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Digitalisierung & KI

Standpunkte Haushaltskrise? Wir hätten da einen Vorschlag!

Peter Ganten und Thomas Köster, Open Source Business Alliance
Peter Ganten und Thomas Köster, Open Source Business Alliance Foto: Univention | SVA

Seit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts steht die mittelfristige Finanzplanung immer wieder im Zentrum der Kritik und zur Debatte. Peter Ganten und Thomas Köster von der Open Source Business Alliance beneiden die Bundesregierung nicht und sehen eine Chance in der Priorisierung von IT-Projekten der öffentlichen Verwaltung.

von Peter Ganten & Thomas Köster

veröffentlicht am 17.01.2024

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Eigentlich hatten wir uns als Digitalverband darauf eingestellt, Mitte November die abschließenden Haushaltsberatungen für 2024 zu kommentieren. Normalerweise hätten wir richtige Weichenstellungen loben und vielleicht Nachbesserungen bei einzelnen Schwerpunktsetzungen anmahnen wollen. Doch dann brachte das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts alles aus dem Gleichgewicht.

Denn für den Haushalt 2024 mussten nun händeringend 17 Milliarden Euro gesucht und gefunden werden und die mittelfristige Finanzplanung steht durch das Urteil insgesamt auf tönernen Füßen. Es herrscht immer noch große Unruhe im politischen Berlin. Je nach Partei oder Interessenlage werden Haushalts- und Schuldenregeln kritisiert, Einnahmeerhöhungen oder Ausgabendisziplin eingefordert. Politik, Verbände und Zivilgesellschaft fordern, dass die ihnen jeweils lieb gewonnen Projekte auf keinen Fall dem Sparkurs zum Opfer fallen dürfen.

Aufgrund der Dimension und der Dramatik der Entscheidungen wollen wir als Wirtschaftsverband in diesen Chor jetzt nicht einstimmen. Wir beneiden die Bundesregierung ausdrücklich nicht darum, kurzfristig unter schwierigsten Voraussetzungen einen neuen Haushalt stricken zu müssen und schmerzhafte Entscheidungen fällen zu müssen.

Ran an die Arbeit

Zur Wahrheit gehört aber auch: Zentrale Aufgabe einer jeden Regierung ist seit jeher das richtige Priorisieren von Ausgaben, um bei begrenzten Mitteln einen möglichst effizienten Einsatz auszuloten. Mit klugen Entscheidungen können die Investitionen von heute die Einsparungen von morgen sein.

Wir haben dazu ein paar Vorschläge: Der zusätzliche Druck beim Haushalt muss jetzt Anlass sein, bei IT-Projekten der öffentlichen Verwaltung den bereits eingeschlagenen Weg hin zu mehr digitaler Souveränität und einer besseren Wirtschaftlichkeit konsequent weiterzuverfolgen. Wir zitieren hier den Bundesfinanzminister mit seiner Maxime „Ran an die Arbeit, Arbeit bewältigen, Probleme sind nur dornige Chancen.“

Wenn bei Beschaffungsverfahren in der Verwaltung ab jetzt stärker auf Open-Source-Software gesetzt wird, dann können über die Zeit nicht nur bei Lizenzkosten drastische Einsparungen erzielt werden. Behörden können dann einmal von anderen Behörden entwickelte oder beschaffte Software auch wieder verwenden – ohne dass das Geld für die gleiche Software von jeder Verwaltung immer wieder von Neuem ausgegeben werden muss. Eine Open-Source-Software, die in einem Ministerium entwickelt wird und von einem anderen nachgenutzt werden kann, spart also auch an dieser Stelle sehr schnell sehr viel Geld. Und wenn die Verwaltung sich unabhängiger von einzelnen großen Unternehmen macht, kann sie leichter zwischen Anbietern hin und her wechseln. Die öffentliche Hand kann dann von besserem Wettbewerb profitieren, hat eine bessere Verhandlungsposition und kann günstigere Verträge aushandeln.

Haushaltsschonender Ansatz

Der Einsatz von Open-Source-Software und damit mehr digitaler Souveränität in der Verwaltung sind also nicht nur Standortvorteile und Wege zu einer effizienteren und nachhaltigen Digitalisierung, sondern sie schonen auch den Haushalt.

Längst sind Open-Source-Lösungen bei kollaborativer (Büro-)Anwendungssoftware auf Augenhöhe mit proprietären Angeboten, bei Cloud und Containertechnologien ist Open Source sogar führend. Und mit einheitlichen Standards, offenen Schnittstellen und bei Fachanwendungen nach dem Einer-für-Alle-Prinzip (Efa-Prinzip) kann Open-Source-Software sogar zusätzliches Wettbewerbs- und Innovationspotenzial heben.

Gerade die jüngst bekannt gewordenen gigantischen Software-Beschaffungen im Bund, wie die Rahmenverträge über 4,6 Milliarden Euro für Oracle-Produkte oder die knapp 1,3 Milliarden Euro für Produkte des Herstellers Microsoft, zeigen überdeutlich, dass Open Source in diesem Bereich einen signifikanten Sparbeitrag leisten kann. Denn diese, mit den Anbietern vereinbarten Rahmenverträge bilden in der Regel eine Bedarfsschätzung der einzelnen Behörden über die nächsten zwei bis vier Jahre ab. Das bedeutet, dass Behörden diese Summen aus den Rahmenverträgen abrufen können, aber nicht müssen.

Gleichzeitig spiegeln sich die gemeldeten Bedarfe der einzelnen Behörden auch in den Planungen der jeweiligen Haushalts-Einzelpläne wider. Es steht der Bundesverwaltung aber frei, stärker als bisher proprietäre Angebote durch Open-Source-Software und deren Wartung zu ersetzen. Open-Source-Software ist nicht umsonst, aber ganz sicher wettbewerbsfähig und wirtschaftlicher. So könnten für den Haushalt 2024 und die mittelfristige Finanzplanung spürbare Freiräume im Haushalt entstehen.

„Schon immer so gemacht“ hilft nicht

Bund und Länder haben das eigentlich längst erkannt und sich bereits auf diesen Weg gemacht. Aber es sind noch ein paar Schritte zu gehen, bis proprietäre Software und Open-Source-Software in einem wirklich fairen Wettbewerb zueinander stehen, damit nicht mehr immer automatisch die teurere Software beschafft wird, die zudem die Abhängigkeiten der Verwaltung immer weiter zementiert – einfach nur, weil das „schon immer“ so gemacht wurde.

Es ist an der Zeit, bei Vergabeverfahren und -regelungen sowie bei den gängigen Vertragsmustern bei der Beschaffung in der öffentlichen Verwaltung das Potenzial von Open-Source-Software stärker herauszustellen. Es sollten Open-Source-Referenzimplementierungen beauftragt werden, Auftragssoftware verbindlich mit anderen Behörden geteilt (Public Money, Public Code), die Ankündigungen für eine souveräne Open-Source-Cloud umgesetzt und den Initiativen von Open Desk bis zum Opencode-Repository der dringend benötigte Rückenwind gegeben werden.

Dann wird auch die Aussage des Bundesfinanzministeriums vom Juli 2023 endlich wahr: „Wir finanzieren die notwendigen Investitionen in die Zukunft des Landes“.

Peter Ganten ist Vorstandsvorsitzender der Open Source Business Alliance, dem Bundesverband der Open-Source-Wirtschaft, Thomas Köster ist dort Co-Sprecher der Working Group Public Affairs. Ganten ist CEO von Univention, Köster Teamleiter Vertrieb Allgemeine Bundesverwaltung in der Geschäftsstelle Öffentlicher Dienst der SVA System Vertrieb Alexander GmbH.

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