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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Ausufernde Kosten für Hygiene

Albert Beyer, Berufsverband der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte
Albert Beyer, Berufsverband der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte Foto: privat

Keimfreiheit ist das oberste Prinzip ärztlicher Untersuchungen und Behandlungen. Der Berufsverband niedergelassener Magen-Darm-Ärzte setzt sich für hohe hygienische Standards ein, betont der Vorstandsvorsitzende Albert Beyer. Aber ohne ausreichende Refinanzierung drohten künftig Engpässe.

von Albert Beyer

veröffentlicht am 17.08.2021

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Das schärfste Schwert, um Übertragungswege von Krankheitserregern zu unterbinden, sind konsequente Hygiene-Maßnahmen. In unseren Praxen treiben wir Magen-Darm-Ärzte deshalb nicht erst seit Corona einen sehr hohen Aufwand zum Schutz unserer oft chronisch erkrankten Patienten.

Keimfreiheit ist das oberste Prinzip bei allen Untersuchungen und Behandlungen im Umgang mit Patienten und Patientinnen. Dafür gibt es klare Regeln, die die niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte auf Basis der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und internationaler Fachgesellschaften schon seit vielen Jahren für ihren Bedarf formuliert und als Regelwerk niedergelegt haben. Die Facharztpraxen setzen diese bewährten Standards um und werden diesbezüglich regelmäßig von den Behörden kontrolliert.

Der Berufsverband hat die Wichtigkeit hygienischer Standards von Anfang an zu seinem Thema gemacht und sich für bundesweit einheitliche Kontrollmechanismen eingesetzt. Die Endoskope für Magen- und Darmspiegelungen werden nach aufwändigen Verfahren von eigens dafür durch den Verband ausgebildeten Fachkräften in speziellen Waschmaschinen gereinigt. Alle austauschbaren Zusatzinstrumente werden als Einmalartikel eingesetzt.

Nachfrage nach Darmspiegelungen trotz Corona ungebrochen

Es sind diese zuverlässigen, seit Jahren etablierten Hygienestandards, die es den niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte schon sehr schnell nach dem ersten Lockdown im letzten Jahr ermöglicht haben, effektive Schutzmaßnahmen vor Corona-Infektionen einzuführen. Deshalb konnten wir die Betreuung unserer Patienten zeitnah wieder aufnehmen und durchgängig bis heute sicher stellen. So haben wir dafür gesorgt, dass niemand aus Angst vor Infektionen Untersuchungen oder Behandlungen verschieben muss. Wir sind froh, dass uns die Menschen weiterhin ihr Vertrauen schenken, was unter anderem die Nachfrage nach Darmspiegelungen zur Darmkrebsvorsorge belegt, die im vergangenen Jahr trotz Corona ungebrochen in Anspruch genommen worden ist.

Die Anforderungen an Hygiene in Praxis und Klinik sind in den vergangenen Jahren immer höher geschraubt worden, die Kontrollen durch die Behörden wurden immer schärfer. Seit 2014 wurde seitens der ärztlichen Körperschaften ein erheblicher Zusatzaufwand angemahnt, der seit 2019 darüber hinaus durch Landeshygieneverordnungen zwingend vorgeschrieben ist. Die niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte sind hier in Vorleistung gegangen, um endoskopische Untersuchungen für ihre Patienten so sicher wie nur irgend möglich anbieten zu können. Der Investitionsaufwand und die Instandhaltungskosten für die erforderlichen Reinigungsmaschinen und der finanzielle Aufwand für die Qualifizierung des Personals sind bis heute nicht in adäquater Weise in der Leistungsvergütung abgebildet.

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) hat die anfallenden Kosten für invasiv tätige Internisten überschlagsmäßig auf jährlich mehr als 60.000 Euro je Praxis beziffert. In den Praxen der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte liegen die durchschnittlichen Kosten wegen der speziellen endoskopischen Leistungen mit vom ZI geschätzten rund 94.000 Euro* allerdings erheblich höher. Das gilt in ähnlicher Weise auch für andere endoskopisch tätige Facharztpraxen.

Verhandlungen mit Kassen zur Gegenfinanzierung unbefriedigend

Die Politik hat zwar inzwischen dafür gesorgt, dass für Leistungen der allgemeinen Hygiene – unter Berücksichtigung der Corona-Pandemie – für alle Praxen 98 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt worden sind. Dies entspricht 980 Euro pro Praxis in Deutschland. Über diese allgemeinen Hygiene-Maßnahmen hinaus fallen in der Praxis des Magen-Darm-Arztes jedoch in erheblichem Umfang die speziellen hygienischen Erfordernisse für endoskopische Untersuchungen ins Gewicht. Die seit mehr als zehn Jahren ständig steigenden Anforderungen dafür werden bei der Kostenerstattung nach wie vor nicht berücksichtigt und nicht bezahlt, der GKV-Spitzenverband lehnt eine Gegenfinanzierung strikt ab. Seit 2014 werden Verhandlungen zur Gegenfinanzierung aktiv durch den GKV-Spitzenverband blockiert, obwohl das unabhängige Institut des Bewertungsausschusses (INBA) zuletzt festgestellt hatte, dass diese speziellen Hygieneleistungen in der aktuellen Vergütung unberücksichtigt sind.

Das kann so nicht weitergehen. Unser Ziel ist es, dass wir unsere Patientinnen und Patienten weiterhin in gewohnter Qualität und nach aktuellen fachlichen und hygienischen Standards in unseren Praxen versorgen. Wenn die Krankenkassen jedoch die Finanzierung der komplexen Aufbereitung von endoskopischen Geräten und anderer spezieller Hygienemaßnahmen in fachärztlichen Praxen nicht in akzeptablem Umfang regeln, werden Facharztpraxen bestimmte Leistungen nicht mehr anbieten können.

Inakzeptable Situation, auch für Patientinnen und Patienten

Im Schulterschluss mit anderen endoskopierenden Fachgruppen werden die Magen-Darm-Ärzte unter der Federführung des Spitzenverbandes der Fachärzte Deutschlands (SpiFa) dazu übergehen, ihre Patienten und Patientinnen auf die inakzeptable Situation hinzuweisen und sie darüber aufzuklären, dass ihre Krankenkassen die zu ihrer Sicherheit erforderlichen Hygiene-Maßnahmen nicht angemessen finanzieren wollen. Wir werden ihnen erklären müssen, dass besonders kostenintensive, aber sehr schlecht bezahlte Leistungen wie beispielsweise eine Magenspiegelung ambulant nur bei entsprechender Gegenfinanzierung ohne finanzielle Einbußen angeboten werden können. Vorübergehende Engpässe werden die Patienten und Patientinnen sehr zu unserem Bedauern unter den gegebenen Umständen hinnehmen müssen. Es liegt in der Hand der Krankenkassen, daran etwas zu ändern.

Die Magen-Darm-Ärzte tragen ihren Teil dazu bei, dass die Versorgung chronisch erkrankter Patienten in Zeiten der Pandemie genauso sicher gestellt ist wie die so lebenswichtige Darmkrebsvorsorge. Wir beklagen uns nicht, dass die Kosten für Handschuhe, Desinfektionsmittel, Einmalschutzkittel und Mund-Nasen-Schutz entgegen der Versprechen der Politik bis heute mal wieder nicht übernommen worden sind. Aber wir erwarten schon, dass sich die Kostenträger endlich bewegen und ihrer Verpflichtung für die Finanzierung der Aufrechterhaltung einer hohen Infektionssicherheit in unseren Praxen nachkommen.

*Durchschnittliche Euro-Kosten je Praxis im Jahr 2018, unpräziser Wert mit einem relativen Standardfehler von 16 Prozent. Quelle: Erhebung Hygienekosten in Vertragsarztpraxen, persönliche Kommunikation des bng mit dem ZI.

Dr. med. Albert Beyer ist Vorstandsvorsitzender des Berufsverbandes der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte (bng).

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