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Standpunkte Smart City: Was Berlin von Amsterdam lernen kann

Digitalisierung ist das Buzzwort der letzten Jahre gerade im Zusammenhang mit einer intelligenten Energieversorgung von Städten. Berlin hat 2015 eine Smart City-Strategie beschlossen, doch passiert ist bisher wenig. Frank Zeeb, Vorstandsvorsitzender der Alliander AG, beschreibt in seinem Standpunkt, wo Berlin beim Thema viel von Amsterdam abschauen kann.

von Frank Zeeb

veröffentlicht am 10.08.2018

aktualisiert am 08.11.2018

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Wie wichtig das Thema Digitalisierung überhaupt ist, zeigen unter anderem die vielen Veranstaltungen deutschlandweit, die sich um die „Intelligente Energieversorgung“ drehen. So wurde erstmalig das Thema Energie auch auf dem Flaggschiff-Event für Digitalisierung – der NOAH – diskutiert. Der Bedarf nach einem Austausch ist da, aber im Vergleich zu anderen Ländern geht die Transformation in Deutschland immer noch viel zu schleppend voran.


Nehmen wir das Beispiel Berlin. 2015 wurde eine Smart City-Strategie beschlossen, und nirgends sonst in Deutschland versammelt sich eine derart hohe Anzahl an Start-ups mit klugen Ideen auf so wenigen Quadratkilometern wie in der Hauptstadt.


Die Frage ist aber nach wie vor: Wer nimmt das Thema Smart City entschlossen in die Hand? Wer vernetzt all die smarten Ideen und Initiativen, die es hier und da schon gibt, stößt weitere Projekte an und sorgt dafür, dass jene, die uns weiterbringen, nicht ins Stocken geraten?


Optimalerweise ziehen dabei alle an einem Strang: die Stadt, die Unternehmen, Wissenschaft und Bürger. Dazu braucht es Formate zum transparenten Austausch und technische Plattformen, die das Vorhaben befördern und begünstigen. Wie das geht, kann man in den Niederlanden heute schon erleben. Die Stadt Amsterdam ist ein gutes Beispiel dafür, wie die erfolgreiche Umsetzung einer Smart-City Strategie aussehen kann.


Die Plattform Amsterdam Smart City macht es vor: Hier kommen alle, zusammen die Lust und Ideen haben das intelligente Amsterdam zu gestalten, tauschen sich aus und evaluieren mit wem sie welche Ideen auf den Weg bringen können. Sie suchen nach Finanzierungsmöglichkeiten, tauschen sich über mögliche rechtliche oder bürokratische Hürden aus, wie diese überwunden werden können und finden die direkten Ansprechpartner für laufende Projekte.


Außerdem wird der Fortschritt der verschiedenen Pilotprojekte dokumentiert und transparent für jeden nachvollziehbar gemacht. Unzählige Innovationen konnten so vergleichsweise einfach angestoßen werden. Eine der Bedingungen ist, dass sich die Smart City-Ideen, die hier zur Diskussion auf den Tisch kommen, mindestens einer der sechs Kategorien „Infrastruktur und Technologie“, „Energie, Wasser & Abfall“, „Mobilität“, „Kreislaufstadt“, „Verwaltung & Bildung“ und „Bürger & Leben“ zuordnen lassen sollten.


Kommen wir einmal stärker auf das Thema smarte Energie zu sprechen. Über die Plattform entstehen auch oder vor allem in diesem Bereich immer wieder Projekte, die die Stadt ein Stück intelligenter machen. Darunter der Aufbau des ersten umfassenden Smart Grids in einem ganzen Stadtbezirk von Amsterdam (Nieuw-West). Hier sind etwa 10.000 Haushalte bereits zu einem smarten Netz zusammengeschlossen und mit IT- und Sensor-Technik an wichtigen Knotenpunkten ausgerüstet sowie mit Smart Metern in den Haushalten. Ströme und Spannung werden über Fernüberwachungs- und Steuerungsfunktionen permanent genau überwacht. Ein Fernbetrieb von einem zentralen Kontrollraum aus war mit einem analogen Standardnetz bisher nicht möglich.


Aber was ist so smart daran? Stromausfälle können viel schneller behoben werden oder sogar verhindert. Außerdem können die Auswirkungen des verstärkten Einbaus und Einsatzes von Technologien wie PV-Systemen, Batteriespeichern, E-Fahrzeugen oder Wärmepumpen in den Haushalten viel besser beobachtet und kontrolliert werden. Aber auch den Nutzern des Stromnetzes liefert das Smart Grid Informationen in Echtzeit beispielsweise darüber, wann es günstig ist Energie zu nutzen, zu speichern oder zu handeln. Was anderenorts noch in der Theorie erwogen wird, wird in Amsterdam Nieuw-West allmählich Alltag und kann der Auftakt zu einem insgesamt intelligenteren, integrierten und nachhaltigen Energiesystem sein.


Außerdem möchte ich das Solar Roof Panel-Projekt „Oosterlicht“ erwähnen. Im südlichen Amsterdam wurden auf dem Dach des IJburg College 480 Solarpanels mitten in der Stadt installiert, sodass dort das größte kooperative Solardach von Amsterdam entstanden ist. Die Schule selbst sowie die Nachbarschaft kann auf diese Weise vermehrt selbst und lokal produzierte, saubere Solarenergie nutzen.


Ganz aktuell ist auch ein Vehicle2Grid (V2G)-Pilotprojekt gestartet, das es auch in Deutschland bereits in die Medien geschafft hat. Bei den Tests, die aktuell in Amsterdam stattfinden, untersuchen die Projektpartner die Auswirkungen auf das Niederspannungsnetz, wenn nicht zum Fahren genutzter Strom aus geparkten E-Autos zurück ins Netz gespeist wird. Außerdem wird geprüft, inwieweit Elektrofahrzeuge und die V2G-Technologien als Lösung zum Überbrücken von Stromausfällen tauglich sind. Möglicherweise könnten wir mit V2G-auch ein Stück weit unabhängiger werden vom langwierigen und teuren Netzausbau. Wie das Smart-Grid-Projekt gehört auch diese Idee zum übergeordneten City-Zen-Programm, das Amsterdam zu mehr sauberer Energie und Effizienz im Rahmen einer urbanen Energiewende verhelfen soll.


An allen Projekten sind Unternehmen wie Alliander beteiligt, immer im Austausch mit den Stadtverantwortlichen und den Bürgern der Stadt. Auf der Amsterdam Smart City-Website kann man gut erkennen, wie die Smart City in Amsterdam wirklich gelebt wird.


Ein intensiver Austausch zwischen allen Beteiligten eines Smart City-Projektes zu einem frühen Zeitpunkt, bringt alle Räder der intelligenten Stadt in Bewegung. Amsterdam hat den Schritt gewagt und nutzt nun das Potenzial, das eigentlich schon vorhanden war und nur angestoßen werden musste.


Wieviel Potenzial die deutsche Hauptstadt wiederrum in Sachen Smart City heute schon hat, will der Berliner Senat jetzt mit einer App „Discover Smart City Berlin“ zeigen, die den Nutzern sogenannte „intelligente“ Orte der Stadt entdecken lässt. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht nur die neue App, sondern auch die smarten Projekte – ob im Bereich Energie, Digitalisierung, Bildung oder in anderen Bereichen – in der Stadt sinnvoll gefördert und unterstützt werden, um auch die deutschen Städte Schritt für Schritt smarter zu machen. Was Amsterdam kann, sollten Städte wie Berlin, Hamburg oder München doch auch schaffen können!

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