Ob mit dem Auto, dem Fahrrad, mit Bus und Bahn – wie wir mobil sind, entscheidet sich an unserer Haustür. Denn drei Viertel aller Wege starten und enden im eigenen Zuhause. Hier entscheiden Millionen Menschen jeden Tag, welches Verkehrsmittel sie nutzen, um an ihr Ziel zu kommen. Was ist für mich am praktischsten? Am billigsten? Für viele stellt sich auch die Frage: Was schadet der Umwelt möglichst wenig? Je attraktiver und bequemer der Zugang zu einem Verkehrsmittel ist, desto häufiger wird es genutzt.
Ein gut ausgebautes Wegenetz für den Fuß- und Radverkehr, eine
fußläufige Bushaltestelle oder die wohnungsnahe Elektro-Carsharing-Station, ein
gemeinschaftlicher Lastenrad- und E-Bike-Verleih oder Mietertickets – all das
sind sinnvolle Mobilitätsangebote.
Sie alle motivieren, den eigenen Pkw auch mal stehen zu lassen und die Umwelt
zu entlasten. Oder sie ermöglichen denen, die sich kein eigenes Auto leisten
können oder wollen, dennoch gut mobil zu sein. So gewährleisten wir Teilhabe
auch für diejenigen, die wegen steigender Wohnungsmieten stärker auf ihre
Mobilitätskosten achten müssen.
Netzwerkarbeit im Wohnquartier
Das Ziel der Netzwerkarbeit mit Kommunen, Wohnungsunternehmen und Mobilitätsanbietern ist es, Menschen den Zugang zu nachhaltigen und intelligenten Verkehrsmitteln zu erleichtern. Wissenstransfer, Vernetzung und Austausch sind die zentralen Elemente, um langfristige Prozesse zur Förderung nachhaltiger Mobilität anzustoßen und konkrete Umsetzungsmaßnahmen zu begleiten. Das gilt für Neubauprojekte wie für Bestandsquartiere. Der Beratungsbedarf ist enorm: Momentan kooperieren wir in 16 deutschen Städten mit den Verwaltungen, den Wohnungsunternehmen in der Region sowie Stadt- und Verkehrsplanern und Mobilitätsdienstleistern, zahlreiche weitere Anfragen liegen vor.
Verkehrswende
in Städten und Wohnquartieren
Allen Anstrengungen zum Trotz gibt es im Verkehrssektor bislang keine nachhaltigen Fortschritte beim
Erreichen der Klimaziele der Bundesregierung und bei der Umsetzung des
Pariser Klimaabkommens. Die CO2-Emissionen stagnieren auf zu hohem
Niveau, der Endenergieverbrauch des Verkehrs steigt sogar weiter an. Auch
kurzfristige Erholungseffekte durch die Corona-Pandemie werden den Trend
nicht umkehren. Dies führt weiter zu hohen Luftschadstoffbelastungen in Form
von Stickoxiden und Feinstaub. Ob das
Sofortmaßnahmen-Programm der Bundesregierung, das auf Druck des Karlsruher
Klimaschutz-Urteils zustande kam, das Ruder wirklich rumreißen kann, muss
bezweifelt werden.
Derweil starten weltweit Städte ambitionierte Stadtentwicklungsvorhaben, um den privaten Pkw-Verkehr in Innenstädten stark zu reduzieren. Brüssel und Gent, Paris, Oslo, Madrid und Pontevedra, Wien, Kopenhagen und Utrecht/Houten machen vor, wie die Aufenthalts- und Lebensqualität in autofreien oder autoarmen Stadtvierteln und Innenstädten gesteigert werden kann.
Modellprojekt Utrecht Merwede
Im niederländischen Utrecht werden 2024 die ersten von 12.000
Einwohner*innen in das neue Stadtquartier
Merwede einziehen. Sie haben sich entschieden, dass sie künftig ohne
eigenes Auto leben werden. Das kann natürlich nur funktionieren, wenn ihnen andere
Mobilitätsangebote gemacht werden, die bequem und jederzeit verfügbar sind.
Für den Transport und den Verkehr steht eine Flotte von Leihautos und
Leihfahrrädern zur Verfügung. Die Flotte ist so groß, dass jeder dritte
Haushalt gleichzeitig ein Sharing-Auto nutzen kann. Der Anschluss an den ÖPNV
ist eng getaktet und die Nahversorgung für den täglichen Bedarf wird im
Quartier angesiedelt und ist mit kurzen Wegen zu erreichen.
Bei all diesen Projekten gab und gibt es starke Widerstände: Gewerbetreibende sorgen sich um die
Erreichbarkeit, Pendler*innen fürchten den Verlust kurzer Wegstrecken,
Anwohner erwarten abendliche Straßenpartys. Aber wie die TU-Harburg bei einer
Untersuchung festgestellt hat, haben sich die Bedenken in keinem der Fälle
bestätigt, die Akzeptanz nahm im Laufe der Zeit stark zu.
Umdenken bei
Planung und Neubau
Solche Stadtentwicklungsprozesse haben Auswirkungen auf die Planung und den Neubau von Wohnquartieren. Immer mehr Städte gehen dazu über, städtebauliche Wettbewerbe und Ausschreibungen mit der Forderung nach einem Mobilitätskonzept zu verknüpfen, das auch Alternativen zum Pkw berücksichtigt. Stellplatzsatzungen werden zunehmend so angepasst, dass der Stellplatzschlüssel durch innovative Mobilitätsangebote gesenkt werden kann.
Darauf müssen Wohnungsunternehmen reagieren und das Knowhow aufbauen, um den Anforderungen entsprechen zu können. Die Erfahrungen aus vier Jahren Netzwerkarbeit vor Ort zeigen, dass bei der Umsetzung von Mobilitätskonzepten sechs zentrale Themen berücksichtigt werden müssen: verbesserte Infrastrukturen für den Rad- und Fußverkehr, autoreduziertes Wohnen, Anbindung an den ÖPNV, Service und Kommunikation für und mit den Bewohner*innen sowie Investitionen für die Nutzung von Elektrofahrzeugen.
Das Mobilitätsverhalten wird sich stark verändern. Die Wohnungswirtschaft muss sich bei Investitionen in Bestandsgebieten und beim Neubau von Wohnquartieren auf diese Entwicklungen insbesondere im urbanen Raum vorbereiten und entsprechende Infrastrukturmaßnahmen einplanen. Diese müssen ökologisch und sozial verträglich sein und den neuen Mobilitätsanforderungen der Bewohner*innen in den nächsten Jahrzehnten gerecht werden.Mit seinem Projekt „Bundesweites Netzwerk Wohnen und Mobilität“ leistet René Maßmer Beratung vor Ort.