Am 4. Juni veranstaltet das Bundesverkehrsministerium zum zweiten Mal ein internationales Treffen zum Thema E-Fuels. Nachdem im vergangenen Jahr die IAA in München als Aufhänger für die „E-Fuels Conference“ diente und die Nutzung der synthetischen Kraftstoffe im Straßenverkehr im Mittelpunkt stand, findet der E-Fuels Dialogue dieses Jahr im Vorfeld der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin statt und konzentriert sich auf den Luftverkehr. Diese Neuausrichtung weist in die richtige Richtung. Denn anders als im Straßenverkehr wird es im Luftverkehr – genauso wie im Seeverkehr – bis auf Weiteres keine klimaneutralen Alternativen zu strombasierten synthetischen Kraftstoffen geben.
Energieeffizienz als oberstes Gebot
E-Fuels sind ein rares und kostbares Gut. Selbst wenn die Produktion auf unverzichtbare Anwendungen wie den Flugverkehr konzentriert wird, reichen die bisher weltweit absehbaren Kapazitäten bei Weitem nicht aus. Für E-Kerosin entsprechen diese bis 2030 gerade einmal rund drei Prozent des europäischen Kerosinbedarfs. Das Ziel ist aber, in der EU bis 2050 komplett klimaneutral zu sein; in Deutschland bis 2045. Umso mehr kommt es deshalb darauf an, die Produktion von E-Kerosin schnell voranzubringen, auf Energieeffizienz zu achten und bei der Entwicklung der Förderinstrumente und des regulatorischen Rahmens für E-Fuels entsprechende Prioritäten zu setzen.
Die Herausforderungen, die mit der globalen Entwicklung der E-Fuel-Produktion einhergehen, werden bisher kaum thematisiert. Die sogenannten Gunstregionen zeichnen sich durch besonders viel Wind oder Sonneneinstrahlung aus und liegen zum Beispiel im südlichen Afrika, in Südamerika oder Australien. Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom lassen sich dort besser auslasten. Das erhöht die Ausbeute für die Kraftstoffproduktion und reduziert die Kosten. Doch mit Blick auf den enormen Bedarf gilt es, auch in zukünftigen wasserstoff- und E-Fuel-exportierenden Ländern sorgsam mit den Ressourcen umzugehen.
Zugang zu Land, Strom und Wasser
Vor allem Windräder und Solaranlagen liefern den erneuerbaren Strom für die Produktion von Wasserstoff in Elektrolyseanlagen. Sie brauchen geeignete Flächen. Bisher wird häufig vorausgesetzt, dass weltweit große Flächen für den Infrastrukturausbau zur E-Fuel-Produktion und zur Deckung des deutschen oder europäischen Energiebedarfs genutzt werden können. Doch inwiefern Land, das aus der Ferne als günstiger Standort erscheint, verfügbar ist, sollten die Menschen in den Regionen entscheiden.
Neben der Souveränitäts- und Landfrage ist zu klären, wie der Zugang zu Strom und Wasser für die Wasserstoffproduktion gestaltet werden soll. In vielen Ländern, die sich gerade als Produzenten positionieren, gibt es entweder noch keine leistungsfähige Stromversorgung für die Bevölkerung, oder die Stromversorgung beruht auf fossilen Kraftwerken mit schlechtem Wirkungsgrad. In einigen Gunstregionen mit hoher Sonneneinstrahlung wird auch das Risiko für Wassermangel als hoch eingeschätzt.
Schließlich muss sichergestellt werden, dass die Bevölkerung im Sinne einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung an den Einnahmen aus dem Export erneuerbarer Energieträger teilhaben kann. Andernfalls könnte der Reichtum an global nachgefragten Rohstoffen die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes eher behindern als fördern – etwa wenn die Produktion kaum mit den lokalen Wirtschaftsstrukturen verbunden ist und die Einnahmen nicht der Region zugutekommen. Auch eine große Abhängigkeit von internationalen Marktpreisen kann zur Herausforderung für eine Volkswirtschaft werden.
Nachhaltigkeitskriterien eröffnen Chancen
Wenn der Übergang in eine klimaneutrale Weltwirtschaft gerecht verlaufen soll, im Sinne einer just transition, müssen diese sozialen, ökologischen und ökonomischem Fragen der Wasserstoff- und E-Fuel-Produktion in den Exportländern adressiert werden. Deshalb ist es wichtig, verbindliche Nachhaltigkeitskriterien zu definieren und mit Strategien und Politikinstrumenten durchzusetzen.
Die Wahrung von Menschenrechten nach UN- und OECD-Vorgaben sollte oberste Priorität haben. Beschwerdemechanismen können zum Beispiel dazu beitragen, dass die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung besser berücksichtigt werden – nach dem Prinzip: Wo investiert wird, müssen die Betroffenen in einer Region vorher informiert werden und in freier Entscheidung mehrheitlich zustimmen.
Von Investitionen in die Energieerzeugung und Wasseraufbereitung sollte auch die Allgemeinheit profitieren. Dafür könnte der Staat die Zulassung von E-Fuel-Projekten mit der Auflage verknüpfen, dass Unternehmen zusätzliche Kapazitäten für die Strom- und Wasserversorgung der Bevölkerung einplanen und aufbauen. Die Projekte sollten außerdem lokale Arbeitskräfte und Unternehmen einbeziehen und möglichst auch die Weiterverarbeitung von Wasserstoff zu E-Fuels für den Flug- und Schiffverkehr umfassen. Das stärkt die Wertschöpfung in den produzierenden Ländern.
Anknüpfungspunkte für die Bundesregierung
Auf dem Weg zur Klimaneutralität braucht Deutschland erneuerbar erzeugten Wasserstoff und E-Fuels aus anderen Ländern in großen Mengen. Die Zukunftsbranche wird für alle Seiten am besten funktionieren, wenn sie für alle Seiten Vorteile verspricht. Deshalb sollte die Bundesregierung ein großes Interesse daran haben, sich im Austausch mit den Produzentenländern für möglichst faire und nachhaltige Rahmenbedingungen einzusetzen. Schon beim E-Fuels Dialogue kann sie zeigen, wie ernst es ihr damit ist. Ein nächster Schritt wäre es, in der für dieses Jahr erwarteten Wasserstoffimportstrategie die Nachhaltigkeitskriterien weiter auszudifferenzieren – so wie es bereits in der Nationalen Wasserstoffstrategie angekündigt wurde.
Für die weitere Umsetzung bieten sich verschiedene Politikinstrumente an: staatliche Kredite und Garantien, Förderinstrumente wie H2Global, Klimaschutzverträge im Zusammenspiel mit der EU-Lieferkettenrichtlinie und dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, Wasserstoffpartnerschaften und Entwicklungszusammenarbeit. Wichtig ist dabei, nicht nur auf vereinzelte Maßnahmen zu setzen, sondern die Wirkung von Marktinstrumenten, Förderpolitik und Ordnungsrecht gut aufeinander abzustimmen. Dann können E-Fuels Teil einer sozial und ökologisch nachhaltigen Weltwirtschaft sein.