In wenigen Wochen wird in München die 25. Welt-AIDS-Konferenz stattfinden. UNAIDS wird dort das jährliche Global AIDS-Update vorstellen. Die Datenlage zeigt deutlich, dass trotz großer Fortschritte bei der Bekämpfung der AIDS-Pandemie die Arbeit noch lange nicht abgeschlossen ist. AIDS bleibt eine globale Gesundheitsbedrohung, die weiterhin politische Aufmerksamkeit erfordert, und die Menschen, die weltweit mit HIV leben, brauchen unsere kontinuierliche Unterstützung.
Mehrere Staaten, darunter einige mit den weltweit höchsten HIV-Raten, haben UNAIDS‘ „95-95-95“-Ziele schon erreicht. Das heißt, 95 Prozent aller HIV-Infizierten kennen ihren Status, 95 Prozent der Infizierten erhalten eine antiretrovirale Therapie und 95 Prozent derer haben eine langfristig unterdrückte Viruslast erreicht (die auch die Übertragung von HIV verhindert). Eine wachsende Zahl weiterer Staaten ist auf dem besten Weg, diese Ziele ebenfalls bald zu erreichen. Das zeigt, was möglich ist und dass wir es noch schaffen können, Aids als Bedrohung für die öffentliche Gesundheit bis 2030 zu beenden – wie es das Ziel der Vereinten Nationen ist.
All die Länder, die dieses Ziel bereits erreicht haben, haben eines gemeinsam – sie stellen die Menschen in den Mittelpunkt ihrer HIV-Bekämpfung und ermöglichen denjenigen, die mit dem Virus leben oder davon betroffen sind, die Maßnahmen aktiv zu gestalten.
Diskriminierende Gesetze müssen abgeschafft werden
Die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen – das ist auch das Thema der Welt-AIDS-Konferenz in München. Es bedeutet, die Menschenrechte aller Menschen zu schützen, Gesetze abzuschaffen, die den Zugang der Menschen zu Prävention, Tests und Behandlung behindern, und das Recht auf Gesundheit für alle zu gewährleisten, insbesondere für die am stärksten marginalisierten Bevölkerungsgruppen, die nach wie vor am meisten von HIV betroffen sind.
In zu vielen Ländern der Welt gibt es immer noch Gesetze und politische Maßnahmen, die den Zugang zu HIV-Diensten beeinträchtigen. Dies betrifft insbesondere die LGBTQ+ community und junge Mädchen und Frauen. UNAIDS macht sich daher für politische Reformen auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene stark. Denn um AIDS zu beenden, müssen wir rechtliche und gesellschaftliche Hürden beseitigen und eine evidenzbasierte Politik fördern, die sich für die Menschenrechte aller von HIV betroffenen Menschen einsetzt.
Die gesellschaftliche Stärkung von Schlüsselgruppen in der Bevölkerung verbessert ihren Zugang zu HIV-Behandlung, Prävention und Pflegediensten, und fördert dadurch auch ihre allgemeine Gesundheit und ihr Wohlbefinden. Der Schutz der Rechte von LGBTQ+-Personen und Frauen in aller Welt hilft nicht nur im Kampf gegen HIV, sondern fördert gleichzeitig auch soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Demokratie im weiteren Sinne. Die Kriminalisierung, Stigmatisierung und Diskriminierung, die den Zugang zu diesen Gesundheitsdienstleistungen erschwert, betrifft im übrigen auch anderen Gruppen, wie zum Beispiel Drogenkonsumenten.
Traditionelle Geberstaaten ziehen sich zurück
Zwar wissen wir, was zu tun ist. Allerdings gefährden die derzeitigen Finanzierungslücken weitere Fortschritte im Kampf gegen AIDS. Angesichts zahlreicher, gleichzeitig auftretender Krisen im In- und Ausland und in einigen Fällen aufgrund des konservativen sozialen Gegenwinds ziehen sich einige traditionelle Geberstaaten aus der Finanzierung der AIDS-Bekämpfung zurück. Die Mittel für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen erreichten 2017 mit 22,9 Milliarden US-Dollar ihren Höchststand, gingen aber bis 2022 auf 20,8 Milliarden US-Dollar zurück.
Diese Unterinvestitionen in die AIDS-Bekämpfung und die weiterhin bestehende Missachtung der Menschenrechte gefährdeter Bevölkerungsgruppen fordern einen hohen Tribut. Weiterhin stirbt jede Minute ein Mensch an AIDS; in dieser Woche allein werden sich wieder 4000 junge Frauen und Mädchen neu mit HIV infizieren. Obwohl Medikamente zur Verfügung stehen, warten immer noch mehr als 9 Millionen Menschen mit HIV, die meisten davon in Subsahara-Afrika, auf eine HIV-Behandlung. Nur etwas mehr als die Hälfte aller Kinder, die mit HIV leben, haben Zugang zu lebensrettenden Medikamenten.
Es werden zusätzliche Mittel benötigt, um diejenigen zu erreichen, die aktuell noch nicht mit HIV-Prävention und -Behandlung erreicht werden. Und um die 40 Millionen Menschen zu versorgen, die schon mit HIV leben und deren Zahl in den nächsten Jahren weiter steigen wird. Denn es gibt noch keine Heilung für HIV. Daher benötigen sie lebenslange Behandlung und Unterstützung. Wenn wir unsere bisherigen Bemühungen weiter zurückfahren, besteht die reale Gefahr, dass die schon erzielten Erfolge verloren gehen. Internationale Solidarität und verstärkte Investitionen können die HIV-Bekämpfung schützen und weiter voranbringen. Deutschland hat dazu beigetragen, selbst angesichts zahlreicher Krisen.
Ende der HIV-Pandemie nutzt allen
Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine stellte Deutschland UNAIDS mehr als eine Million Euro als Soforthilfe zur Verfügung. Damit konnten HIV-positive Ukrainer in der Ukraine, in Polen und in Moldawien unterstützt werden. Durch die deutsche Hilfe wurden Notunterkünfte, humanitäre Hilfe, sozialer Schutz, medizinische Grundversorgung und Tests auf HIV, Hepatitis C, Geschlechtskrankheiten und Tuberkulose bereitgestellt. Die Soforthilfe deckte auch die Aufnahme von Menschen in HIV-Präventions- und Behandlungsprogrammen ab, die umfassende Betreuung und Unterstützung für Betroffene bieten.
Deutschlands nachhaltige Investitionen und seine Vorreiterrolle in Bezug auf die globale öffentliche Gesundheit, die Gesundheitssicherung und die Wahrung der Menschenrechte sind der Grund dafür, dass es der Ukraine gelungen ist, inmitten des Krieges Fortschritte bei der Bekämpfung von AIDS zu erzielen.
Den Kampf gegen AIDS voll zu finanzieren, ist auch aus ökonomischer Perspektive eine kluge Entscheidung. Ein Ende der HIV-Pandemie führt nicht nur zur Steigerung der Produktivität und der Senkung der Gesundheitskosten in den betroffenen Ländern, sondern verbessert auch die soziale Stabilität und das allgemeine Wirtschaftswachstum. Die Wahrung der Menschenrechte ist nicht nur ethisch und richtig. Sie stärkt auch den Zusammenhalt innerhalb einer Gesellschaft, indem sie Inklusivität, Würde und Widerstandsfähigkeit fördert.
Mit Blick auf die anstehenden Diskussionen in München, fordern wir die Staats- und Regierungschefs der Welt auf, ihre Bemühungen im Kampf gegen AIDS fortzusetzen und zu verstärken, damit wir eine gesündere und gerechtere Welt für alle schaffen können.
Die 25. Welt-AIDS-Konferenz findet vom 22. bis 26. Juli 2024 in München statt. Das UNAIDS Global AIDS Update wird am 22. Juli veröffentlicht.
Christine Stegling ist stellvertretende UNAIDS-Exekutivdirektorin, und Peter Wiessner für das Aktionsbündnis gegen AIDS tätig.