Methan ist das zweitwichtigste Treibhausgas. In seinem jüngsten Bericht hat der Weltklimarat IPCC die Bedeutung noch einmal herausgestellt: Methan (CH4) hat bereits 0,5 Grad zur globalen Erderhitzung beigetragen. Den Beitrag von Kohlendioxid (CO2) beziffert der IPCC auf 0,8 Grad. Was in der breiteren Öffentlichkeit für eine Überraschung gesorgt hat, ist Klimawissenschaft und Umweltverbänden nicht neu. Schon lange beklagen sie, dass Methan zu wenig Aufmerksamkeit erhält.
Im laufenden Jahr hatten bereits zwei weitere Studien klargestellt, dass Methan einen entscheidenden Anteil an der Klimakrise hat. Zunächst haben das Umweltprogramm der Vereinten Nationen und die Climate and Clean Air Coalition im Mai das „Global Methane Assessment“ vorgelegt. Etwas später folgte dann die Internationale Energieagentur (IEA) mit ihrer Studie „Net Zero by 2050“. Und nun eben noch der Weltklimarat IPCC. Gemeinsam haben die Studien, dass sie die großen Bedeutung von Methanreduktionen für den Klimaschutz herausstellen.
Strategien gegen Methanemissionen? Fehlanzeige
Um es auf den Punkt zu bringen: Ohne eine Reduktion der Methan-Emissionen wird es wohl nicht möglich sein, das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten. Gemessen an dieser Bedeutung ist es erstaunlich, welch geringe Aufmerksamkeit die Methanemissionen in der Politik erhalten. Besonders augenfällig: In den Wahlprogrammen der großen Parteien taucht noch nicht einmal der Begriff auf. Strategien fehlen, von Maßnahmen ganz zu schweigen.
Dieses Desinteresse der Politik am zweitwichtigsten Treibhausgas ist fatal: Denn schon schnell müssen Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen angestoßen werden. Die Minderung kurzlebiger Treibhausgase wie Methan ist insbesondere für die nächsten zehn Jahre wichtig. Sonst drohen wir Kipp-Punkte zu überschreiten, die das Klima nachhaltig verändern. In der EU sind solche Maßnahmen schon in Verhandlung. Spätestens bis zum Ende des Jahres möchte die EU-Kommission legislative Vorschläge zur Umsetzung ihrer Methanstrategie vorlegen. Eine neue Bundesregierung wird dann ebenfalls Flagge zeigen müssen.
Wichtig sind Reduktionsmaßnahmen vor allem in zwei Bereichen: In der Landwirtschaft sowie im Energiesektor. In Europa stammen über die Hälfte der menschengemachten Methanemissionen aus der Landwirtschaft, zum Großteil aus der intensiven Tierhaltung. Minderungsmaßnahmen stehen bereits jetzt zur Verfügung: So etwa ein höherer Anteil von Wirtschaftsdünger am Substrateinsatz in Biogasanlagen, der Umstieg auf robuste und langlebige Nutztierrassen sowie eine Reduzierung der Anzahl von Tieren je nach verfügbarer Fläche.
EU-Methanstrategien spart konkrete Maßnahmen aus
Leider wurde es bisher versäumt, die EU-Methanstrategie für die Umsetzung greifbarer Reduktionsmaßnahmen zu nutzen. Lediglich Forschung und Monitoring sollen demnach weiterhin durchgeführt werden. Bereits jetzt ist klar, dass dies allein keine Verringerung der Emissionen bringen wird. Daher müssen parallel bereits jetzt zusätzliche Reduktionsmaßnahmen auf den Weg gebracht werden.
Rein technische Maßnahmen reichen dabei schon lange nicht mehr aus. Es braucht mehr: Eine nachhaltige Transformation im Agrarsektor, insbesondere in der Tierhaltung. Eine Reduktion des Tierbestandes in dem derzeit durch Massenhaltung geprägten Sektor, mit mehr Platz auf gleicher Fläche, verringert nicht nur den Ausstoß klimapotenter Methanemissionen aus der Fermentation sowie anfallendem Wirtschaftsdünger, sondern verbessert auch das Tierwohl. Dies kann nur gelingen, wenn umstellungswillige Landwirte in die wirtschaftliche Situation gebracht werden, Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Hierbei können ökonomische Instrumente ein wichtiger Baustein sein, welche einen gesellschaftlichen Beitrag zur notwendigen Transformation im Agrarsektor leisten.
Auch im Energiesektor stehen Reduktionsmaßnahmen zur Verfügung, die schnell in die Umsetzung gebracht werden können. Laut IEA sind die meisten dieser Maßnahmen sogar wirtschaftlich profitabel. Mit anderen Worten: Die Beseitigung von Methanlecks spart den betroffenen Unternehmen Geld.
Eine der besten Möglichkeiten besteht dabei in der konsequenten Anwendung von Maßnahmen zur Erkennung und Reparatur von Lecks (Leak Detection and Repair – kurz LDAR). Laut IEA verspricht die Anwendung von LDAR das größte Potential und ist insbesondere im Upstream-Bereich die günstigste Option zur Leckbeseitigung. Grundlegende LDAR-Konzepte sind zudem vielerorts bereits industrielle Praxis, sollten aber erweitert und verbessert werden, um möglichst viele Lecks zu finden und zu schließen.
Bessere Leckage-Erkennung und Abgabe auf Methan
Zudem kann die Implementierung effektiver Maßnahmen zur Überwachung, Berichterstattung und Prüfung von Emissionen (Monitoring, Reporting and Verification – kurz MRV) dafür sorgen, dass Lecks öfter und schneller erkannt werden. Dies ist auch in Hinblick auf die Frage entscheidend, wie hoch die Methanemissionen der Industrie überhaupt sind, denn die derzeit vielerorts verwendeten Methoden zur Schätzung und Berechnung von Methanemissionen werden der Realität nicht gerecht. Es braucht echte Messungen im Rahmen eines umfassenden MRV-Konzeptes, um Messdaten zu erheben und Emissionen entsprechend nachhaltig zu senken. Auch ein Verbot von regelmäßigem, beabsichtigtem Ablassen (Venting) und Abfackeln (Flaring) von Erdgas birgt enormes Potenzial, um Emissionen zu reduzieren.
Darüber hinaus braucht es die Einführung einer Methanabgabe: Diese Abgabe muss auf konservativen Schätzwerten zur Methanintensität beruhen. Werden diese Schätzwerte durch unabhängige und überprüfbare Messungen nachweislich unterschritten, kann die Abgabe entsprechend geringer ausfallen. Diese Methanabgabe muss auch für den Import von Erdgas aus Nicht-EU-Staaten gelten. Zusätzlich sollte ein Schwellenwert eingeführt werden, bei dessen Überschreitung der Import des Erdgases untersagt wird. Dieser Schwellenwert sollte jährlich abgesenkt werden, um eine zusätzliche ordnungsrechtliche Reduktion aller Methanemissionen abzusichern.
Ein Schlüssel ist die Verbesserung der Datengrundlage. Stichprobenartige Messungen der DUH zeigen, dass in Deutschland und Europa zahlreiche unentdeckte Methanlecks an der Erdgasinfrastruktur existieren. Diese Emissionen tauchen bisher in den nationalen Inventaren und den Unternehmensbilanzen nicht auf. Hier ist eine stärkere Kontrolle und Regulierung gefragt – aber auch ein größeres Engagement der Branche, diese Lecks zu finden und die Emissionen abzustellen.
Unterm Strich bleibt ein großer Handlungsbedarf – sonst werden wir das 1,5 Grad-Ziel nicht erreichen. Es braucht dringend Ziele und Reduktionsmaßnahmen in Landwirtschaft, Energiesektor und Abfallwirtschaft. Methan gehört ganz oben auf die Agenda – in Ministerien und in Vorstandsetagen. Das zweitwichtigste Treibhausgas darf nicht länger ein Nischendasein fristen.
Constantin Zerger leitet bei der Deutschen Umwelthilfe den Bereich Energie und Klimaschutz, Jens Hürdler ist bei der DUH Projektmanager für Verkehr und Luftreinhaltung.