kämpft derzeit schon mehr schlecht als recht damit, die Gesundheitsämter Deutschlands digital miteinander zu verbinden. Von denen erfährt die Bevölkerung auch im zehnten Montag der Pandemie jeden Montag im Radio aufs Neue, dass diese am Wochenende nur eingeschränkt in der Lage sind, Daten zum Infektionsgeschehen der schwersten Seuche der Nachkriegsgeschichte automatisiert zu übermitteln. 

Die mangelnde Vernetzung der Gesundheitsämter über das RKI dürfte auch die kommenden Monate der Pandemie nicht behoben sein. Mit Beginn der ersten Impfungen gegen SARS-CoV-2 allerdings wird dem Institut nach den Plänen des BMG noch eine zusätzlich Groß-Aufgabe zukommen: die des Impf-Monitorings. „Valide Daten zur Inanspruchnahme der Impfung sind Grundlage für eine erste Bewertung von Signalen zu Impfnebenwirkungen und der Impfeffektivität“, heißt es in den Priorisierungsempfehlungen der zum RKI gehörenden Ständigen Impfkommission, die bis morgen noch von den Ländern gesichtet werden und schließlich in die Priorisierungsverordnung des Ministeriums eingearbeitet werden sollen. Laut Stiko-Empfehlung sollte diese Datenerfassung vom RKI geschultert werden. 

Auch im Verordnungsentwurf des BMG heißt es, dass aus den gerade im Aufbau befindlichen Corona-Impfzentren anonymisierte und pseudonymisierte Daten übermittelt werden sollen. „Das RKI richtet für die Datenübermittlung nach Absatz 1 ein elektronisches Melde- und Informationssystem ein und ist verantwortlich für dessen technischen Betrieb“, heißt es im Entwurf, es könne dafür auch ein IT-Dienstleister mit der technischen Umsetzung beauftragt werden. Nach den Erfahrungen mit der eher schleppenden Beauftragung eines externen Entwicklers der Corona-Warn-App im Sommer und mit der teils desaströsen digitalen Anbindung der Gesundheitsämter verspricht weder die eine noch die andere Variante eine schnelle Umsetzung: Die allerdings wäre für eine wissenschaftliche Begleitung der Impfung und die Erfassung seltener Nebenwirkungen oder Komplikationen geradezu unverzichtbar. Ein Scheitern können sich das RKI, vor allem aber das BMG und die Bundesregierung, hier eigentlich nicht erlauben.

FDP bringt Antrag ein

Neben den Grünen und dem SPD-Politiker Karl Lauterbach – der aber offenbar ohne Rückendeckung seiner eigenen Partei – übt auch die FDP scharfe Kritik an der personellen Ausstattung des RKI. Das Institut „befindet sich aktuell in einem unhaltbaren Zustand“, sagt Karsten Klein, der für das BMG zuständige Berichterstatter der FDP im Haushaltsausschuss des Bundestags. Er forderte bereits im März vergeblich, die Umsetzung des 2017 beschlossenen Konzepts „RKI 2025“ zu beschleunigen, in dem ein erheblicher finanzieller wie auch personeller Zuwachs in Aussicht gestellt wurde

Am Donnerstag will Kleins Fraktion zur finalen Beratung des BMG-Haushalts nun einen Antrag einbringen. In diesem wird unter anderem die Schaffung von 64 zusätzlichen Stellen im IT-Bereich gefordert, was „der Umsetzung der Strategie RKI 2025 sowie der Bekämpfung der Corona-Pandemie“ diene. Außerdem solle das BMG den Haushaltsausschuss darüber Bericht erstatten, welche Ergebnisse die am RKI offenbar zuletzt 2018 durchgeführte Personalbedarfsermittlung (PBE) brachte und wie viele Stellen seitdem geschaffen wurden. Eine redaktionelle Anfrage zu den Ergebnissen der jüngsten PBE blieb vom BMG unbeantwortet.

Mangel an Entwicklungsperspektiven

Beim RKI erklärt eine Sprecherin auf Anfrage, dass die vom Institut in die Haushaltsverhandlungen eingebrachte Forderung nach insgesamt 68 Stellen „zur Deckung des IT-Bedarfs notwendig sind, die sich aus der weiterhin stark wachsenden Digitalisierung des Instituts ableiten“. Es gehe unter anderem um DEMIS, also die Software zur Vernetzung der Gesundheitsämter, „weitere Applikationen und Datenbanken“, aber eben auch um „Bereiche wie (Forschungs-) Datenmanagement, neue digitale Lösungen im Labor und Prozessmanagement und der IT-Sicherheit“. 

Der Personalrat des RKI selbst trug seine Position in diesem Jahr im Haushaltsausschuss nur mündlich vor. Laut Teilnehmern wurde dort erklärt, dass die gleichen Probleme wie im letzten Jahr bestünden. In einem der vorangegangenen schriftlichen Berichte betonte der Personalrat zuvor das Ziel der Strategie „RKI 2025“, die „digitale Epidemiologie“ deutlich auszubauen. „Trotz hervorragender Leistungen belastet die chronische Unterbesetzung im IT-Bereich die Beschäftigten dort schon seit Jahren“, hieß es weiter, man befürchte mangels „Entwicklungsperspektiven“ eine „Abwanderung des IT-Personals zu attraktiveren Arbeitgebern“. Der Bericht stammt vom 21. Februar 2019 – zwei Jahre später könnte er aktueller als je zuvor werden.

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