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Gesundheit & E-Health

Zukunftsforschung Corinna Mühlhausen

Corinna Mühlhausen, Trend- und Zukunftsforscherin im Bereich Gesundheit am Zukunftsinstitut
Trend- und Zukunftsforscherin im Bereich Gesundheit am Zukunftsinstitut Foto: Matthias Moeller-Friedrich

von Antonia Dittrich

veröffentlicht am 16.04.2020

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Seit mehr als 20 Jahren erforscht Corinna Mühlhausen, was Menschen unter dem Begriff Gesundheit verstehen, warum es für viele der wichtigste Wert ist und welche Gesundheitstrends die Zukunft bestimmen. „Healthstyle“ ist ein Trendbegriff, den Mühlhausen geprägt hat. Dabei geht es um eine bewusste Lebensweise, bei der die Gesundheit im Zentrum steht. „Ohne Gesundheit funktionieren wir alle nicht, das merken wir dieser Tage extrem schmerzlich“, sagt sie mit Blick auf die Corona-Krise.

Per Zufall sei sie in die Trend- und Zukunftsforschung gerutscht, erzählt die gelernte Diplom-Kommunikationswirtin. Ihr Fokus liegt auf dem Menschen und seinen Bedürfnissen. „Interessanterweise gibt es extrem wenig Forschung dazu, was Menschen wirklich meinen, wenn sie von Gesundheit sprechen“, sagt sie. Mit ihrer Arbeit schließt Mühlhausen diese Lücke und führt seit 2000 repräsentative Marktforschungen durch. Dabei stellte sie fest, dass sich immer wieder Gesundheitstrends entwickeln können.

In einem Health Report hat die 49-Jährige erstmals solche Trends beschrieben und für 2020 vorausgesagt. Dabei sticht „Germophobia“ geradezu ins Auge. „Die Angst vor Keimen haben wir tatsächlich vorweg gesehen, ohne jedoch die jetzigen Dimensionen nur ahnen zu können“, sagt Mühlhausen. Die Menschen wünschten sich Keimfreiheit, aber auch die Lösung des Problems der zunehmenden Antibiotikaresistenz durch die Produktion neuer Medikamente und Desinfektionsmittel.  

Vertrauen in neue Technologien

Was ist mit dem Trend zur Digitalisierung? Technologie oder innovative Geräte alleine seien „nicht das, was die Digitalisierung der Gesundheit vorantreiben wird“, meint die Forscherin. Die wichtigste Voraussetzung dafür sei vielmehr Vertrauen. Die Patienten wollten sicher sein, dass mit ihren Daten sorgsam umgegangen wird. Allerdings sehe man in der Corona-Pandemie nun auch, „dass es keinen großen Aufschrei gibt, dass die Telekom dem Robert Koch-Institut unsere Handy-Daten zur Verfügung stellt“. Das liege daran, dass Menschen mit hohem Leidensdruck sehr offen mit ihren Daten umgingen. Ein Phänomen, das in der Forschung schon lange erkennbar sei.

Gleichwohl müsse man in Zukunft das Digitale mit dem Menschlichen verbinden, die Kombination zwischen Hightech und High Touch schaffen, beharrt Mühlhausen. Großes Potential habe auch die individualisierte Medizin, also beispielsweise die Behandlung mit Medikamenten, die gezielt für Männer, Frauen und Kinder entwickelt werden. Und ein weiterer Trend sei „CleanMeds – Medizin ohne Zusatzstoffe“.

Die Wissenschaftlerin wünscht sich, dass aus der Pandemie gewisse Lehren gezogen werden. Es brauche einerseits ein stärkeres Bewusstsein hinsichtlich der eigenen Gesundheit, andererseits Verständnis dafür, dass kürzere Lieferketten und lokale Produktion von großer Bedeutung sind. Die Politik könne das steuern und das Gesundheitssystem wie auch die Wirtschaft so für zukünftige Krisen rüsten.

Auch die Ökonomisierung des Gesundheitswesens gehöre auf den Prüfstand, am besten schon jetzt in dieser Krise, betont Mühlhausen. „Ich finde, es ein Unding, dass man versucht hat, in den vergangenen Jahren ein Gesundheitssystem aufzubauen, das am Ende nur daran gemessen wird, ob es Gewinne erwirtschaftet.“ Deshalb solle die Politik einen finanziellen Puffer einbauen, um dem medizinischen Personalbedarf, Herstellern und Zulieferern entgegenzukommen.  

Auch Architektur ist wichtig für Patienten

Die Zukunft des Gesundheitswesens bedeute aber nicht nur Digitalisierung, sondern auch angepasste Architektur. Als Gastprofessorin der Technischen Hochschule Lübeck gibt Mühlhausen angehenden Architekten ihr Wissen weiter. Kliniken so zu bauen, dass sie erträglicher, bedürfnisorientierter und menschenfreundlicher würden, sei ein wichtiger Aspekte von sogenannter Healing Architecture. Stolz ist die Forscherin daher, dass ihre Studierenden mit dem Entwurf eines Notfallzentrums den zweiten Platz eines Architekturwettbewerbs gewonnen haben.  

Covid-19 zwingt die Menschen gerade zur Entschleunigung und zum Verzicht auf Leistung. Für Mühlhausen stellt sich jetzt die Frage: „Wenn wir alle wieder raus dürfen, nehmen wir unseren alten Lebensstil wieder auf?“ Sie scheint nicht überzeugt, dass die Bürger danach mit ihrer Gesundheit anders umgehen und ihr Verhalten nachhaltig ändern. Vieles deute darauf hin, dass Menschen schnell wieder in alte Muster verfielen, sagt die Wissenschaftlerin. „Aber ich lasse mich gerne überraschen.“ Antonia Dittrich 

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