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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Deutschland nach Corona in Bewegung bringen

Herbert Wollmann ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Sportmedizin sowie SPD-Bundestagsabgeordneter
Herbert Wollmann ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Sportmedizin sowie SPD-Bundestagsabgeordneter Foto: DBT/ Stella von Saldern

Sport und Rehasport müssten nach der Corona-Pandemie viel mehr in den Fokus des Gesundheitswesens gestellt werden, fordert der SPD-Abgeordnete und Arzt Herbert Wollmann. Ende September fand nun erstmals in der Geschichte des Deutschen Bundestages eine gemeinsame Sitzung des Gesundheits- und Sportausschusses statt.

von Herbert Wollmann

veröffentlicht am 12.10.2022

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Erste Studienergebnisse zeigen die überragende Bedeutung von Bewegung zum Schutz vor Erkrankungen und vor den Langzeitwirkungen von Corona. Das erklärte Bernd Wolfarth, Leiter der Sportmedizin der Charité und Deutschlands Olympiaarzt, bei der ersten gemeinsamen Sitzung des Gesundheits- und Sportausschusses in der Geschichte des Deutschen Bundestags. Anlass war der längst überfällige Austausch der Abgeordneten über die Bedeutung von Bewegung mit Blick auf die Folgen der Corona-Pandemie – ein Thema, das die beiden Ausschüsse wie kaum ein anderes verbindet und seit über zwei Jahren beschäftigt.

Ging es im Sportausschuss zunächst weitgehend um die akuten Folgen der Corona-Pandemie – sowohl in Bezug auf die Einschränkungen des allgemeinen Sportbetriebs als auch um diverse finanzielle Hilfsprogramme für den Profi- und Breitensport – so sind jetzt die Corona-Restart-Programme und die gesundheitlichen Folgen einer Corona-Infektion in den Vordergrund gerückt. Da der Sportausschuss die Sportverbände eng in die Meinungsbildung und Beratungen einbezieht, wurde im Laufe des Jahres sehr bald klar, welche entscheidende Rolle die Sportverbände, insbesondere auch der Behindertensportverband, in Bezug auf die Prophylaxe vor und die Rehabilitation nach COVID-19 einnehmen.

Aus meiner Erfahrung als Mitglied beider Ausschüsse liegt mir besonders die Auseinandersetzung mit der Problematik Post-/Long-COVID am Herzen. Dabei handelt es sich um ein sehr heterogenes Krankheitsbild mit unterschiedlichsten Symptomenkomplexen, das in seinen pathophysiologischen Grundlagen noch nicht ausreichend erforscht ist. Sportmedizinische und andere rehabilitative Maßnahmen bieten erste Ansätze für Therapien, müssen aber systematisch weiterentwickelt werden.

Was Sport bewirkt

Post-infektiöse Langzeitsyndrome sind zwar an sich nichts Neues, auch die schwerste Form, die post-exertional Malaise kennt man vom chronischen Fatigue-Syndrom, aber das pandemische Ausmaß von COVID-19 führt jetzt zu einer spürbaren Zunahme dieser Erkrankungen mit Belastung des gesamten Gesundheitswesens.

Daten aus diversen Untersuchungen zeigen, dass regelmäßige sportliche Betätigung prophylaktisch vor schweren Verläufen schützt, aber auch Post-COVID verhindern kann. Wer den WHO-Empfehlungen zu Bewegung folgt, kann sich in vielerlei Hinsicht schützen: Infektionen und schwere Verläufe sind weniger häufig, ebenso die Krankenhausaufenthalte. Vielleicht am wichtigsten: Die Fitten weisen laut einer neuesten Studie eine um 43 Prozent geringere Mortalität bei Corona auf. Konkret lautet die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, 150 Minuten pro Woche moderat zu trainieren – das geht auch mit zügigem Spazieren oder Radfahren.

Aufgrund dieser Tatsachen ist es naheliegend, Sport und Rehasport viel mehr in den Fokus des Gesundheitswesens zu stellen und den Sport als sektorenübergreifende Querschnittsaufgabe zu verstehen – übrigens nicht nur mit Blick auf Corona. Körperliche Aktivität modifiziert Risikofaktoren auch für andere Krankheiten, wie zum Beispiel Adipositas, Diabetes und Bluthochdruck.

Die gemeinsame Sitzung war ein wichtiger und gelungener Auftakt, darin waren sich die Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit, Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) und Frank Ulrich (SPD), der Sportausschuss-Vorsitzende, welcher federführend mit mir zusammen die Sitzung organisiert hat, einig. Die Zusammenarbeit muss jetzt fortgesetzt werden, um die Bedeutung des Sportes für die Gesundheit und das soziale Zusammenleben immer wieder in den Fokus zu stellen und den Bundestag dafür zu sensibilisieren.

Problemlösungen auf verschiedenen Ebenen

Mit Bernd Wolfarth stand den Mitgliedern beider Ausschüsse gut zwei Stunden lang einer der fachkundigsten Kenner sportmedizinischer Zusammenhänge Rede und Antwort. Wolfarth und die Abgeordneten waren sich einig, dass dem Problem auf verschiedenen Ebenen entgegengetreten werden muss. Sportstätten müssen offen bleiben und nutzbar sein, Sportvereine und Ehrenamtliche angemessene Unterstützung erhalten. Von besonderer Bedeutung ist allerdings der Schulsport. Denn dort wird der Grundstein für ein Leben in Bewegung gelegt. Die Bundesländer müssen ihrer Verantwortung im Schulbereich gerecht werden.

Außerdem ist es erforderlich, den Ausschuss für Gesundheit sowie das Ministerium für Gesundheit für die Wichtigkeit des Sports in Bezug auf Prävention und Rehabilitation weiter zu sensibilisieren und im Haushalt entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen.

Der Bewegungsgipfel am 13. Dezember dieses Jahres wird die außerordentliche Bedeutung von Sport und Bewegung für die Eindämmung von Krankheiten wie Übergewicht, Diabetes, Koronare Herzerkrankung, aber auch depressive Episoden oder Krebserkrankungen in den Mittelpunkt stellen. Fraktionsübergreifend erwarten die Sport- und Gesundheitspolitiker von dieser sektorenübergreifenden Veranstaltung nicht nur einen Impuls, sondern auch konkrete Handlungsverpflichtungen – sozusagen einen „Doppel-Wumms“ für die Bedeutung des Sports als Säule des Gesundheitswesens in unserer Gesellschaft.

Herbert Wollmann ist SPD-Abgeordneter und Mitglied im Gesundheitsausschuss sowie Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Sportmedizin.

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