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Cybersecurity

Staatstrojaner Verfassungsbeschwerde gegen Staatstrojaner-Regelung

veröffentlicht am 11.07.2022

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Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den im Artikel 10-Gesetz (G10) geregelten Einsatz von Staatstrojanern durch deutsche Nachrichtendienste erhoben. Die Neuregelung vom Juli 2021 erlaube allen 19 Nachrichtendiensten verschlüsselte Kommunikation auszulesen. Wie aus der Pressemitteilung der GFF vom vergangenen Freitag hervorgeht, fürchten die Beschwerdeführer:innen – darunter Journalist:innen und Rechtsanwält:innen – eine Überwachung ihrer verschlüsselten Kommunikation.

„Die G10-Anpassung setzt den gefährlichen Trend der letzten Jahre fort: Neue technische Überwachungsmöglichkeiten für alle Behörden – ohne Notwendigkeit, ohne Rücksicht auf gefährdete Grundrechte, ohne ausreichende Kontrolle“, wird Jürgen Bering, zuständiger Jurist bei der GFF, zitiert. „Eine Abwägung des tatsächlichen Nutzens von Staatstrojanern mit den grundrechtlichen Risiken findet gar nicht erst statt. Das wäre aber gerade für den Einsatz durch Geheimdienste zentral, deren Befugnisse im Vorfeld von Straftaten sehr vage definiert und kaum kontrollierbar sind.“

Die G10-Regelungen greifen tief in verschiedene Grundrechte ein, kritisiert die GFF. Allen voran sei der Schutz des sogenannten Fernmeldegeheimnisses gefährdet. Da der Zugriff heimlich stattfinde und in der Regel auch später nicht offengelegt werde, können sich Betroffene nicht wehren. Da die Geräte nicht nur auf laufende Unterhaltungen zugreifen könnten, sondern auch auf bereits gespeicherte Kommunikationsdateien, werde zudem das sogenannte IT-Grundrecht verletzt. Dieses schützt Menschen vor einer Veränderung ihrer technischen Geräte und deren Programmen.

Die Nutzung von Staatstrojanern gefährde dieses Grundrecht auch noch aus einem weiteren Grund: Der Staat schaffe so selbst Anreize dafür, dass IT-Sicherheitslücken offenbleiben – anders könne die Software oft nicht installiert werden. Gleichzeitig treffe ihn aber eine Schutzpflicht – Er müsste derartige Sicherheitslücken aufdecken und infolge schließen lassen.

„Der Staat muss vor IT-Sicherheitslücken schützen und darf sie nicht für eigene Spähsoftware offenhalten. Muss Deutschland erst selbst im Zentrum eines desaströsen Cyberangriffs wie WannaCry 2017 stehen, damit die Zuständigen aufwachen?“ fragt Ulf Buermeyer, Vorsitzender der GFF und freier Journalist. Genau wie die vom NSU2.0 betroffene Anwältin Seda Başay-Yıldız und Jean Peters, Journalist und Aktionskünstler des Kollektivs „Peng!“, gehört er zu den Beschwerdeführer:innen.

Die Beschwerde greift zusätzlich das erweiterte Informationssystem der Nachrichtendienste an. Wie die GFF mitteilt, speisen alle Verfassungsschutzbehörden und jetzt auch der militärische Abschirmdienst Informationen in die Verbunddatei ein und stellen sie damit den anderen Diensten zur Verfügung. Das Risiko sei groß, dass es bei dieser enormen Datensammlung zu Missbrauch komme.

Die GFF konnte bereits im April mit dem Grundsatzurteil zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz einen großen Sieg gegen ausufernde Überwachungspraktiken der Nachrichtendienste erringen. Die Verfassungsbeschwerde knüpft an diesen Erfolg an. Die GFF fordert, dass die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen auch auf das weitere Nachrichtendienstrecht erstreckt werden müssen. joi

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