Mit dem anhaltenden Trend zu „Digital First“ wird die Übertragung von Dienstleistungen in den digitalen Raum auch in den Schweizer Verwaltungen zunehmend wichtig. Gleichzeitig zeigen Studien, dass der digitale Graben in der Bevölkerung immer größer wird und immer mehr Personen von digitalen Services ausgeschlossen sind.
In der Stadt Zürich sind wir davon überzeugt, dass bei der Entwicklung und Optimierung von Dienstleistungen die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen und -schichten berücksichtigt werden müssen. Dies gilt auch für Personen, die keinen regelmäßigen Zugang zu digitalen Medien haben, über begrenzte digitale Kompetenzen verfügen oder sprachliche Hürden bewältigen müssen.
Die konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer ist für die Entwicklung hin zu einer durchgehend nahtlosen und benutzerfreundlichen Verwaltung unerlässlich. Allerdings stellt die Rekrutierung von Testpersonen mit spezifischen Profilen für viele Projekte eine besondere Herausforderung dar. Denn Rekrutierungspools für Testpersonen weisen oft eine Lücke bei solchen spezifischen Profilen auf.
Deshalb haben wir in der Stadtentwicklung entschieden, einen eigenen, digitalen Testpersonen-Pool aufzubauen, um den Einbezug von Nutzer und Nutzerinnen aus allen Altersgruppen, sozialen Schichten und mit jeder Herkunft zu vereinfachen.
Aufbau eines eigenen Pools für seltene Testpersonen
In Zusammenarbeit mit dem 2015 in Zürich gegründeten Unternehmen Testing Time soll es zukünftig möglich sein, Testpersonen zum Beispiel für Usability Testings einfach zu finden. Dafür werden zunächst bestimmte Bevölkerungsgruppen angeworben und auf eine digitale Plattform zur Registrierung geführt. Bestimmte Merkmale wie das Alter, die Sprache oder die Vertrautheit und Nutzung von verschiedenen städtischen Dienstleistungen werden dabei erfasst und persönliche Profile unter strikter Einhaltung der Datenschutzrichtlinien erstellt. Bei Bedarf können die Testpersonen dann später kontaktiert und für Nutzerforschung in konkreten Projekten rekrutiert werden.
Erreichbarkeit und Zugang als große Hürde
Als Stadt stehen wir direkt und indirekt in Kontakt mit vielen Personen, die sich selten aktiv am öffentlichen Diskurs beteiligen oder in ihrem sozialen Umfeld eher zurückhaltend sind. Die Unterstützung dieser Menschen zu gewinnen, ist nicht einfach. Um einen geeigneten Pool von Testpersonen aufzubauen, werden wir daher verschiedene Abteilungen der Stadt Zürich in das Pilotprojekt involvieren. Diese Abteilungen verfügen bereits über Erfahrung im Umgang mit den gesuchten Testpersonen und haben ein gewisses Vertrauen zu ihnen aufgebaut. Zum Beispiel unterstützt die Jugendarbeit bei der Kontaktaufnahme zu jungen Menschen, die Gesundheitszentren fürs Alter vermitteln interessierte ältere Menschen, und die Sozialämter tragen dazu bei, dass auch die Stimmen gesellschaftlich Benachteiligter im Pool der Testpersonen vertreten sind.
Zusammenarbeit mit Partnern aus der öffentlichen Verwaltung
Weil das Interesse an den Meinungen von schwer erreichbaren Personen nicht nur bei uns in der Stadt Zürich besteht, und zudem organisatorische und finanzielle Synergien genutzt werden sollen, arbeiten wir mit unterschiedlichen Partnern aus der öffentlichen Verwaltung zusammen. Im Jahre 2024 starten wir in der Stadtentwicklung den Pilotversuch mit Unterstützung des Smart City Hub Switzerland gemeinsam mit der Stadt Winterthur und den Kantonen St. Gallen und Thurgau. Das Interesse der häufig sehr nach innen gerichteten Verwaltungen ist groß. Gespräche mit weiteren möglichen Partnern sind bereits im Gang und eine Ausweitung des Pilotprojekts scheint nur eine Frage der Zeit.
Neuer Fixpunkt in der Verwaltungskultur
Unsere Erwartungen sind hoch: Wir möchten den eigenen Testpersonen-Pool nutzen, um in Zukunft ein noch tieferes Verständnis der vielfältigen Bevölkerungsgruppen in der Stadt Zürich zu bekommen und den Mehrwert von städtischen Dienstleistungen für alle zu erhöhen. Der eigene Testpersonen-Pool ist für uns aber noch viel mehr als ein nützliches Arbeitsinstrument: Durch seine breiten Einsatzmöglichkeiten in städtischen Projekten hat er das Potenzial, einen festen Draht zwischen der Verwaltung und der Bevölkerung sicherzustellen. Und die ganze Verwaltung somit auf ihrem Weg zur modernen Dienstleisterin zu unterstützen.
David Weber ist Leiter Smart City Zürich und hat diesen Teilbereich der Abteilung Stadtentwicklung in der Zürcher Stadtverwaltung ab 2020 aufgebaut. Zuvor war er Projektleiter der Wirtschaftsförderung der Stadt und beschäftigte sich dort unter anderem mit Sharing-Economy-Modellen. Weber organisierte zudem Open-Innovation-Projekte in der Schweiz und international. Er studierte in Zürich, Monterrey, Madrid und New York Geschichte, Wirtschaft, Politik und Innovationsmanagement.
Bisher von ihm in dieser Rubrik erschienen: „Nutzendenzentrierung als Schlüssel zur Smart City“, „Citizen Science für Smarte Städte nutzen“ „Die Arbeit an der smarten Stadt beginnt erst so wirklich“ und „Nun sag', wie hast du's mit den E-Scootern?“