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Digitalisierung & KI

Standpunkte Ohne Daten keine Wettbewerbsfähigkeit

Ludwig Veltmann
Ludwig Veltmann Foto: Mittelstandsverbund

Mittelständische Händler erleben derzeit, wie sie von großen Plattformen im Wettbewerb abgehängt werden. Hauptgrund sind einseitige Regeln, die die Bildung von Daten-Monopolen begünstigen, sagt Ludwig Veltmann, Geschäftsführer des Mittelstandsverbunds.

von Ludwig Veltmann

veröffentlicht am 29.10.2019

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In Wissenschaft und Politik findet derzeit ein heftiger Diskurs über die Zukunft der Daten-Ökonomie statt. Auf großen Plattformen fallen enorme Mengen an Daten an. Durch die daraus gewonnenen Informationen können immer neuere, individuelle und vor allem passende Dienstleistungen und Mehrwerte für den Nutzer generiert werden. Diese lösen einen zusätzlichen Sogeffekt bei den großen Plattformen aus.Klassische Märkte drohen zu kippen. Die voranschreitende Marktkonzentration gefährdet somit den Wettbewerb als Antrieb zur Innovation und Angebotsvielfalt, und das gerade zu Lasten der Verbraucher und des Mittelstandes. Bei ungebremstem Fortgang dieser Entwicklung kann der Wettbewerb sogar zum Erliegen kommen.  

Händler liefern Daten an Plattformen, bekommen aber keine zurück

Mittelständische Handelsunternehmen garantieren eine flächendeckende Angebotsvielfalt. Sie erleben eine unglückliche Negativ-Korrelation zwischen Unternehmensgröße und Digitalisierungsgrad. Gerade auf digitalen Handels-Plattformen könnten sie aber sehr wohl Baustein und Bindeglied der digitalen Wertschöpfung sein. Dazu müssen sie mit ihren Angeboten auch die großen Handels-Plattformen professionell nutzen und an den dort generierten Daten partizipieren können. Noch ist der Datenfluss aber eine Einbahnstraße zugunsten der Plattform-Betreiber. Mehr noch: Die Plattform-Betreiber nutzen die Händler als Datenlieferanten und verschaffen sich so mit eigenen Warenangeboten und spezifischen Dienstleistungen einen weiteren Wettbewerbsvorteil. Ausgestattet mit einem enormen Daten-Schatz, gelingt den Plattform-Betreibern schließlich eine noch erfolgreichere Angebots-Positionierung und Kundenansprache als den übrigen vermeintlich als „Partner“ auf der eigenen Plattform bezeichneten Wettbewerbern.

Doch auch jenseits von personenbezogenen Kunden-Daten lassen sich Aussagen darüber treffen, welche Produkte eine bestimmte Kundengruppe voraussichtlich sucht, welche weiteren Produkte dazu passen könnten und im besten Fall: Welche Anschluss-Dienstleistungen sich daraus ergeben könnten. Maßgeschneiderte Angebote ermöglichen zudem passgenaue Beschaffungsprozesse und verbessern den strategischen Einkauf. Händler können ihre Lager verkleinern oder gänzlich darauf verzichten, Retouren werden auf ein Minimum beschränkt. Daten haben daher das Potential, betriebliche Prozesse zu optimieren, die Effizienz zu steigern und gleichzeitig die Kosten zu senken. Voraussetzung hierfür ist jedoch immer eine möglichst große Datenmenge.

Ohne Beteiligung an Daten kann kein Einzelhandel überleben

Wer die Daten hat, baut somit seine Vormachtstellung aus. Der Präsident des Mittelstandverbundes, Günter Althaus, bringt es in seiner Prognose für den Handel der Zukunft auf den Punkt: „No data, no retail“. Wem die Daten nicht zur Verfügung stehen, verliert seine Wettbewerbsfähigkeit. Wie kann diesem Missstand begegnet werden? Die EU-Kommission leitete in diesem Jahr ein entsprechendes Missbrauchs-Verfahren gegen Amazon ein. In den USA etwa wird die Zerschlagung großer Online-Plattformen offen diskutiert. Doch ist das die Lösung? Wettbewerbsrechtliche Verfahren sind langwierig und helfen wenig auf den sich rasant entwickelnden digitalen Märkten. Die Zerschlagung großer Plattformen setzt negative Impulse für eine marktwirtschaftliche Ordnung.

Durch Kooperation zu eigenen Plattformen

Gerade Kooperationen mittelständischer Unternehmen in Form von Verbundgruppen arbeiten an einer Daten-Ökonomie von morgen: Kooperationseigene Plattformen sollen von den Mitgliedern gehalten und weiterentwickelt werden. Die Verbundgruppe bietet gegebenenfalls mit anderen gemeinsam das Potential, die Daten der Anschlusshäuser zu sammeln, aufzubereiten und relevante Informationen wiederum für die Mitglieder zu generieren. Derzeit bremsen und behindern jedoch Datenschutz-Regeln wie etwa die Datenschutz-Grundverordnung, eine unausgegorene E-Privacy-Verordnung und Einschränkungen im Wettbewerbsrecht die Effizienz dieser Initiativen und Modelle. Dabei bietet gerade die Kombination von Daten aus unterschiedlichen Datenquellen, Unternehmen und Branchen immens neue Möglichkeiten.

Gespannt darf man im Übrigen sein, was das Projekt Gaia-X des Bundeswirtschaftsministeriums zum Aufbau einer Data-Sharing-Plattform für den Mittelstand unter Beteiligung verschiedener Technologiepartner an Lösungen bereithält. Beim heutigen Digital-Gipfel der Bundesregierung in Dortmund sollen weitere Details angekündigt werden. Will die Plattform attraktiv sein, muss sie gerade für mittelständische Handels- und Dienstleistungsunternehmen leicht zugänglich sein, eine große Reichweite bieten und sehr rasch eine kritische Masse an analysetauglichen Daten schaffen. Zugleich müssen intelligente Analysetools eingerichtet sein, mit deren Hilfe Mehrwert-schaffende Informationen für das einzelne mittelständische Unternehmen erzeugt werden können. Gerade hierbei werden die Verbundgruppenzentralen eine entscheidende Unterstützer-Rolle einnehmen müssen. Deshalb bedarf es dringend einer unbürokratischen Regelungbezüglich des Datenaustauschs unter kooperierenden Unternehmen und ihrer Kooperationszentrale.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist hieraus in seiner jüngst vorgestellten Mittelstandsstrategie zurecht eingegangen. Gerade in Bezug auf die Daten-Wirtschaft sei es wichtig, dass Mittelständler „Synergien mit anderen Unternehmen nutzen und kooperieren oder sich auch zusammenschließen können“. Die Zusammenarbeit im Verbund werde daher auch in der digitalen Welt als zukunftsträchtiges Modell ausdrücklich unterstützt.

Dies ist ein gutes, wichtiges und längst überfälliges Signal, dem müssen jetzt Taten folgen. Wer den Mittelstand in einer datengetriebenen Wirtschaft wirklich fördern will, muss bei den Kooperationen ansetzen und ihnen ermöglichen, hinsichtlich des Betriebs und der Nutzung von Plattformen rechtlich und technologisch auf Augenhöhe mit den großen globalen Playern agieren zu können.

Ludwig Veltmann ist Hauptgeschäftsführer des Mittelstandsverbunds – ZGV e.V. In dem Spitzenverband sind etwa 230.000 mittelständischen Unternehmen in rund 310 Verbundgruppen aus rund 45 Branchen organisiert.

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