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Werkstattbericht Projektmanagement: Zwischen Begeisterung und Widerstand

Ulrike Huemer berichtet aus dem kommunalen Alltag der Stadt Linz.
Ulrike Huemer berichtet aus dem kommunalen Alltag der Stadt Linz. Foto: Lukas Beck

Nicht alle Behördenverfahren sollten klassisch in der Linie abgearbeitet werden, schreibt Ulrike Huemer, die Chefin der Verwaltung der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz. Für besondere Anträge, zum Beispiel Anlagengenehmigungen, sei es sinnvoller, auch mal Projektmanagement als Arbeitsmethode zu etablieren.

von Ulrike Huemer

veröffentlicht am 23.05.2023

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Linz ist bekanntlich eine Industriestadt und die Stadtverwaltung ist vor diesem Hintergrund laufend mit sehr komplexen Anlagengenehmigungsverfahren befasst – eine Debatte, die aktuell ja auch in Deutschland intensiv geführt wird. In diesen Verfahren sind aufgrund der Linzer Aufbauorganisation der Verwaltung Abteilungen beziehungsweise Mitarbeiter:innen unterschiedlicher Geschäftsbereiche involviert. Dies führt dazu, dass zahlreiche Schnittstellen und Abstimmungen erforderlich sind.

In der Vergangenheit war der Antragstellende deshalb damit konfrontiert, dass er seinen Antrag auf Neugenehmigung zwar an einer Stelle eingereicht hat, dann aber in der Folge noch zahlreiche andere Ansprechpartner:innen aus verschiedensten Bereichen wie Wasser, Bautechnik oder Umwelttechnik abarbeiten beziehungsweise adressieren musste. Es galt in gewisser Weise also der Grundsatz, dass die Wirtschaft läuft und nicht die Akten. Dies hat natürlich zu Beschwerden geführt und die Industrie sah sich nicht gut von der Verwaltung betreut.

Neue Methoden in klassischen Verfahren

Da brachte ich Projektmanagement als Arbeitsmethode im klassischen behördlichen Arbeitsbereich ins Spiel, was durchaus zu Irritation und Widerständen führte. Projektmanagement war bisher eher bei der Abwicklung von IT-Projekten eine bekannte Methode sowie bei Bauprojekten, aber auch hier war die Kompetenz wenig ausgeprägt. Ich ging sehr naiv in das Thema und meinte, die Vorteile liegen auf der Hand, wenn wir in Zukunft komplexe Anlagenverfahren als Vorhaben im Sinne des Projektmanagements abwickeln.

Dabei ist es mir wichtig zu betonen, dass ich nicht bei jedem Anlageverfahren an die Abwicklung durch Methoden des Projektmanagements gedacht habe. Sondern bei Anlageverfahren, die im Industriegebiet neuartig sind, die etwa besonders viele unterschiedliche Genehmigungen benötigen (insbesondere auch Umwidmungen). Wenn ein Industrieunternehmen zum Beispiel die Änderung einer bestehenden Anlage einreicht, dann soll natürlich der bestehende Prozess angewendet werden – Antrag wird gestellt, er wird den zuständigen Sachverständigen zugeteilt, die Gutachten werden entsprechend der Reihenfolge des Einlangens erstellt und schließlich wird von der Behörde die Genehmigung erteilt oder auch nicht.

Nun ja, da irrte ich mich, denn ich war mit der Situation konfrontiert, dass es anfangs schwer war, die Vorteile von Projektmanagement zu vermitteln. Schwierig vor allem deshalb, weil dadurch eine andere Arbeitsweise implementiert werden muss. Ein Aspekt stieß auf besonderen Widerstand. Nämlich, dass ein von mir festgelegter Projektleiter einem Kollegen aus einer anderen Abteilung Vorgaben machen durfte. Das Ganze sollte nämlich außerhalb der gewohnten Hierarchie passieren. Der vorgeschlagene Projektleiter war formal hierarchisch untergeordnet.

Ich war zwar weiterhin davon überzeugt, dass mein Ansatz richtig ist, aber mir ist auch bewusst geworden, dass ich die Organisation besser auf diese Änderung vorbereiten muss. So startete ich eine grundsätzlichere Initiative, um Projektmanagement als Arbeitsmethode auch in behördlichen Verfahren zu etablieren. Wir begannen eine „Kommunikationsreise“ durch die Vorteile, die Abgrenzung zur alltäglichen Arbeit, die spannenden Aspekte und sogar die Ängste, die mit diesem besonderen Handwerk verbunden sind. Highlight war ein Schulungsvideo, in dem Legofiguren die Hauptdarsteller waren.

Ganz am Anfang stand somit einmal, die Vorteile von Projektmanagement darzustellen. Mit Projektmanagement können komplexe Vorhaben effizient und strukturiert angegangen werden. Ressourcen können optimal im Vorhinein geplant werden, der Fortschritt des Projekts wird laufend von einer Person überwacht und Risiken rechtzeitig erkannt. Dadurch kann sichergestellt werden, dass ein Projekt, eben wie eine komplexe Anlagengenehmigung, rasch fertiggestellt wird. Wir bedienten uns dabei zahlreicher Bilder. Unter anderem, dass Projektmanagement wie ein Leim ist, der die einzelnen Bausteine eines Projekts zusammenhält und zum Erfolg führt.

Was ist überhaupt der Unterschied?

Eine der größten Diskussionen war die Frage, was nun der große Unterschied zur bisherigen Arbeitsweise ist. Dabei wurde mir bewusst, dass in der Vergangenheit viele Vorhaben, die ganz normal in der Linie und seriell je Bereich abgearbeitet wurden, auch als Projekte bezeichnet wurden, obwohl sie eigentlich keine Projekte im Sinne des Projektmanagements sind.

Meine Ankündigung, verstärkt auf Projektmanagement zu setzen, führte daher zur Verwirrung und ich hörte, dass die von mir angesprochenen Vorhaben ohnehin als Projekte zu verstehen sind. Mein nächstes Learning war, dass ich auch hier zu schnell vorgegangen bin und die Mitarbeitenden besser mitnehmen muss. Es galt zuerst einmal aufzuklären, dass es nicht um die Bezeichnung geht, sondern um die Methode und was tatsächlich die Unterschiede sind. Denn in der Linie werden wiederkehrende Aufgaben erledigt, während Projekte einmalige Vorhaben sind. Während die linienorientierte Arbeit wichtig ist, um den Betrieb am Laufen zu halten, erfordern Projekte eine andere Herangehensweise.

Für mehr Champions League in der Verwaltung

Projektmanagement bringt frischen Wind in die Behördenlandschaft und ermöglicht es, innovative Ideen umzusetzen und große Veränderungen anzustoßen. Es ist wie der Unterschied zwischen dem routinemäßigen Fußballspiel in der Bundesliga und einem aufregenden Match in der Champions League. Wichtig war mir zu vermitteln, dass Projektmanagement die Arbeit erleichtert beziehungsweise auch spannend macht.

Wir stehen immer wieder vor der Herausforderung, dass es wichtige Vorhaben gibt, bei denen wir verschiedene Fachbereiche beziehungsweise Kompetenzen in einem bestimmten Zeitraum mobilisieren müssen. Hier ist Projektmanagement eine große Erleichterung, denn es bringt Menschen unterschiedlicher Abteilungen zusammen, um an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten. Es werden Termine, Ressourcen und Stakeholder-Interessen von einer Hand koordiniert, Arbeitspakete verteilt und Meilensteine gesetzt und am Ende ist das Ziel leichter erreichbar. Im Ergebnis sind wir effizienter und das führt auch zu einem positiven Image nach außen.

Schritt für Schritt zur Veränderung

Ich verstehe natürlich Bedenken und Ängste, wenn es um Projektmanagement insbesondere in behördlichen Strukturen geht. Veränderungen sind oft mit Unsicherheiten verbunden – und manchmal erscheint mir auch nach so vielen Jahren der bürokratische Apparat wie ein Riesenrad der (vermeintlichen) Hindernisse. Nachdem wir aber eine Kommunikationsoffensive und in der Folge Standards etabliert und Schulungen aufgesetzt haben, beginnen die Zweifel nun zu schwinden.

Beim jüngsten Genehmigungsantrag für eine innovative Industrieanlage in Linz kam dann bereits aus dem zuständigen Fachbereich der Vorschlag, hier unbedingt Projektmanagement einzusetzen, statt den klassischen Weg zu gehen. Ich habe durchgeatmet und hoffe damit ein großes Stück vorangekommen zu sein. Entscheidend, um Veränderung erfolgreich zu implementieren, ist also – wie so oft im Leben – eine gute Kommunikation. Zusätzlich braucht es Standards und eine Aus- und Fortbildung der Mitarbeitenden. Darüber hinaus erfordern Projekte ein starkes Team, das an einem Strang zieht und Informationen effektiv aufgreift. Und schließlich braucht es oftmals auch Mut, vermeintlich Neues ausprobieren zu wollen – auch daran arbeiten wir intensiv weiter.

Ulrike Huemer leitet als Magistratsdirektorin seit 2020 die Verwaltung der österreichischen Stadt Linz. Zuvor war sie viele Jahre CIO der Stadt Wien. Die Verwaltungsplattform Apolitical zählte sie im Jahr 2019 zu den 100 einflussreichsten Personen im Bereich digitale Verwaltung.

Bisher von ihr in dieser Rubrik erschienen: Verwaltung als „Mix aus Max Weber und Elon Musk“, „IT-Projekte ohne Paartherapie“, „Prozessmanagement ist alternativlos“, „Keine Angst vor Microsoft“, „Ein traditioneller Markt wird digital“, „Blackout-Vorbereitung ist ein Gebot der Stunde“, „Unser Stadtklima als warnende Ausstellung“, „Wie wir in Linz unsere Daten organisieren“ und Neue Dialogformen zwischen Verwaltung und Bevölkerung“.

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