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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Coronatest im Betrieb: Arbeit nur mit Test?

Rechtsanwältinnen Inka Müller-Seubert und Paula Wernecke
Rechtsanwältinnen Inka Müller-Seubert und Paula Wernecke Foto: CMS Deutschland

Wie ist die Corona-Testpflicht für Unternehmen umzusetzen? Welche Rechte haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Diese Fragen beantworten die Rechtsanwältinnen Inka Müller-Seubert und Paula Wernecke der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

von Inka Müller-Seubert und Paula Wernecke

veröffentlicht am 20.04.2021

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Solange noch nicht genügend Impfstoff zur Verfügung steht, gelten regelmäßige Coronatests als wirksames Mittel, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Durch präventive Tests können auch symptomlose Krankheitsverläufe erkannt und Infektionsketten durchbrochen werden. Durch die nun vom Bundeskabinett beschlossene Corona-Testpflicht für Unternehmen sollen Unternehmen im Rahmen der nationalen Teststrategie stärker in die Pflicht genommen werden. 

Viele Unternehmen sind nun verunsichert. Muss ich meine Mitarbeiter testen? Auch, wenn sie nicht wollen? Und: Wer bezahlt die ganzen Tests eigentlich? 

Unternehmen müssen Testangebot machen

Unternehmen werden dazu verpflichtet, ihren Beschäftigten, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten, einen Corona-Test pro Woche anzubieten. Zwei verpflichtende Testangebote pro Woche soll es etwa für die Beschäftigten geben, die direkten Körperkontakt zu anderen Personen haben, beispielsweise Friseure oder Pfleger. Ebenso solche, die in geschlossenen Räumen arbeiten, wodurch eine Übertragung des Coronavirus begünstigt wird – etwa Mitarbeiter in Fleischfabriken. Auch Beschäftigte mit häufigem Kundenkontakt sollen häufiger getestet werden.

Sollten Mitarbeiter ein positives Testergebnis erhalten, müssen sie sich in Quarantäne begeben und einen genaueren PCR-Test zur Überführung machen lassen.

Auch Mitarbeiter, die grundsätzlich im Home-Office arbeiten, haben einen Anspruch auf einen Test – allerdings nur dann, wenn sie ins Büro kommen. Eine Pflicht des Arbeitgebers, kostenlose Schnelltests den Mitarbeitern nach Hause zu senden, gibt es nicht. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter seit Beginn der Pandemie aus dem Home-Office arbeiten lassen, profitieren. 

Mitarbeiter entscheiden eigenständig, ob sie das Angebot annehmen

Eine Pflicht der Arbeitnehmer, das Angebot zur Nutzung eines kostenlosen Tests anzunehmen, sieht die Verordnung nicht vor. 

Arbeitnehmer dürfen selbst entscheiden, ob sie das Angebot annehmen. Beschäftigte müssen sich anlasslos nicht präventiv testen lassen. Denn ein Corona-Test stellt einen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte, allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Es ist daher nicht möglich, im Rahmen des Arbeitsschutzes Beschäftigte zu einem Test zu zwingen. Dafür gibt es keine rechtliche Handhabe. Auch eine Überwachung ist den Arbeitgebern nicht zuzumuten. Möchte das Unternehmen einen Mitarbeiter zum Test verpflichten, muss es eine Interessenabwägung (Verhältnismäßigkeitsprüfung) vornehmen: das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters gegen die Schutzwürdigkeit (der Gesundheitsschutz) des Unternehmens und der anderen Mitarbeiter.

Für die Verpflichtung zu einem Schnelltest können beispielsweise ein Urlaub in einem Risikogebiet, das Zusammenarbeiten mit Risikogruppen, oder körpernahe Dienstleistungen sprechen. In solchen Fällen kann der Arbeitgeber durch sein gesetzlich verankertes Weisungsrecht den Mitarbeiter zu einem Corona-Test verpflichten. Trotzdem bleibt dies in letzter Konsequenz eine Einzelfallentscheidung.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen möglich

Weigert sich der Arbeitnehmer dennoch, kann er vom Betriebsgelände verwiesen werden und verliert seinen Anspruch, für die ausgefallene Arbeitszeit Lohn zu bekommen. Im Extremfall sind Abmahnungen und Kündigungen denkbar. Doch auch hier gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Arbeitgeber haben zunächst mildere Maßnahmen zu prüfen, zum Beispiel die zeitweise Versetzung ins Homeoffice. Erst wenn diese Maßnahmen nicht greifen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. 

Trotzdem sieht der Bundesarbeitsminister die Testoffensive als Chance und hofft, dass die Arbeitnehmer das für sie kostenlose Testangebot rege annehmen.

Land Berlin verschärft die Bundesverordnung

Verantwortliche in Unternehmen sollten auch einen Blick in die Landesverordnungen werfen. Diese können im Zweifelsfall andere Einzelfallregelungen und generelle Verschärfungen beinhalten. 

In Berlin und Sachsen sehen die landesspezifischen Infektionsschutzverordnungen zum Beispiel vor, dass Beschäftigte mit Kontakt zu Kunden oder Gästen das verpflichtende Testangebot des Arbeitgebers annehmen müssen. 

Unternehmen müssen Kosten tragen

Die Kosten für die Tests sollen bei den Unternehmen liegen – zumindest nach aktuellem Stand. Staatshilfen sind bisher nicht in Aussicht. Der Wirtschaftsrat der CDU prognostiziert, dass die Tests deutsche Unternehmen monatlich über sieben Milliarden Euro kosten werden.

Ein schwacher Trost ist, dass die Verordnung keinerlei Dokumentationspflichten vorsieht. Unternehmen müssen nicht nachweisen, wer sich wann geprüft hat und welches Ergebnis vorliegt. Hier scheinen die Arbeitgeber auf offene Ohren beim Gesetzgeber gestoßen zu sein, sodass Unternehmen lediglich die Nachweise über die Beschaffung der Tests vier Wochen lang aufbewahren müssen. Es bleibt abzuwarten, ob hier noch nachjustiert wird.

Paula Wernecke ist Rechtsanwältin bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Mit ihrem Fokus auf strategische HR-Beratung sowie internationale Restrukturierungen unterstützt sie nationale und internationale Unternehmen in individual- und kollektivarbeitsrechtlichen Fragen.

Inka Müller-Seubert ist Rechtsanwältin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Sie berät Unternehmen, vom internationalen Konzern bis zum mittelständischen Unternehmen, in allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts sowie des Dienstvertragsrechts.

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