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Gesundheit & E-Health

Gesundheitsdaten Chicago betreibt einen Atlas für Gesundheitsdaten

Die US-Metropole Chicago nutzt öffentliche Daten, um die Gesundheit in ihren Stadtvierteln zu analysieren. Dafür hat die dortige Verwaltung ein eigenes Kartierungstool entwickelt. Lokale Projekte in Stadtteilen orientieren sich an den Ergebnissen aus dem Gesundheitsatlas.

Bild Londene

von Madeleine Londene

veröffentlicht am 31.05.2023

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Wie steht es um die Gesundheit in der eigenen Stadt? Chicago hat hierfür das Kartierungstool und die Datenplattform „Chicago Health Atlas“ ins Leben gerufen. Dort können Informationen über den Gesundheitszustand der Bewohner:innen aus unterschiedlichen Stadtvierteln abgerufen werden. Der Atlas, der 2013 an den Start ging, soll politischen Entscheidungsträger:innen, Expert:innen des öffentlichen Gesundheitswesens und anderen Interessierten detaillierte Information über die gesundheitlichen Herausforderungen in allen 77 Gemeinden Chicagos aufzeigen und dabei helfen, mögliche Lösungen hierfür zu finden. Die Anwendung steht den Nutzer:innen kostenlos zur Verfügung.

Für die Nutzung des Health Atlas ist keine Registrierung notwendig. Wer eine Suche auf der Website startet, kann zunächst einen Stadtteil und ein Schlagwort eingeben und kann dann die Ergebnisse anschließend benutzerdefiniert filtern. Zu den insgesamt 334 Indikatoren zählen die Oberkategorien „klinische Versorgung“, „Umwelt“, „Übergewicht“, „sozioökonomische Faktoren“, „Gesundheitsverhalten“, „Demografie“ und „Sterblichkeit“, die alle jeweils Unterkategorien besitzen. Wer zum Beispiel Schlagworte, wie „Übergewicht bei Erwachsenen“, „sexuelle Übergriffe auf High-Schools“ oder „Sterblichkeitsrate bei Herzkrankheiten“ eingibt, wird zu einer Karte weitergeleitet, die den ausgewählten Stadtteil mit den dazugehörigen Daten anzeigt. Dieser kann mit den Daten anderer Stadtteile in Chicago verglichen werden. Zu den Ergebnissen gibt es jeweils passende Diagramme, Graphen und Tabellen. Die Ergebnisse können in Form von einem Bild, einer Karte, einem Diagramm oder als Datensatz heruntergeladen werden.

Der Atlas wird auf einem cloudbasierten AWS-Server gehostet. Die Daten enthalten keine Informationen, über die sich Personen identifizieren lassen könnten. Sie stammen aus öffentlichen Gesundheitsdatenquellen, wie beispielsweise Vitalstatistiken des Illinois Department of Public Health, Krebsregister- und Krankenhausentlassungsdaten, Gesundheitsdaten der Chicago Public Schools, aus dem Healthy Chicago Survey, Gesundheitsüberwachungssystemen des CDPH, Kriminalitätsdaten des Chicago Police Department, Unfalldaten es Chicago Department of Transportation, Volkszählungen und vielen mehr. Einen Überblick über alle beteiligten Institutionen gibt es hier.

Die Datensätze des Atlas wurden seit 2013 von mehr als 150.000 Nutzer:innen aufgerufen. Das Projekt wurde 2020 mit dem Chicago Innovation Award ausgezeichnet und dieses Jahr mit dem Smart 50 Award.

Wer finanziert das Projekt und wer sind die Projektpartner?

Der Chicago Health Atlas ist ein Projekt, das gemeinsam vom Chicago Department of Public Health Office of Epidemiology (CDPH) und dem PHAME Center der University of Illinois at Chicago verwaltet wird. Der Softwareentwickler Metopio kümmert sich um das Hosting der Plattform. Das Projekt wird durch das Sprague Memorial Institute finanziert.

Die USA haben das sogenannte HIPAA („Health Insurance Portability and Accountability Act“) eingeführt, das den Schutz von Gesundheitsdaten regelt. HIPAA legt Standards für den Datenschutz und die Sicherheit von Gesundheitsinformationen fest und schützt die Vertraulichkeit von Patientendaten. Es gibt jedoch bestimmte Ausnahmen, bei denen Gesundheitsdaten in den USA öffentlich zugänglich gemacht werden können, wie zum Beispiel für Forschungszwecke oder statistische Analysen, solange die Daten anonymisiert oder aggregiert werden, um die Privatsphäre der einzelnen Patienten zu schützen.

Was waren die Herausforderungen?

Mit jedem der Partner, die ihre Daten an den Chicago Health Atlas freigeben, schloss das CDPH individuelle Vereinbarungen zum Teilen der Daten ab. Das sei sehr aufwändig gewesen, so Nikhil Prachand, Direktor für Epidemiologie des Office of Epidemiology am CDPH. In den Vereinbarungen stehe zum Beispiel, dass das CDPH die Daten, die jährlich zur Verfügung gestellt werden, nicht an Dritte weitergeben darf. Außerdem müssen alle Daten anonymisiert werden. Das wiederum führe dazu, dass Einzelfälle im Atlas nicht dokumentiert werden können, da die Gefahr sonst zu groß wäre, Rückschlüsse auf eine bestimmte Person zu ziehen.

Zu Projektbeginn mussten sich die Epidemiologen des Office of Epidemiology des CDPH selbst um das Abschließen der Vereinbarungen und das Einpflegen der Daten kümmern. Mittlerweile habe das CDPH eine eigene Rechtsabteilung, die sich um Datenstandardisierung und das regelmäßige Erinnern der Projektpartner, die Daten auch rechtzeitig zu liefern, kümmert. „Das nimmt uns enorm viel Arbeit ab“, so Prachand. Das Einpflegen der Daten erfolge nicht automatisch, sondern weiter händisch. Allerdings bekäme das Office of Epidemiology jetzt bei dieser Arbeit Unterstützung von anderen Abteilungen des CDPH. Diese würden extra Schulungen von den über 50 Epidemiolog:innen erhalten, die am CDPH arbeiten.

Was waren die größten Lektionen?

Die Anfragen vonseiten der Bevölkerung zu Bereichen der öffentlichen Gesundheit konnten außerdem durch den Chicago Health Atlas stark reduziert werden, was das CDPH entlasten würde. Vor allem auf der Seite der Stadt gab es zu Projektbeginn aber Widerstand. Als Prachand und seine Kolleg:innen das Projekt 2013 vorstellten, hätten einige Vorsitzende der Stadt mit dem Kopf geschüttelt und gesagt, warum das CDPH denn „schlechte Nachrichten“, wie Zahlen zu chronischen Krankheiten und sexuellen Übergriffen, über die Stadt verbreiten wollen würden. Das würde keinen guten Eindruck von Chicago vermitteln.

„Doch gerade das Sichtbarmachen und Auseinandersetzen von Missständen ist ja entscheidend, um Lösungsansätze für Probleme zu finden“, betont Prachand. Später zeigten sich die Vorsitzenden der Stadt mehr kollaborativ gegenüber dem Chicago Health Atlas. „Für eine erfolgreiche Projektdurchführung ist immer auch eine offene Regierung notwendig, die Lust auf Wandel hat“ fügt der Direktor für Epidemiologie hinzu.

Welche anderen Initiativen entstanden durch den Chicago Health Atlas?

Im Rahmen des Chicago Health Atlas entstanden sechs sogenannte „Healthy Chicago Equity Zones“, die insbesondere schwarze und lateinamerikanische Gemeinden in den Fragen „Zugang zu Gesundheitsversorgung, Zugang zu Lebensmitteln, Wohnverhältnisse und Sicherheit in den Gemeinden“ unterstützen sollen. Für das Errichten der Equity Zones stellten die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) 9,6 Millionen Dollar zur Verfügung. Das Besondere an den Equity Zones ist, dass sich auch Menschen aus den Gemeinden einbringen und äußern können, was ihnen in ihrem Stadtteil hinsichtlich ihrer Gesundheit wichtig ist oder was fehlt. Der Chicago Health Atlas ist dabei das zentrale Tool, das den Entscheidungsträger:innen der Equity Zones hilft, Jahrespläne für die Kommune zu erstellen und ihnen aufzeigt, welche Prioritäten sie hinsichtlich der Gesundheit ihrer Bevölkerung setzen sollten.

In den vergangenen Jahren habe es in den Equity Zones bereits eine siebenteilige „data academy“ gegeben, die von erfahrenen Epidemiolog:innen und Datenwissenschaftler:innen des CDPH geleitet wurde und Interessierten den Umgang mit dem Health Atlas beibrachte und aufzeigte, wie daraus weitere Projekte abgeleitet werden können.

Wie geht es mit dem Projekt weiter?

Viele weitere Abteilungen der Stadt Chicago würden den Chicago Health Atlas regelmäßig nutzen, um die Bevölkerung bestimmter Stadtteile und deren demografischen Zusammensetzung besser zu verstehen und sozioökonomische Entscheidungen zu Bildung, Transport und Stadtplanung zu treffen, so Prachand. Auch im akademischen Bereich, zum Beispiel von Student:innen und Professor:innen, würde der Chicago Health Atlas viel genutzt und zitiert werden. In Zukunft möchte der Chicago Health Atlas mehr Schulungen und Datenakademien sowie mehr benutzerdefinierte Optionen und analytische Tools anbieten. 

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