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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Mit Teamarbeit zurück an die Spitze der klinischen Forschung in Europa

Cristian Massacesi, globaler Leiter der Medizin und der Entwicklung in der Onkologie bei AstraZeneca
Cristian Massacesi, globaler Leiter der Medizin und der Entwicklung in der Onkologie bei AstraZeneca Foto: AstraZeneca

Deutschland könnte für AstraZeneca bei klinischen Studien bald wieder die Spitzenposition in Europa einnehmen, meint Cristian Massacesi, der globale Leiter der Medizin und Entwicklung in der Onkologie des Unternehmens. Das forschende Pharmaunternehmen steigert die Investitionen in die klinische Forschung hierzulande erheblich. Warum, erklärt er im Standpunkt.

von Cristian Massacesi

veröffentlicht am 02.07.2024

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Die Geschwindigkeit, in der die Entwicklung neuer Medikamente voranschreitet, war noch nie so hoch wie heute. Einige Forschungsprozesse, die früher Jahre benötigten, können heute dank neuer Technologien wie Data Science, digitalen Lösungen und künstlicher Intelligenz in wenigen Wochen erledigt werden. In der Onkologie beispielsweise verstehen wir die Biologie von Tumoren immer besser. Und das wiederum eröffnet uns neue Möglichkeiten für die Entwicklung immer präziserer Therapien und gezielterer Kombinationen verschiedener Therapieansätze – mit anderen Worten: Die richtige Behandlung erreicht die richtigen Patient:innen.

Krebs ist eine komplexe Krankheit mit vielen Tumorarten und -variationen und vielen Einflussfaktoren. Bei AstraZeneca leitet uns in der Onkologie daher ein ambitioniertes Ziel: Krebs als Todesursache zu eliminieren. Bei einigen Krebserkrankungen gelingt das schon heute, bei vielen leider noch nicht. Der wissenschaftliche Fortschritt bei der Entwicklung von Krebsmedikamenten ist notwendig, aber nicht die einzige Voraussetzung, um innovative und transformative therapeutische Lösungen für Krebspatient:innen anbieten zu können. Herausragende Leistungen bei der Durchführung von klinischen Forschungsprogrammen sind ebenfalls ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Als AstraZeneca erwarten wir nicht, dass wir die Fortschritte in Forschung und Entwicklung im Alleingang zu erreichen. Vielmehr sehen wir unsere Stärke gerade in der Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und Kliniken, Ärzt:innen und Patient:innenorganisationen sowie mit anderen Pharmaunternehmen. Weltweit arbeiten wir in der Onkologie mit zahlreichen Partner:innen zusammen, in Deutschland beteiligen wir uns zum Beispiel in der Nationalen Dekade gegen Krebs oder der Vision Zero und arbeiten eng mit führenden medizinischen Zentren zusammen. Denn Forschung ist ein Teamsport: Gemeinsam können wir viel mehr erreichen und schneller vorankommen – zum Wohl der Patient:innen.

Eine Win-Win-Situation

Deutschland ist eines unserer Schlüsselländer für die klinische Entwicklung insgesamt. Das zeigt sich unter anderem daran, dass wir für 2024 planen, die Zahl der klinischen Studien in der Onkologie, dem forschungsintensivsten Therapiegebiet in der Medizin, im Vergleich zu 2021 und 2022 zu verdoppeln. Über alle Indikationen hinweg ist AstraZeneca Hauptsponsor von rund 200 laufenden Studien an etwa 700 Zentren in Deutschland. Bis zu 10.000 Patient:innen wurden für eine Studienteilnahme untersucht, um die Art ihrer Erkrankung und die Übereinstimmung mit der Krebsart, die wir in einer bestimmten Studie untersuchen, zu verstehen. 4.800 haben die Voraussetzungen erfüllt und konnten in eine Studie aufgenommen werden. Damit erhalten Patient:innen, die sonst sehr oft nur noch wenige oder gar keine Behandlungsmöglichkeiten mehr haben, die Chance auf eine innovative Therapie. Gleichzeitig profitieren die Wirtschaft, Gesellschaft das Gesundheitssystem insgesamt davon, an der Spitze der medizinischen Forschung zu stehen, mit der Möglichkeit, Innovationen voranzutreiben. Ärzt:innen können Erfahrungen mit neuen Therapiestrategien sammeln und Zentren können wissenschaftliche Stellen anbieten, die jungen Kolleg:innen Entwicklungschancen bieten.

AstraZeneca hat die Hoffnung, Deutschland mittelfristig zum führenden Standort in der EU auszubauen. Für den Standort sprechen auch die hohen wissenschaftlichen Standards, die renommierten Institutionen und Expert:innen, das universitäre Ausbildungsniveau und die klinische Erfahrung. Darüber hinaus ist Deutschland nicht nur als zentraler Markt von Bedeutung (der viertwichtigste weltweit), sondern auch als Referenz für die Preisgestaltung von Arzneimitteln in vielen europäischen Ländern.

Hürden für Innovationen

Doch trotz dieser unbestrittenen Vorteile ist Deutschland weniger attraktiv und verliert im weltweiten Wettbewerb um die Finanzierung klinischer Studien. Vor wenigen Jahren lag das Land bei der Anzahl klinischer Studien noch an zweiter Stelle, übertroffen nur von den USA. Im Jahr 2021 ist Deutschland auf den siebten Platz zurückgefallen und befindet sich nun auf dem bisher niedrigsten Stand. In Asien hingegen investieren Länder viel, um die klinische Forschung zu stärken: Vor allem südostasiatische Länder wie Taiwan haben die Genehmigungsverfahren beschleunigt. Die Regierungen räumen der klinischen Forschung Priorität ein, um ihrer Bevölkerung den Zugang zu innovativen Therapien zu ermöglichen. In Europa gehört Spanien zu den Ländern mit den schnellsten Verfahren, ohne dass die Qualität der Studien darunter leidet, da ein Teil der Bewertungen parallel statt nacheinander durchgeführt werden kann.

In Deutschland hingegen sind die Genehmigungsverfahren für Studien langwieriger und die Bürokratie schafft Hürden oder Verzögerungen. Als global agierendes Unternehmen müssen wir das bei unseren Investitionsentscheidungen berücksichtigen. Denn um Innovationen auf den Markt zu bringen, brauchen wir Verlässlichkeit, Transparenz und klare Rahmenbedingungen. Das Medizinforschungsgesetz (MFG) und die Pharmastrategie sind sicherlich Schritte in die richtige Richtung, um Innovationen in Deutschland zu halten. Diese positiven Entwicklungen nutzen aber wenig, wenn die Arzneimittel nicht für die breite Versorgung zur Verfügung stehen. Wir brauchen eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung. Vor diesem Hintergrund blicken wir auch in Richtung GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und den eingeführten Leitplanken des AMNOG. Das Medizinforschungsgesetz sollte aus meiner Sicht dazu genutzt werden, die AMNOG-Regelungen so auszugestalten, dass wieder Forschungsanreize im Sinne einer guten Versorgung und des Zugangs zu innovativen Therapien für Patient:innen gesetzt werden.

Barrieren beseitigen

Neben den administrativen Abläufen liegt eine weitere Herausforderung in der zukünftigen Regulierung durch die europäische Nutzenbewertung, EU-HTA. Nach dieser werden ab 2025 neue onkologische Arzneimittel in Europa erstmals bewertet. Es entspricht den Wünschen der Patient:innen, dass innovative Medikamente so schnell wie möglich in der Versorgung ankommen. Zeit ist etwas, das viele Krebspatient:innen oft einfach nicht haben. Hier hoffen wir auf einen produktiven Austausch und eine tragfähige Einigung. Ich bin überzeugt, dass uns das gelingen wird. Denn schließlich eint uns das gemeinsame Ziel: Medikamente zur Verfügung zu stellen, die für Patient:innen einen echten Unterschied machen, damit eines Tages niemand mehr an Krebs sterben muss.

Cristian Massacesi ist Leiter der Medizin und Entwicklung in der Onkologie bei AstraZeneca.

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