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Energie & Klima

Standpunkte Die EEG-Novelle muss den entscheidenden Impuls geben

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen
Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen Foto: VKU

Wenn die Bundesregierung in den kommenden Tagen oder Wochen eine EEG-Novelle vorlegt, muss rasch ein konstruktiver Dialog über die nächsten Schritte folgen, fordert Ingbert Liebing, der Hauptgeschäftsführer des Stadtwerkeverbands VKU. Einen Zeitverlust wie bei der Debatte um Windkraft-Mindestabstände dürfe es kein zweites Mal geben.

von Ingbert Liebing

veröffentlicht am 28.08.2020

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Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hatte in diesem April seinen 20. Geburtstag. Rückblickend kann man sagen: Mit steigendem Anteil der Erneuerbaren am Strommix musste sich das EEG in den vergangenen beiden Dekaden immer größer werdenden Herausforderungen stellen. An diesen Herausforderungen ist das Gesetz gewachsen. Jede der EEG-Novellen in dieser Zeit stand für einen Wachstumsschritt. Nach der Behandlung anfänglicher Kinderkrankheiten stehen vor allem die Einführung der Direktvermarktung, die gleitende Marktprämie und die Umstellung auf Ausschreibungen für die Evolution des EEG.

Ob das EEG jetzt erwachsen ist und was das eigentlich bedeutet, darüber kann man lange und vortrefflich streiten. Klar ist aber, auch ein Zwanzigjähriger ist noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen. Daher ist es so wichtig, dass die anstehende Novelle die Grundlagen für die Zukunft des EEG beziehungsweise die des Erneuerbaren-Ausbaus legt. 

Das Ziel ist klar

Mit dem Kohleausstiegsgesetz wurde das Ziel vorgegeben, das nun im Zentrum aller Maßnahmen stehen muss: 65 Prozent erneuerbarer Strom im Jahr 2030. Vom EEG 2021 muss daher der entscheidende Impuls für den Erneuerbaren-Ausbau im kommenden Jahrzehnt ausgehen. Konkret bedeutet dies: Die Ausbaupfade für die einzelnen Technologien müssen definiert und zugleich die entsprechenden Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, damit der notwendige Ausbau auch praktisch erreicht werden kann.

Die beiden entscheidenden Triebfedern für den Ausbau der erneuerbaren Energien – auch das hat die Erfahrung der letzten Jahrzehnte gezeigt – sind Windenergie und Photovoltaik. Im Klimaschutzplan hat die Bundesregierung ihre Vorstellungen von den Ausbaukorridoren schon einmal angedeutet. Die im Jahr 2030 installierte Leistung für Windenergie an Land soll demnach circa 70 Gigawatt, die von Photovoltaik knapp 100 Gigawatt betragen. Zum Vergleich: Heute schlagen Windenergie an Land mit etwa 54 Gigawatt und Photovoltaik mit über 50 Gigawatt zu Buche. Allein diese Zahlen zeigen, wie ambitioniert wir den Ausbau in den kommenden Jahren angehen müssen.

Fraglich ist trotzdem, ob dieser Ausbaukorridor ausreichen wird, um das 65-Prozent-Ziel zu erreichen. Sektorenkopplung, Elektromobilität, der Einsatz von Wasserstoff und Digitalisierung werden absehbar eine stärkere Nachfrage nach Strom auslösen. Diese Tatsache muss die Bundesregierung in der anstehenden EEG-Novelle berücksichtigen, wenn sie das Ziel für 2030 anpeilt. Auch die Umsetzung des europäischen Green Deal wird eine flexible Anpassung erforderlich machen. 

Raus aus der Ausbaukrise

Windenergie und Photovoltaik – der Ausbau beider Technologien verlief nicht frei von Krisen. Photovoltaik hat sich etwas erholt, Windenergie an Land steckt noch mitten in der Krise. Deswegen wird es in der EEG-Novelle vor allem auch darauf ankommen, den Ausbau der Windenergie an Land zurück auf Kurs zu bringen.

Jedem ist dabei klar: Kein Windenergieausbau ohne Akzeptanz vor Ort. In der Diskussion stehen verschiedene Modelle für eine Windenergieabgabe an Kommunen. Aus unserer Sicht verfolgt eine solche Abgabe den richtigen Ansatz, für mehr Akzeptanz bei den Bürgern und auch bei der lokalen Politik zu sorgen. Aber wie immer kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an. Entscheidend ist, dass die durch die Abgabe erzielten Einnahmen der örtlichen Gemeinschaft und damit indirekt allen Gemeindebewohnern zugutekommen. Bei der rechtlichen Ausgestaltung muss daher darauf geachtet werden, dass die Abgabe nicht im kommunalen Finanzausgleich verrechnet wird. Außerdem müssen alle neuen Windparks einbezogen werden – auch die, die keine EEG-Förderung in Anspruch nehmen. 

Mehr Energiewende in der Stadt

Die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz für das Projekt Energiewende als Ganzes sichern wir aber nur, wenn es nicht nur auf dem Land stattfindet. Auch der urbane Raum muss einen entscheidenden Beitrag zu Energiewende leisten. Das wird vor allem über einen massiven Ausbau der Photovoltaik gelingen. Die Technologie hat in den vergangenen Jahren erhebliche Sprünge – auch oder vor allem dank des EEG – gemacht. Es ist daher nur folgerichtig, jetzt auch die Früchte dieser teuer erkauften Entwicklung einzufahren und die vorhandenen Potenziale der Photovoltaik zu realisieren. Dabei gibt es vielfältige Ansätze, für einen besseren Ausbau der Solarenergie in den Städten zu sorgen.

Ein wichtiges Element ist dabei zweifellos der der sogenannte Mieterstrom. Allerdings bleiben die tatsächlichen Ausbauzahlen in diesem Segment drastisch hinter den Erwartungen zurück. Wir brauchen daher eine Verbesserung der Mieterstromförderung, vor allem durch eine Erhöhung des Mieterstromzuschlags und eine Erweiterung des Anwendungsbereichs, damit mehr Dächer für die Solarstromerzeugung genutzt werden. Spätestens auf der Strecke nach 2030 werden wir es uns auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht mehr leisten können, Flächen auszulassen.

Aber auch außerhalb der Städte liegen enorme PV-Potenziale, die noch nicht genutzt werden. PV-Freiflächenanlagen stehen mit Blick auf ihre Wirtschaftlichkeit Windenergieanlagen an Land in nichts nach. Allerdings unterliegen sie starken Restriktionen bei der Flächenkulisse. Es ist an der Zeit, diese Restriktionen endlich abzuschaffen. Flächen des Bundes und der Länder müssen deshalb konsequent für die energetische Nutzung zugänglich gemacht und die Strecken entlang der Verkehrswege intensiver genutzt werden dürfen. 

Grundlagen für den Ausbau von morgen

Es ist schon fast Binsenweisheit zu sagen: Heute werden die Grundlagen für den Erneuerbaren-Ausbau von morgen geschaffen. Dennoch muss man immer wieder daran erinnern. Denn diese Binsenweisheit hat zu Folge: Wir haben nicht unendlich Zeit, die EEG-Novelle zu beschließen. Klar ist: Wenn die Bundesregierung in den kommenden Tagen oder Wochen eine EEG-Novelle vorlegt, muss es einen konstruktiven Dialog darüber geben, was jetzt die geeigneten Maßnahmen sind, um das Ziel zu erreichen. Klar muss aber auch sein, dass wir eben zügig zu Entscheidungen kommen müssen. Die viel zu lange Diskussion um die Windabstandsflächen war nicht hilfreich, um die Windenergie aus der Krise zu helfen.

Gerade der Ausbau der erneuerbaren Energien zeigt: Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung vom Bund, von den Ländern bis hin zu den Kommunen, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. Die anstehende EEG-Novelle legt die Basis, die Länder und die Kommunen müssen dann vor allem bei der Flächenausweisung, bei Planung und Genehmigung den Ausbau vor Ort ermöglichen. Und wie immer gilt: Nach der Novelle ist vor der Novelle. Auf der politischen Tagesordnung der kommenden Legislaturperiode muss eine Reform der Steuern, Abgaben und Entgelte stehen. Das bestehende System passt nicht zu einem auf überwiegend erneuerbaren Energien basierenden Energieversorgungssystem.

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