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Digitalisierung & KI

Standpunkte Daten als Vermögenswerte sichtbar machen

Sprecher des Forschungsprojektes Future Data Assets
Sprecher des Forschungsprojektes Future Data Assets Foto: Atlantec

Das erforderliche Wissen, wie sich ihre Datenschätze bewerten und bepreisen lassen, fehlt KMU meist. Thomas Froese, Sprecher des Forschungsprojektes Future Data Assets, erklärt, wie Unternehmen die Verwertbarkeit ihrer Produktionsdaten für Big-Data-Projekte überprüfen und bestimmen können.

von Thomas Froese

veröffentlicht am 13.09.2023

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Börsen lieben Unternehmen, die hohe Gewinne erzielen und reichlich Dividenden ausschütten. Im digitalen Bereich gelingt das vor allem Tech-Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook und Apple. Auch wenn sie als Vorreiter bereits sehr früh damit begonnen haben, aus Daten neue, ertragreiche Geschäftsmodelle zu entwickeln, ist ihr Erfolgsrezept längst kein Geheimnis mehr. Beginnen kleine und mittlere Unternehmen damit, sich mit dem eigenen Datenkapital und der eigenen Datenstrategie zu beschäftigen, können sie darauf aufbauend neue Geschäftsentscheidungen treffen.

Zentral dafür sind zwei Erkenntnisse. Erstens: Auch kleine Unternehmen können profitable, datengetriebene Geschäftsmodelle und Produkte entwickeln. Zweitens: Selbst wenn ein Unternehmen über vermeintlich wenig Daten verfügt, lohnt es, diese als wirtschaftliche Ressource zu betrachten. Schon kleine Datenmengen können dabei helfen, die Qualität von Optimierungsprozessen, bestehenden Angeboten und Geschäftsmodellen zu verbessern. Denn Daten sind keineswegs vergleichbar mit anderen materiellen (Maschinen, Gebäude, Güter etc.) und immateriellen (Patente, Lizenzen, Markenrechte etc.) Assets. Ihnen lässt sich, betrachtet man sie nur für sich, kein Wert zusprechen. Dieser ergibt sich erst, wenn die Informationen, deren Träger sie sind, wirtschaftlich verwendet werden, wie wir in unserem Thesenpapier „Welchen Wert haben technische Daten in Bilanzen?“ detailliert beschreiben. Grob sind die typischen Datenanwendungen in drei Kategorien einteilbar:

Datenveräußerung (Datenmonetarisierung) – beispielsweise der Verkauf gesammelter Daten entlang der Verwertungskette eines Lebensmittels;Datenanalyse – mithilfe der Daten wird die Produktion des Lebensmittels besser auf die Nachfrage abgestimmt, um Überproduktion zu vermeiden (Prozessoptimierung);Gewährung von Nutzungsrechten an Daten – Serviceanbieter nutzen die Daten für Services, mit denen Händler ihre Bestellmengen optimieren können.

Der Wert von Daten ergibt sich erst durch die Nutzung

Erst vor dem Hintergrund dieser Nutzungskonzepte kann auch Rohdaten ein Wert zugesprochen werden. Wie hoch dieser ist, hängt davon ab, wie gut sich die Rohdaten für die angedachte Anwendung eignen und ob sie dazu beitragen, neues Know-how zu generieren. Der Erfolg der GAFA ist daher zu einem Gutteil darauf zurückzuführen, dass sie Datenstrategien entwickeln, mit denen sie das Potenzial ihres Datenkapitals freilegen.

Dieses Prinzip kann in der digitalen Wirtschaft von heute jedes Unternehmen für sich nutzen. Es stimmt zwar, dass für viele Datenanwendungen, etwa um KI in der Produktion zu nutzen, große Datenmengen zur Verfügung stehen müssen. Die meisten Unternehmen generieren jedoch bereits weit mehr Daten, als sie selbst vermuten. Zudem können sie notwendige Daten auch von Dritten erwerben und damit beispielsweise eigene KI-Anwendungen entwickeln.

Es lohnt sich für Unternehmen daher, sich mit dem eigenen Datenkapital und einer dazu passenden Datenstrategie zu beschäftigen. Die EU-Kommission geht davon aus, dass sich das weltweite Datenvolumen bis 2025 verfünffachen wird und schätzt, dass das EU-Bruttoinlandsprodukt durch die (smarte) Bewirtschaftung von Daten bis zum Jahr 2028 um bis zu 270 Milliarden Euro wachsen könnte. Diese Ertragsaussichten sollten künftig auch in den Unternehmensbilanzen abgebildet werden. Kreditvergaben oder Firmenverkäufe könnten sich auf diese Weise künftig auch am Wert der Daten ausrichten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Bewertung anhand verlässlicher und auch über Unternehmensgrenzen hinweg vergleichbarer Kriterien und Maßstäbe erfolgt.

Im Rahmen des vom BMWK geförderten Technologieprogramms „Smarte Datenwirtschaft“ haben wir uns damit beschäftigt, wie solche Kriterien und Maßstäbe für die verschiedenen Datenanwendungen aussehen sollten und wie die bislang verborgenen Markt- und Bilanzwerte von Daten sichtbar zu machen sind.

Im ersten Schritt muss sich ein Unternehmen Klarheit darüber verschaffen, welche Daten überhaupt vorhanden sind. Das lässt sich gut am Beispiel eines Produktionsbetriebs von Kunststofffolien verdeutlichen. Damit am Ende immer das gleiche, hochwertige Produkt entsteht, sind bei der Fertigung unter anderem technische Messwerte einzuhalten, beispielsweise chemische Störkomponenten, die richtige Raumtemperatur oder die Luftfeuchtigkeit bei der Verarbeitung. Für die Datenbilanzierung werden diese Messwerte, also das Know-how der Fertigung, in Form von Daten festgehalten. Sind diese Daten einmal dokumentiert, lässt sich auch betrachten, ob sie sich für verschiedene Anwendungsfälle eignen. Im Beispiel könnten, etwa um die Effizienz der Folienproduktion zu verbessern.

Datenqualität als entscheidender Faktor

Das Beispiel verdeutlicht auch, dass die Datenqualität für ihre Bewertung als immaterielle Vermögenswerte von zentraler Bedeutung ist. Die beiden wichtigsten Kriterien dafür sind Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit. Denn fehlen Daten oder stimmen sie nicht mit der physischen Realität überein, wird sich beispielsweise die mit diesen Daten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht so wiederholen lassen, dass dabei das gleiche hochwertige Produkt entsteht.

Mit dem Big Data Readiness Assessment haben wir ein Tool entwickelt, mit dem Unternehmen die Bereitschaft ihrer Daten, die Readiness, für Big-Data-Projekte abschätzen können. Es handelt sich dabei um einen Fragebogen mit einer automatisierten Auswertung. Ein Assistent führt durch die Themengebiete und ermittelt, wie hoch die aktuelle Big-Data-Reife des Unternehmens ist, wie viel Potenzial und Wertschöpfung bereits aus dem Datenschatz erschlossen wird und was zu tun ist, damit noch mehr aus den Daten herausgeholt werden kann.

Auch für nicht produzierende Unternehmen bietet das Projekt einen Mehrwert: Das erarbeitete Rahmenwerk für das Erstellen von Datenbilanzen ist in die neue Richtlinie VDI/VDE 3715 eingeflossen. Die Richtlinie wird voraussichtlich im April 2024 veröffentlicht und leitet Unternehmen an, wie sie ihr Datenkapital identifizieren, analysieren, messen und bewerten können. Zudem legt die Richtlinie Maßstäbe für das Erstellen von standardisierten Datenberichten fest, sodass Unternehmen künftig ihren Stakeholdern aussagekräftigere Informationen über ihr Datenkapital geben können.

Thomas Froese ist Ansprechpartner des Forschungsprojektes „Future Data Assets“ aus dem Technologieprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz „Smarte Datenwirtschaft“. Seit 2015 ist er Vorsitzender des Fachausschusses „Big Data“ in der VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik (GMA).

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