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Digitalisierung & KI

Standpunkte So digital wird das SPD-Wahlprogramm

SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken
SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken Foto: Anne Hufnagl

In allen Parteien laufen inzwischen die Programmprozesse zur Bundestagswahl 2021, so auch bei den Sozialdemokraten, die am Samstag zu ihrem digitalen Debattencamp laden. Mit Parteichefin Saskia Esken koordiniert eine Digitalpolitikerin den Prozess. Wie digital das Programm in Form und Inhalt werden soll, schreibt sie im Standpunkt.

von Saskia Esken

veröffentlicht am 11.12.2020

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Am Nikolaustag des vergangenen Jahres habe ich beim Parteitag der SPD meine Bewerbungsrede als Co-Vorsitzende gehalten, und unter anderem habe ich versprochen, das nächste Programm der SPD werde ein sehr digitales Programm werden. Weil kaum ein Lebensbereich nicht vom digitalen Wandel erfasst ist und insofern auch sozialdemokratische Antworten auf die Herausforderungen gebraucht werden, die sich daraus ergeben. Aber eben auch weil die „digitale“ Version unserer bisherigen Programme einfach nur das PDF der gebundenen Variante war.

So wird das Programm aussehen

Ich stelle mir dagegen ein Programm vor, das durch Querverweise Querschnittsthemen sichtbar macht und durch externe Links Vertiefungen zugänglich. Nun steckt die SPD schon mitten im Programmprozess für die Bundestagswahl, und wir haben uns viel vorgenommen: Wir wollen ein kurzes Programm liefern, aber kein dünnes. Es soll Lust zum Lesen machen und davon erzählen, wie wir den Respekt gegenüber den Menschen, gegenüber ihrer Würde, ihrer Leistung und ihrer Vielfalt stärken und wie wir die Zukunft demokratisch gestalten. Und es wird mit zahlreichen Links versehen sein für alle, die es genauer wissen wollen.

Nachdem wir in den letzten Wochen in sechs Clustergruppen erste Ideen entwickelt und diese in einer Online-Programmwerkstatt mit unseren Mitgliedern debattiert hatten, wollen wir nun am Samstag bei unserem digitalen Debattencamp #spddc20 die Debatte in die Gesellschaft hinein öffnen. Zwischen der Eröffnungsrede unseres Kanzlerkandidaten Olaf Scholz und seinem Talk mit dem US-amerikanischen Philosophen Michael J. Sander gibt es in 16 hybriden Sessions und zahlreichen digitalen Meetups die Gelegenheit, die Konzepte der Sozialdemokratie zu debattieren. Es geht um eine gerechtere Welt, um Kultur, um Zukunft und Ausbildung, um Solidarität, um die Generation C, um Europa und die Welt und vieles andere mehr.

Im Programmprozess trage ich neben der Gesamterzählung besondere Verantwortung für ein Cluster, das sich mit dem Thema der technologischen und der gesellschaftlichen Innovation beschäftigt. Wie kommt das Neue in die Welt? Wie sorgen wir dafür, dass die Menschen mit Mut an Veränderung herangehen? Wie gestalten wir eine so bahnbrechende, tiefgreifende Innovation wie den digitalen Wandel so, dass er den Menschen dient, dem Gemeinwohl und der Entwicklung hin zu einer gerechteren Gesellschaft?

Beim Debattencamp freue ich mich besonders auf die Session „Die demokratische Gestaltung des digitalen Wandels, dafür haben wir den Blogger, Spiegel-Kolumnisten und Buchautor Sascha Lobo zu Gast und meine Kollegin, die stellvertretende digitalpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Elvan Korkmaz-Emre. Impulse für unsere Debatte liefern außerdem Maike Schubert, Leiterin der Winterhuder Reformschule in Hamburg, Thomas Gegenhuber, Professor an der Leuphana Universität Lüneburg, und Fabio Chiusi von Algorithm Watch.

Darum müssen wir uns kümmern

Dabei werden wir über die zentralen Fragen der Digitalisierung sprechen, die uns auch bei unserem Wahlprogramm-Prozess leiten. Digitale Bildung ist natürlich fundamental wichtig für ein selbstbestimmtes Leben im digitalen Wandel – das würde jeder und jede sofort unterschreiben. Aber was ist Digitale Bildung? Sie findet in jedem Fall nicht zwischen Nullen und Einsen statt, sondern weiterhin zwischen Menschen, auch wenn sich deren Rollen und Beziehungen möglicherweise grundlegend ändern. Der Kulturwandel, den die Digitalisierung mit sich bringt, wird auch die Lehr- und Lernkultur nicht unberührt lassen. Vor allem werden wir nie aufhören zu lernen, und dafür müssen Menschen ermutigt und befähigt werden. Um das selbstbestimmte Lernen voranzubringen, wollen wir dafür sorgen, dass Lehrkräfte wie Schüler*innen und alle anderen Bildungsinteressierten über eine vernetzte Plattform Zugang zu offenen, kuratierten Bildungsinhalten haben und sich dazu austauschen können. Digitale Endgeräte und schnelles Internet müssen als Voraussetzung für gleiche Teilhabe für alle Schüler*innen zugänglich sein.

Plattformen und digitale Dienste – wir müssen sie regulieren, bevor sie uns regulieren! Auch diese Einsicht ist nicht ganz neu, und sie dient als Grundgedanke des Digital Services Act, einem wahrlich ambitionierten Gesetzesvorhaben der Europäischen Union. Möglicherweise brauchen wir für die grundlegenden Bedürfnisse und Bedarfe einer digitalen Gesellschaft, beispielsweise in der Informationsbeschaffung, der Bildung, aber auch für Kommunikation, Kollaboration und Organisation der Zivilgesellschaft echte, freie und unabhängige  Alternativen zu den kommerziellen Angeboten, wo wir doch häufiger als Ware fungieren denn als souveräne Nutzer. Offene Plattformen und Dienste, wie sie ja auch für die Bildung entstehen sollen, könnten beispielsweise in staatlich geförderter, öffentlich-rechtlicher Trägerschaft entstehen. Bei der Marktfähigkeit von Alternativen wie Open-Source-Software spielt die öffentliche Hand als Kunde eine erhebliche Rolle.

Algorithmen und Daten – in ihrem Einsatz vermuten wir ungeahnte Potenziale. Ist dieses Heilsversprechen überhaupt berechtigt? In Deutschland entscheiden Algorithmen, wer kreditwürdig ist oder wer eine Einladung zum Bewerbungsgespräch bekommt. Anderswo errechnen Algorithmen das Potenzial von Menschen, kriminell zu werden. Für den Einsatz von algorithmischen Entscheidungen, die das Leben von Menschen maßgeblich beeinflussen, müssen deshalb klare Regeln gelten, deren Einhaltung überprüfbar sein muss. Auch wenn es darum geht, Diskriminierung durch algorithmische Entscheidungen zu verhindern, müssen Ziele definiert und deren Einhaltung überprüft werden. Einen entscheidenden Einfluss hat zudem die Auswahl und die Qualität der Daten, auf deren Basis der Algorithmus lernt, ebenso wie die Merkmale, auf deren Grundlage die Entscheidung getroffen wird. Ein Data Governance Institut soll die Kompetenz für diese Fragen allgemein verfügbar machen.

Saskia Esken ist Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Die von Daniel Finger (rbb) moderierte Session auf dem digitalen Debattencamp der SPD findet Samstag von 12:35 bis 13:15 Uhr statt, das gesamte Debattencamp geht von 10 bis 17 Uhr. Im Anschluss an die Session gibt es ein Meetup, bei dem vertieft diskutiert werden kann. 

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