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Energie & Klima

Standpunkte Drill, drill, drill – die Pläne der Republikanischen Partei für die US-Klimapolitik

Ella Müller, Heinrich-Böll-Stiftung, Washington, DC.
Ella Müller, Heinrich-Böll-Stiftung, Washington, DC. Foto: Ella Müller (privat)

In den USA haben die Vorwahlen für die Präsidentschaftsnominierung begonnen und bei den Republikanern ist Donald Trump der eindeutige Favorit. Der Einzug eines republikanischen Kandidaten ins Weiße Haus wäre das Ende von Amerikas Klimapolitik, schreibt Ella Müller von der Heinrich-Böll-Stiftung in ihrem Standpunkt.

von Ella Müller

veröffentlicht am 22.01.2024

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Im Dezember gab Donald Trump Fox News ein Fernsehinterview. Gefragt, ob er vorhabe, in einer zweiten Amtszeit zum Diktator zu werden, antwortete er hämisch grinsend: nur am ersten Tag. „I want to close the border, and I want to drill, drill, drill.“ Es folgte eine aufgeregte Diskussion in den Medien, wie ernst es Trump mit dieser erneuten rhetorischen Eskalation meinte und ob tatsächlich eine Diktatur drohe. Kaum Aufmerksamkeit erhielt seine Kampfansage an den Klimaschutz

Trump und die republikanische Partei bereiten sich auf eine zweite Amtszeit vor: Der Angriff auf die liberale, pluralistische Demokratie in Amerika und die aggressive Verteidigung der fossilen Welt sind heute die zentralen Säulen der rechten Agenda. Wenn Trump also im Wettbewerb um die Präsidentschaft 2024 „Bohren, bohren, bohren“ als Leitlinie ausgibt, ist dies kein Bruch mit republikanischer Politik: Es ist die Fortsetzung und Zuspitzung einer politischen Strategie, die sich in den 1990er Jahren formte. Und doch wird man der Radikalität seines Statements nicht gerecht, wenn man es ausschließlich als Kontinuität beschreibt. 

Fahrplan für grundlegenden Umbau der USA

Am Ende von Trumps erster Amtszeit dominierte bei vielen Konservativen das Gefühl, die Zeit an der Macht nicht effizient genug genutzt zu haben. Die ersten Monate mit Trump im Amt waren geprägt von Führungschaos, Planlosigkeit und allgemeinen Dilettantismus; der damaligen Regierung stand wiederum eine politisierte und widerstandsbereite Zivilgesellschaft gegenüber, die sich in Massenprotesten gegen den Präsidenten sammelte oder spontane Aktionen wie Rechtsberatung an Flughäfen für Menschen, die von Trumps Einreisesperren betroffen waren, organisierte. Als die Demokraten bei den Zwischenwahlen 2018 das Repräsentantenhaus zurückeroberten, war die republikanische Bilanz mager. Den größten Erfolg stellten die Neuberufungen an den Supreme Court dar und die Verbeamtung zahlreicher reaktionärer Richterinnen und Richter. Aber ansonsten waren selbst Kernpunkte der konservativen Agenda, zum Beispiel das Ende von Obamas Gesundheitsreform, nicht durchgesetzt worden.

Eine zweite Amtszeit von Trump sähe allerdings ganz anders aus. Dieses Mal bringt sich die konservative Bewegung in Amerika rechtzeitig in Stellung, um dem nächsten republikanischen Präsidenten zu dienen und die Reihen zu schließen. Die Heritage Foundation, einer der ältesten und einflussreichsten konservativen Thinktanks in Washington, DC, veröffentlichte rechtzeitig zum Wahlkampfauftakt das „Project 2025 – A Presidential Transition Project“: Der fast tausend Seiten lange Text enthält einen detaillierten Fahrplan, der das Ziel verfolgt, Amerika grundlegend umzubauen.

Die nächste Präsidentschaft soll genutzt werden, um nach dem Supreme Court auch den amerikanischen Staatsapparat zum Teil eines reaktionären, anti-pluralistischen und anti-liberalen Projekts zu machen. Amerikas Verwaltung soll von politisch verdächtigen Beamten gesäubert und mit erzkonservativen Loyalisten besetzt werden. Unliebsame Behörden wie die Umweltaufsicht EPA oder die Finanzämter sollen kaltgestellt werden, ihre Budgets gestrichen, interne Expertinnen und Experten entlassen und Befugnisse genommen werden.  

Auch in diesen detaillierten Plänen wird der Abwicklung von Bidens Klima- und Industriepolitik Priorität eingeräumt. „Stop the war on oil and natural gas“, lautet die Devise. Mit großer Präzision und einem unverhohlenen Eifer beschreibt das „Project 2025“, wie der Inflation Reduction Act und alle seine klimapolitischen Aspekte rückgängig gemacht oder, wo das nicht mehr möglich ist, sabotiert werden können.

Die Umweltbewegung wird als Feind betrachtet

Die Helden dieser rechten Erzählung sind Bauern und Trucker; Amerikas Zukunft findet auf Bohrinseln, in Kohleminen und Erdgasanlagen statt. Die Gegner sind die Linke, „globalist elites“, und „woke extremists“. Einer der Hauptfeinde ist die Umweltbewegung mit ihrer „anti-human pseudo-religion“, deren staatlicher Arm, die EPA, heimlich Amerikas Energieproduktion mit einem erdrückenden Regelwerk abwürge. Der Tonfall ist paranoid, maximal alarmistisch und aggressiv: „Conservatives have just two years and one shot to get this right. With enemies at home and abroad, there is no margin for error. Time is running short. If we fail, the fight for the very idea of America may be lost.“

Die Klimakrise als Bedrohung spielt keine Rolle im republikanischen Weltbild. Dafür sind die Autorinnen und Autoren des Programms sehr gut darin, systematisch alle staatlichen Maßnahmen zu identifizieren, die im weitesten Sinne als Reaktion auf die Klimakrise gedeutet werden können. Dazu gehören zum Beispiel die zaghaften Versuche der Biden-Administration, die gewaltigen staatlichen Agrarsubventionen anders zu verteilen: Weniger in Richtung der großen Konzerne, mehr zu Gunsten kleinerer und mittlerer Familienhöfe, die diese Mittel dringend brauchen, um sich an die neuen Extremwetterlagen und dramatisch schnell ändernden klimatischen Bedingungen anzupassen. „Project 25“ ist eine detaillierte Anleitung, Klimaschutz aus allen staatlichen Bereichen zu löschen.

Was wird aus Bidens Klimaschutzpolitik?

Klimapolitik in den USA hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Seit der Unterzeichnung des Inflation Reduction Act (Bidens großer Klimareform) im Sommer 2022 wächst das ökonomische Interesse an der Dekarbonisierung: Unternehmen, Betriebe, Gemeinden und Bundesländer nutzen die großzügigen Steuererleichterungen der derzeitigen Regierung, um aus der fossilen Abhängigkeit zu entkommen. Auch andere einflussreiche politische Akteure wie die Gewerkschaften sind mit an Bord.

Soziale Aspekte der Transformation und Jobsicherheit stehen im Zentrum der Klimapolitik, auch wenn das bedeutet, dass technisch effizientere oder ökologisch sauberere Wege nicht gegangen werden. Dafür schafft die forcierte Dekarbonisierung Jobs in der Batterieherstellung, der Windanlagen-Montage, der E-Auto- oder Solarpanel-Produktion und mit jedem dieser neuen Arbeitsplätze werden Arbeitnehmer zu Wählern, für die Klimapolitik keine ökologische Frage mehr ist, sondern eine sehr persönliche.

Wirtschaftsfreundliche Klimapolitik besänftigt nicht

Die Umweltbewegung selbst hat in diesem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess eine enorme Flexibilität und hohe Nehmerqualitäten an den Tag gelegt. Amerikas Dekarbonisierung ist nur begrenzt grün. Der Fokus auf Investitionen und Infrastruktur hat den Erhalt von Natur und den Artenschutz verdrängt – trotz eskalierender Biodiversitätskrise. Der ökologische Kampf für einen Lebensstilwandel, etwa im Bereich Ernährung oder Mobilität, pausiert. Wirtschaftsfreundlicher und zugleich versöhnlicher gegenüber den alltäglichen Klimasünden der Amerikanerinnen und Amerikaner kann Klimapolitik kaum sein.

Doch dieses große Entgegenkommen ändert nichts am radikal anti-ökologischen Kurs der Republikanischen Partei. Im Gegenteil: Die Verteidigung der fossilen Welt scheint mit eskalierender Klimakrise noch stärker ins Zentrum zu rücken. Die Skandalisierung von ökologischen Einzelmaßnahmen oder die enthemmte Kriminalisierung von Klimaaktivistinnen ist dabei essenziell für die republikanische Existenz: Erst dadurch, dass konservative Meinungsmacher aus Politik und Medien ihren Anhängern permanent das Gefühl geben, von Klimabewegung und Umweltbehörden angegriffen zu werden, wird die eigene Opferhaltung plausibel. Diese Selbstviktimisierung braucht es wiederum, um die Radikalität und Hemmungslosigkeit zu legitimieren, mit der das konservative Amerika den demokratischen Gegner bekämpft.

„Drill, drill, drill“ ist eine Ankündigung, die wir ernst nehmen müssen. Es ist republikanische Kontinuität und Eskalation zugleich und damit bezeichnend, für das, was kommt, wenn die Demokraten die Wahl im November verlieren.

Dr. Ella Müller leitet das Democracy Programm der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington, DC. Jüngst hat sie ein Buch zur Geschichte der amerikanischen Rechten veröffentlicht. Die Stiftung steht den Grünen nahe.

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