Der zügige und flächendeckende Rollout von Smart Metern ist für die erfolgreiche und beschleunigte Energiewende von zentraler Bedeutung. Im europäischen Vergleich gehört Deutschland mit einer Einbaurate von einem Prozent zu den Schlusslichtern. Viele Länder, zum Beispiel Dänemark und Schweden, sind inzwischen bei so gut wie hundertprozentiger Ausstattung.
Handwerkliche Fehler im Gesetz, rechtliche Unsicherheiten und fehlender politischer Wille haben in den letzten Jahren zu einem Stillstand beim Smart-Meter-Rollout geführt. Stillstand überall? Nicht ganz. Wettbewerbliche Messstellenbetreiber treiben den Ausbau voran, stehen mit Innovationen bereit und haben neue Geschäftsfelder erschlossen.
Gerade beim von der Bundesregierung angestrebten Neustart des Smart-Meter-Rollout braucht es diese wettbewerblichen Mitbewerber. Sie erfüllen eine wichtige Rolle neben dem grundzuständigen Messstellenbetreiber, der als Tochter der lokalen Stadtwerke mit der Liberalisierung alle Messstellen übernommen hat und für den örtlichen Rollout „gesetzt“ ist. Die freien Wettbewerber übernehmen dieselben Aufgaben, sind aber meist bundesweit tätig.
Wettbewerb schließt die Lücken
Dadurch, dass sie sich um die Kunden bemühen müssen und sie nicht „geerbt“ haben, sind sie oft innovativer und näher an den Kundenbedürfnissen. Und sie stehen bereit einzuspringen, wenn Kunden schneller Smart Meter benötigen als der Grundzuständige liefern kann. Das aktuelle Barometer Digitalisierung der Energiewende rechnet mit rund 30 Prozent Grundzuständigen, die noch nicht rolloutfähig sind. So beschleunigen und verbessern wettbewerbliche Messstellenbetreiber den Rollout.
Das funktioniert allerdings nur, solange ein fairer Wettbewerb herrscht. Nach dem Willen des Gesetzgebers unterliegt der grundständige Messstellenbetrieb gesetzlichen Preisobergrenzen, um die Kosten für Endkunden zu deckeln. Derzeit basieren diese Obergrenzen auf einer Studie aus dem Jahr 2013 (aktualisiert 2014).
Dabei handelte es sich nicht etwa um eine Analyse der tatsächlichen Kosten intelligenter Messsysteme – diese waren ja noch nicht am Markt etabliert. Vielmehr waren die Autoren gezwungen, die zukünftige Kostenentwicklung zu schätzen. Es wundert nicht, dass die Studie den Ereignissen der letzten zehn Jahre nicht gerecht werden konnte. So waren insbesondere die Preissteigerungen infolge des Krieges in der Ukraine, Lieferverzögerungen und die seither eingetretene Inflation nicht berücksichtigt. Daher könnten diese – auf Schätzwerten basierenden – Obergrenzen als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig angesehen werden. Dies könnte das Gesetz unnötig verfassungsrechtlichen Bedenken aussetzen und die Einführung weiter verzögern.
Ampel muss kartell- und europarechtliches Risiko senken
Geplant sind zudem neue Standardleistungen, deren Umfang noch nicht abschließend definiert ist. Momentan werden auch hier Preisobergrenzen geplant – ohne eine entsprechende und aktuelle Kostenanalyse. Damit nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass die hierfür vorgesehenen Preisobergrenzen unter Umständen ebenfalls unwirtschaftlich sind mit dem entsprechenden Rechtsrisiko.
Für wettbewerbliche Betreiber gelten zwar keine Obergrenzen, sie sehen sich aber einer zukünftigen Konkurrenz ausgeliefert, die gezwungenermaßen Preise anbieten muss, die nicht kostendeckend sind. In diesem Punkt liegt sicherlich eine der konzeptionellen Schwachstellen der „staatlichen Preissetzung“: Eine flexible Regelung, die auch die wettbewerblichen Verhältnisse auf dem Markt berücksichtigt, fehlt im Gesetz.
Man kann daher aus kartellrechtlicher Sicht durchaus die Frage aufwerfen, ob diese Regelung zu einer Diskriminierung der wettbewerblichen Messtellenbetreiber und somit einer Marktzutrittsbarriere führen könnte. Eine Solche könnte dann gegen die Vorschriften des europäischen Wettbewerbs- und Kartellrechts verstoßen. Die Folge: Europarechtswidrige Normen müssten vom deutschen Gesetzgeber zwingend geändert werden und der Roll-Out wäre erneut Verzögerungen ausgesetzt.
Die tatsächlichen Kosten bestimmen
Insbesondere die Ampelkoalition und das BMWK müssen also handeln und beim Smart-Meter-Reparaturgesetz entsprechend nachbessern. Am wichtigsten ist es, so schnell wie möglich die tatsächlichen Kosten zu bestimmen. Auf dieser Faktenbasis müssen dann die Preisobergrenzen für die bereits im Messstellenbetriebsgesetz 2016 definierten Leistungen entsprechend angepasst werden. Für alle neuen Leistungen müssen zunächst die Anforderungen abschließend definiert werden, um die Aufwände bestimmen zu können. Erst dann sollte der Gesetzgeber durch Preisvorgaben in den Markt eingreifen, sofern erforderlich.
Aber nicht nur auf der Preisseite sind Verbesserungen notwendig, auch auf der Kostenseite gibt es durch Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen Einsparpotenziale. Hilfreich wäre es, auf eine breite Auswahl von Technologielieferanten zurückgreifen zu können. Angesichts von nur vier zertifizierten Herstellern von Smart Meter Gateways und einer vergleichbar kleinen Anzahl von Softwareanbietern für die Gateway Administration (GWA) ist das seit Jahren nicht der Fall. Hier gilt: wenn einer der Anbieter hustet, bekommen weite Teile der Branche Schnupfen. Gateway Administratoren sollten daher dazu verpflichtet werden, den „Umzug“ von Smart Meter Gateways zu anderen Betreibern vollautomatisiert zu ermöglichen. Dies belebt den Wettbewerb und stärkt die Ausfallsicherheit des Systems insgesamt.
Auf dieser Basis können dann alle Messstellenbetreiber, insbesondere auch die wettbewerblichen, zu einem erfolgreichen Rollout beitragen. Damit Deutschland nicht mehr auf den hinteren Plätzen verweilt, sondern bald zu den Beinahe-100-Prozent-Ländern gehört, die mit voller Kraft die Energiewende bewältigen können.
Friedrich Rojahn ist Geschäftsführer der Berliner Solandeo
GmbH. Der Energiedienstleister ist nach eigenen Angaben seit 2013 als
wettbewerblicher Messstellenbetreiber tätig.