Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen ist zentrale Aufgabe des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Dieser Aufgabe kommt der BfDI unter anderem durch regelmäßige Kontrollen der Nachrichtendienste nach. Gerade dort, wo personenbezogene Daten im Regelfall ohne Kenntnis der betroffenen Personen verarbeitet werden, kommt einer unabhängigen Datenschutzkontrolle eine besondere Bedeutung zu. Zur Wahrung der Unabhängigkeit sieht das Gesetz umfangreiche Rechte zugunsten des BfDI vor, so auch ein umfassendes Einsichtsrecht.
Am 22. Mai 2024 hat der BfDI Klage gegen den Bundesnachrichtendienst (BND) zur Durchsetzung seiner Kontrollrechte erhoben. Dieser Schritt wurde notwendig, weil sich der BfDI durch den BND und das Bundeskanzleramt (BKAmt) in seinen eigenen Kontrollrechten beschnitten sieht. Dass der BfDI ein Rechtsproblem gerichtlich klären lassen kann, ist im Bereich des Nachrichtendienstrechts nicht selbstverständlich. Nach aktueller Rechtslage ist dies grundsätzlich nur dann möglich, wenn der BfDI in eigenen Rechten verletzt ist. Werden durch den BfDI datenschutzrechtliche Verstöße gegen das Bundesnachrichtendienstgesetz gegenüber unwissend betroffenen Personen festgestellt, sind die Reaktionsmöglichkeiten des BfDI auf die Beanstandung beschränkt.
Dem BfDI steht die lückenlose Kontrolle sämtlicher Datenverarbeitungen durch den BND im Sinne einer Nachrichtendienstkontrolle zu, soweit nicht ausnahmsweise die G10-Kommission für G10-Daten zuständig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat dem BfDI die sogenannte Kompensationsfunktion zur Wahrung der Rechte der unwissend betroffenen Personen zugesprochen, deren Daten zu Unrecht von den Nachrichtendiensten des Bundes verarbeitet werden. Der BfDI kontrolliert alle Sicherheitsbehörden des Bundes und erlangt auch hierüber eine einzigartige Position als unabhängige Aufsichtsbehörde, die es zu wahren gilt. Zu Recht hat Gunter Warg den BfDI in seinem Buch „Recht der Nachrichtendienste“ als „Super-Fachaufsicht“ beschrieben.
Die Wirkungsgrenzen der Beanstandung
Stellt der BfDI eine rechtswidrige Datenverarbeitung durch den BND fest, kann er eine Beanstandung gegenüber dem BKAmt als Fach- und Rechtsaufsicht des BND aussprechen und das BKAmt zur Stellungnahme innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist auffordern. Die Stellungnahme des BKAmt soll dabei auch eine Darstellung der Maßnahmen enthalten, die aufgrund der Beanstandung des BfDI getroffen worden sind.
Es besteht die Annahme, dass eine solche Beanstandung ohne rechtsverbindlichen Charakter zwischen den beteiligten Behörden ausreichend ist. Denn nach dem Rechtsstaatsprinzip halten sich die Behörden an Recht und Gesetz, sodass es einer rechtsverbindlichen Anordnungsbefugnis nicht bedarf. Was aber passiert, wenn das BKAmt der Beanstandung nicht abhilft, weil dort eine divergierende (vertretbare) Rechtsauffassung vertreten wird? Was, wenn das Bundeskanzleramt die Auffassung vertritt, dass der festgestellte Sachverhalt unzutreffend ist? Werden dann letzten Endes zwischen BfDI und dem BKAmt hinter verschlossenen Türen ergebnislos Rechtsauffassungen oder Streitigkeiten über den richtigen Sachverhalt ausgetauscht?
Ohne die Möglichkeit, über die Beanstandung hinaus eine für die kontrollierte Stelle verbindliche Anordnung aussprechen zu können, muss dies – leider – bejaht werden. Die rechtlich unverbindliche Beanstandung einer rechtswidrigen Datenverarbeitung durch den Nachrichtendienst scheitert damit schon unterhalb der Schwelle einer das Rechtsstaatsprinzip verletzenden Rechtsauslegung.
Mit der dem BfDI verfassungsgerichtlich zugesprochenen Kompensationsfunktion sind die fehlenden Anordnungsbefugnisse nicht vereinbar. Denn es darf nicht sein, dass nach der Aussprache einer Beanstandung durch den BfDI die letztliche Deutungshoheit über die Frage, ob eine rechtmäßige Datenverarbeitung vorliegt, beim BKAmt als vorgesetzter Behörde des BND liegt und nicht von einem Gericht überprüft werden kann.
Gerichtliche Überprüfbarkeit bei Verletzung eigener Rechte des BfDI
Werden eigene Kontrollrechte des BfDI verletzt, kann der BfDI nach einer erfolglosen Beanstandung Klage zur Durchsetzung dieser Rechte erheben. Über die Rechtmäßigkeit der Beanstandung entscheidet damit, wie es im deutschen Rechtsstaat üblich sein sollte, ein Gericht.
Im Unterschied wäre eine Klage des BfDI wohl unzulässig, wenn er nach einer erfolglosen Beanstandung die Verletzung von Rechten betroffener Personen vor Gericht geltend machen würde. Die Zulässigkeit einer Klage setzt nämlich grundsätzlich voraus, dass die Verletzung eigener Rechte geltend gemacht wird. Popularklagen, mit denen die Verletzung von Rechten Dritter für Dritte geltend gemacht werden, sind prinzipiell unzulässig. Inwiefern sich dieser gesetzlich festgehaltene Grundsatz mit der Kompensationsfunktion des BfDI verträgt, wurde noch nicht gerichtlich geklärt. Bisher überwog die Auffassung, dass der BfDI wegen des Ausschlusses der Popularklage nach der aktuellen Gesetzeslage nicht klagebefugt ist.
Anordnungsrecht als Lösung zur Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze
Aus diesen Gründen hat der BfDI bereits mehrfach – auch im Rahmen der Gesetzgebungsnovellen des Bundesnachrichtendienstgesetzes – die Einführung eines Anordnungsrechts gefordert. Dieses Anliegen blieb bis heute ungehört.
Mit einem rechtsverbindlichen Anordnungsrecht wäre die letztliche Wirkungslosigkeit der Beanstandung beseitigt. Mit Ausspruch einer Anordnung hätte das BKAmt die Wahl. Entweder müsste die Anordnung befolgt oder aber vor einem Gericht angegriffen werden. Damit stünde die Letztentscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung durch den BND einem Gericht zu. Der Rechtsschutz unwissend betroffener Personen, die im Gegensatz zum BfDI keinen Einblick in die geheimen Datenverarbeitungen haben und dementsprechend vor Gericht regelmäßig an der Möglichkeit zur Darlegung ihrer Betroffenheit scheitern, würde hierdurch mittelbar gestärkt. Ein Anordnungsrecht für den BfDI gegenüber einer Sicherheitsbehörde wäre dem Grunde nach nichts Neues. Schon jetzt steht dem BfDI ein Anordnungsrecht gegenüber dem Bundeskriminalamt zu.
Nach ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin war Anya Mittnacht zunächst in der Bundeszentrale für politische Bildung tätig. Seit Mai 2018 leitet sie das Referat Arbeitsverwaltung, Beschäftigtendatenschutz und Verteidigung beim BfDI.