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Energie & Klima

Standpunkte Ein Recht auf Umwelt

Sebastian Lutz-Bachmann, Partner bei Posser, Spieth, Wolfers & Partners
Sebastian Lutz-Bachmann, Partner bei Posser, Spieth, Wolfers & Partners

Der deutsche Gesetzgeber nutzt den Spielraum der Erneuerbaren-Richtlinie nicht aus, monieren die Rechtsanwälte Sebastian Lutz-Bachmann und Jakob Zywitz. Als gangbaren Mittelweg zwischen Verfahrensbeschleunigung und Umweltschutz sollten ihrer Meinung nach Offshore-Windparkentwickler die Möglichkeit erhalten, auf freiwilliger Basis Umweltunterlagen einzureichen.

von Sebastian Lutz-Bachmann

veröffentlicht am 15.05.2024

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Bis zum Jahr 2045 soll die Offshore-Windenergie allein in Deutschland auf 70 Gigawatt ausgebaut werden. Um dieses Ziel einzuhalten, sind beschleunigte Genehmigungsverfahren erforderlich. Dazu hat die EU im Rahmen der im Winter reformierten Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) grundlegende Richtungsentscheidungen getroffen. Die RED III sieht unter anderem vor, dass Umweltuntersuchungen in Genehmigungsverfahren für Offshore-Windenergieprojekte auf den meisten Flächen nahezu vollständig entfallen sollen.

Gleichwohl ermöglicht es der nationale Umsetzungsspielraum den Mitgliedsstaaten, Entwicklern das Recht einzuräumen, in den Genehmigungsverfahren auf freiwilliger Basis optionale Umweltunterlagen einzureichen. Eine solche Einreichungsoption ließe sich minimalinvasiv in den Gesetzesentwurf der Bundesregierung einfügen, der sich momentan im Gesetzgebungsverfahren befindet. Das Optionsrecht genügt sowohl den Vorgaben der RED III und dient gleichzeitig einem hohen Schutzniveau von Umweltbelangen im Genehmigungsverfahren. 

Die reformierte RED III verpflichtet die Mitgliedstaaten, sogenannte Beschleunigungsgebiete auszuweisen, die für Anlagen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen besonders geeignet sind. Für Projekte innerhalb dieser Beschleunigungsgebiete entfällt zukünftig die Umweltverträglichkeitsprüfung und die FFH-Verträglichkeitsprüfung, sofern Minderungsmaßnahmen bei der Projektrealisierung umgesetzt werden. Stattdessen werden die Umweltauswirkungen des konkreten Vorhabens lediglich im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens überschlägig überprüft. Diese Beschleunigungsvorgaben gelten auch für Offshore-Windenergieprojekte.

Kritik am Gesetzesentwurf der Bundesregierung

Zur Umsetzung dieser Vorgaben hat das Bundeskabinett am 27. März 2024 den Entwurf eines Gesetzes, unter anderem zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) beschlossen. Damit sollen die Vorgaben der RED III umfassend in das nationale Recht überführt werden. Für Genehmigungsverfahren von Offshore-Windparks, die sich auf Beschleunigungsflächen befinden, sollen die Umweltverträglichkeitsprüfung, die FFH-Verträglichkeitsprüfung und die artenschutzrechtliche Prüfung nach Paragraph 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) entfallen. Diese Änderungsvorschläge werden von Teilen der Industrie und von Umweltverbänden kritisiert. Auch der Umweltausschuss des Bundesrates hatte sich gegen einen Entfall der UVP ausgesprochen. 

Im Rahmen des Umsetzungsspielraums der Mitgliedsstaaten gibt es eine Lösung, mit der die von der RED III bezweckte Beschleunigung gewährleistet und gleichzeitig ein Höchstmaß an Umweltschutz ermöglicht werden kann: Vorhabenträgern könnte im deutschen Umsetzungsgesetz die Möglichkeit eingeräumt werden, in den Genehmigungsverfahren von Offshore-Windenergieprojekten auf Beschleunigungsflächen auf freiwilliger Basis optionale Umweltunterlagen einzureichen. 

Lösungsvorschlag mit den EU-Vorgaben vereinbar

Diese vorgeschlagene Einführung eines Rechts zur Einreichung optionaler Umweltunterlagen stellt einen gangbaren Mittelweg zwischen einer vollständigen Umweltverträglichkeitsprüfung und dem vollständigen Verzicht auf Umweltuntersuchungen dar. Die zuständigen Behörden erhielten auf Kosten der Vorhabenträger aktuelle Umweltunterlagen, mit denen sie im Rahmen des Genehmigungsverfahren Umweltauswirkungen des Vorhabens überprüfen können. Denn dieses Screening basiert auf Informationen, die die Projektträger bereitstellen. Die Vorhabenträger gewönnen durch die zusätzlichen Umweltuntersuchungen eine erhöhte Planungssicherheit

Der Vorschlag ist auch mit den Umsetzungsvorgaben der RED III vereinbar. Denn es wird keine Umweltverträglichkeitsprüfung beibehalten, die nach der RED III für Genehmigungsverfahren in Beschleunigungsgebieten für unanwendbar erklärt worden ist. Die Option für Vorhabenträge, zusätzliche Umweltunterlagen einzureichen, ist vor allem nicht gleichzusetzen mit einer vollständigen Umweltverträglichkeitsprüfung. Alle weiteren Verfahrensschritte der Umweltverträglichkeitsprüfung, insbesondere die Vorgaben zur Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung, entfallen vollständig. Die Beschleunigungswirkung bleibt somit erhalten.

Sebastian Lutz-Bachmann, LL.M., und Dr. Jakob Zywitz sind Rechtsanwälte der Sozietät Posser, Spieth, Wolfers & Partners, die seit Jahren Akteure im Offshore-Windmarkt berät. Beispielsweise war die Kanzlei 2020 an der Verfassungsbeschwerde von 16 Unternehmen gegen das Windenergie-auf-See-Gesetz beteiligt.

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