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Energie & Klima

Wasserstoff-Infrastruktur Gasnetzbetreiber warnen vor Risiken bei Finanzierung des H2-Kernnetzes

Den Betreibern des Wasserstoffnetzes werden höhere Risiken bei der Finanzierung zugemutet als anderen Infrastrukturprojekten, klagen die Gasverteilnetzbetreiber. In der Bundestagsanhörung zum Finanzierungsrahmen des Wasserstoffnetzes forderten sie eine Absenkung des geplanten Selbstbehalts.

Sandra Kirchner

von Sandra Kirchner

veröffentlicht am 22.02.2024

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Beim Aufbau des Wasserstoffnetzes steht Deutschland unter Druck. Schon in acht Jahren soll das Kernnetz wesentliche Wasserstoffproduzenten und -verbraucher sowie Wasserstoffspeicher verbinden. Dann soll das etwa 9700 Kilometer lange Netz fertig sein. Doch die Leitungen müssen in Rekordgeschwindigkeit gebaut werden, auch die Kapazitäten zur Erzeugung von grünem Wasserstoff fehlen noch. "Wir haben nicht nur ein Henne-Ei-Problem, wir haben noch nicht mal ein Nest oder einen Hahn", beschrieb Gabriel Clemens von Eon die Situation. Auch die Finanzierung des Netzausbaus ist nicht abschließend geklärt.

Bei der Anhörung zum dritten Änderungsgesetz zum Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) im Klimaschutz-Ausschuss des Bundestags stieß die geplante privatwirtschaftliche Finanzierung der Wasserstoffinfrastruktur weitgehend auf Zustimmung. Die geladenen Expert:innen waren der Meinung, dass das vorgesehene Finanzierungsmodell grundsätzlich funktioniert. Der Aufbau und Betrieb des Kernnetzes soll über ein bundesweit einheitliches Netzentgelt finanziert werden, das von den Nutzern bezahlt werden soll.

Investitionen ins H2-Netz gegenüber anderen Infrastrukturen benachteiligt

Rund 20 Milliarden Euro soll der Aufbau des Kernnetzes kosten. Allerdings befürchten die Netzbetreiber, dass der Kapitalmarkt möglicherweise kein Interesse an den dringend benötigten Investitionen in das Wasserstoffnetz haben könnte. Die Bedingungen für Investitionen in Infrastrukturbereiche wie Strom seien attraktiver, beklagten etwa die Vertreter:innen der Gasnetzbetreiber Eon, Thyssengas und EnBW einstimmig. Bei Investitionen in Strom gebe es stattdessen eine höhere Verzinsung sowie kein Hochlaufrisiko und keinen Selbstbehalt.

Die Risikobewertung für Investoren muss aus Sicht der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas) deshalb verbessert werden. "Zur Reduzierung der Risiken gehört die Absenkung des Selbstbehaltes auf 15 Prozent sowie die Herausnahme der Umstellungsleitungen aus der Selbstbehaltsregelung", sagte FNB-Gas-Geschäftsführerin Barbara Fischer. Mit dem Selbstbehalt sollen die Gasnetzbetreiber an den Risiken des Netzaufbaus beteiligt werden.

Wenn das geplante Amortisationskonto zur Finanzierung des Hochlaufs bis 2055 oder bei einer vorzeitigen Kündigung durch den Bund einen Fehlbetrag aufweist, soll der Bund dies ausgleichen. Bei negativem Saldo sollen die Kernnetzbetreiber einen Selbstbehalt am Fehlbetrag des Amortisationskontos tragen. Der Gesetzesentwurf sieht derzeit einen Selbstbehalt von 24 Prozent vor.

Auf Nachfrage betonten Markus Baumgärtner von EnBW und Gabriel Clemens von Eon, dass kein Selbstbehalt für die Gasnetzbetreiber ideal wäre. Der vom Bundesrat vorgeschlagene Wert von 15 Prozent sei jedoch ein guter Kompromiss (Tagesspiegel Background berichtete). Sebastian Heinermann von der Initiative Energien Speichern (INES) sprach sich gegen eine Senkung des Selbstbehalts aus. Der Selbstbehalt sende ein klares Marktsignal, so Heinermann. Es sei ein angemessenes Mittel, um die Netze bedarfsgerecht zu entwickeln.

Dem Verband kommunaler Unternehmen fehlt ein vergleichbares Finanzierungsmodell für die Verteilnetzbetreiber (VNB). Auch für die Wasserstoffprojekte der Verteilnetzbetreiber müsse ein investitionsfreundlicher Finanzierungsrahmen geschaffen werden, forderte der VKU.

Netzausbau strecken, um Leerlauf zu verhindern

Benjamin Pfluges von der Fraunhofer-Einrichtung für Energiestrukturen und Geothermie wertete die derzeitige mangelnde Kapitalfähigkeit als deutliches Warnsignal des Marktes. Das vorgeschlagene Kernnetz sei zwar nicht zu groß, aber es bestehe das Risiko von Leerlauf, wenn das Netz frühzeitig auf große Bedarfe ausgelegt werde. Es sei fraglich, ob bis 2032 ausreichende Kapazitäten zur Erzeugung und Speicherung von Wasserstoff geschaffen werden könnten. Auch die Bedarfe würden deutlich überschätzt, sagte Pfluges mit Blick auf die verringerten Kapazitäten in der kürzlich vorgelegten Kraftwerksstrategie (Tagesspiegel Background berichtete). Daher sollte die Netzplanung nochmal überprüft und der Netzausbau gestaffelt und gestreckt werden.

Die kommunalen Energieunternehmen sind erwartungsgemäß gegen diesen Vorschlag. Matthias Dümpelmann von 8KU zitierte den Buchtitel 'You can't shrink your way to greatness': "Entweder wir machen uns hier auf den Weg, ein groß angelegtes Infrastrukturprojekt umzusetzen, da kann man sich aber nicht zur Größe schrumpfen", sagte Dümpelmann.

Vor allem in wirtschaftsstarken Regionen besteht die Befürchtung, dass wichtige Industriestandorte nicht an das zukünftige Wasserstoffnetz angeschlossen werden. 72 Prozent der Unternehmen im EU-Emissionshandel ETS würden nicht über das Kernnetz erreicht, warnte Eon-Vertreter Clemens. Daher sei es besonders wichtig, dass das Anschlussnetz schnell ausgebaut werde.

Laut Gesetzesentwurf sind die Fernleitungsnetzbetreiber alle zwei Jahre dazu verpflichtet, einen Szenariorahmen und einen Netzentwicklungsplan für das Wasserstoffnetz zu erstellen. Die Gasverteilnetzbetreiber möchten jedoch auch ein Mitspracherecht haben, ihre Transformationspläne sollen in die Netzentwicklungsplanung einbezogen werden.

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