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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Wasserstoff im Verkehrssektor: Aufwendige Produktion, unbestreitbare Vorteile

Wird Hamburg zur Wasserstoff-Metropole? Darüber wird heute in der Hansestadt diskutiert. Warum der Energieträger nicht nur an der Elbe eine Schlüsselrolle für die Verkehrswende spielt, erläutert Gabriele Schmiedel, Vorstandsvorsitzende von Siemens Hydrogen Solutions.

von Gabriele Schmiedel

veröffentlicht am 13.01.2020

aktualisiert am 20.02.2023

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Bis zur Mitte des Jahrhunderts soll Deutschland weitgehend treibhausgasneutral werden – so sieht es der Klimaschutzplan 2050 vor. Dabei spielt Wasserstoff als Energieträger der Zukunft eine Schlüsselrolle: Er bietet die Möglichkeit, große Energiemengen zu speichern und zu transportieren. Vor allem aber kann Wasserstoff klimaneutral aus regenerativen Quellen hergestellt werden und so einen entscheidenden Beitrag zur CO2-Reduktion leisten. Denn die Anwendungsmöglichkeiten sind breit gefächert.

Grüner Wasserstoff ist überall dort einsetzbar, wo heute konventionell produzierter Wasserstoff verwendet wird: Ob Raffinerien, Metallurgie, Stahl- oder Chemieproduktion oder Chipherstellung – in der Industrie ist das Gas in vielen Prozessen unentbehrlich. Im Verkehrssektor kann Wasserstoff als emissionsfreier Treibstoff dienen – und das nicht nur bei Autos mit Brennstoffzelle. Erste Busse und sogar Züge sind im Nahverkehr mit Wasserstoff unterwegs.

Und auch für den Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr ist der Einsatz von klimaneutral produziertem Wasserstoff oder auf Basis von Wasserstoff erzeugter synthetischer Treibstoffe in Zukunft eine denkbare Alternative. Denn auf der Grundlage von grünem Wasserstoff ist eine umweltschonende Herstellung sogenannter E-Fuels oder von synthetischem Methan, kurz E-Gas, möglich.

Die Produktion ist aufwendig – doch die Vorteile sind unbestreitbar

Die Herstellung von E-Gas erfolgt, indem regenerativ erzeugter Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid mit dem Sabatier-Prozess zu Methan umgewandelt werden. Mit der Fischer-Tropsch-Synthese, einem anderen Verfahren, können auf Basis von CO2 und H2 flüssige synthetische Kraftstoffe wie E-Diesel, E-Benzin oder E-Kerosin hergestellt werden.

Dem Nachteil der aufwendigen Produktion stehen unbestreitbare Vorteile gegenüber: E-Fuels bieten, wie auch Wasserstoff, eine Möglichkeit, Energie in großen Mengen saisonunabhängig zu speichern und zu transportieren. Sie können von den aktuellen Verbrennungsmotoren schon jetzt ohne Umbauten genutzt werden, wobei die notwendige Infrastruktur mit dem derzeitigen Tankstellennetz bereits besteht. Außerdem lassen sich die synthetischen Treibstoffe auch dort einsetzen, wo die Elektrifizierung an ihre Grenzen stößt – wie im Schiffs- und Luftverkehr.

Der Anteil erneuerbarer Energien an der weltweiten Stromerzeugung wächst täglich. Doch damit die Transformation zu einer klimafreundlichen Energieversorgung gelingt, müssen fluktuierende Energiequellen wie Sonne und Wind in bestehende Netze, kontinuierliche Industrieprozesse und in eine flexible und individuelle Mobilität integriert werden – und das zu wirtschaftlichen Konditionen.

Ein möglicher Weg dorthin ist die PEM-Elektrolyse. Die Bezeichnung PEM leitet sich von der protonenleitenden Membran, der sogenannten Proton-Exchange-Membrane, ab. Ihre spezielle Eigenschaft: Sie ist durchlässig für Protonen, aber nicht für Gase wie Wasserstoff oder Sauerstoff. Damit übernimmt sie in einem elektrolytischen Prozess unter anderem die Funktion des Separators, der die Vermischung der Produktgase verhindert.

Die PEM-Technologie ermöglicht einen Kaltstart binnen Minuten

Die PEM-Technologie, die eine relativ geringe Stellfläche benötigt, ist ideal geeignet, um volatil erzeugten Wind- und Sonnenstrom aufzunehmen. Die hochdynamische Betriebsweise der Anlagen erlaubt es auf die Anforderungen durch das schnell schwankende Stromnetz zu reagieren. Außerdem ist ein Kaltstart binnen Minuten möglich. Stromüberschüsse können so unmittelbar in umweltfreundlichen Wasserstoff umgewandelt und über Wochen und Monate gespeichert werden.

Siemens beschäftigt sich bereits seit Jahrzehnten mit dem Thema Wasserstoff und Brennstoffzelle. Doch mit dem Wandel in der Energieversorgung hat die nachhaltige Wasserstofferzeugung noch einmal an Bedeutung gewonnen. Bereits seit einigen Jahren sind PEM-Elektrolyse-Anlagen von Siemens in Deutschland in Betrieb, beispielsweise seit 2015 im „Energiepark Mainz“.

20 Kilogramm Wasserstoff für vier bis fünf Brennstoffzellenautos

Herzstück der Power-to-Gas-Anlage im bayerischen Haßfurt ist ein reaktionsschneller 1,25 MW-Elektrolyseur von Siemens. Pro Stunde erzeugt er etwa 20 Kilogramm Wasserstoff bei Vollbetrieb, eine Menge, die ausreicht, um vier bis fünf Brennstoffzellenautos zu betanken. Ein Teil des Wasserstoffs wird in das Erdgasnetz der Kommune eingespeist. Ein weiterer Teil wird dem Erdgas zugesetzt, das eine Haßfurter Mälzerei nutzt, um in ihren Blockheizkraftwerken Strom und Wärme zu erzeugen. So soll erprobt werden, wie hoch der Wasserstoffanteil im Gasnetz sein kann.

Die im Herbst 2019 von den deutschen Küstenländern verabschiedete „Norddeutsche Wasserstoffstrategie“ ist eine Basis, um den zukünftig steigenden Bedarf an Grünen Wasserstoff decken zu können. Die gesteckten Ziele sind hoch mit bis zu 500 Megawatt bis 2025 installierter Elektrolyse-Leistung. Die Region bietet neben den sehr guten offshore Windbedingungen auch noch mögliche Kavernenspeicher für die Speicherung von großen Mengen an Wasserstoff. Darüber hinaus sollen in sogenannten „Reallaboren der Energiewende“ mit Förderung der Bundesregierung künftig neue Wasserstofftechnologien im industriellen Maßstab und in realer Umgebung getestet werden.  Das Jahr 2020 wird also ein vielversprechendes Jahr für das Thema grüner Wasserstoff.

Gabriele Schmiedel ist Vorstandsvorsitzende des Bereichs Siemens Hydrogen Solutions. Sie nimmt heute Abend teil an der Podiumsdiskussion „H2 - Drehkreuz Hamburg: Wird die Hansestadt zur Wasserstoff-Metropole?“, die auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung stattfindet. Weitere Teilnehmer sind Michael Westhagemann (Wirtschaftssenator, Freie und Hansestadt Hamburg), Michael Kruse (Vorsitzender, FDP-Bürgerschaftsfraktion), Heinrich Klingenberg (Geschäftsführer hySOLUTIONS GmbH) und Jorgo Chatzimarkakis (Generalsekretär Hydrogen Europe) und Oliver Weinmann (stv. Vorsitzender, Hamburger Wasserstoff-Gesellschaft e.V.).

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