In Deutschland läuft die klassische Gesundheits- beziehungsweise Patientenversorgung in der Regel über ein Zusammenspiel von Ärzten, Apotheken, Krankenhäusern und Krankenversicherungen. Digitale Anwendungen können an vielen Stellen helfen, Daten und Informationen effizienter zu sammeln, zu teilen und auszuwerten sowie Kommunikation zu erleichtern. Ein Beispiel ist die elektronische Patientenakte (ePA), in der Daten wie Befunde, Diagnosen oder Behandlungsberichte gespeichert werden sollen und deren Einführungsphase im Januar 2021 begann. Zusätzliche Optionen, wie beispielsweise die Telekonsultation oder digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), die bei der Erkennung und Behandlung von Erkrankungen unterstützen, zeigen außerdem, wohin die digitale Reise im Gesundheitssektor geht. Neue digitale Gesundheitsangebote führen zu einer Aufweichung der Grenzen innerhalb des Gesundheitsmarktes.
Es kümmern sich aber nicht nur Versicherer, Ärzte und Apotheken um das Wohl der Patienten: Auch Pharmahersteller, die in der Vergangenheit verstärkt Medikation und Rehabilitation im Blick hatten, bieten nun Produkte und Dienstleistungen an, die die Menschen und ihre Gesundheit ganzheitlich adressieren. Außerdem kommen neue Marktteilnehmer hinzu, die innovative Einzellösungen für spezifische Felder anbieten.
Von der Diagnose, über Therapie und Genesung bis hin zur Prävention benötigen Patienten heute durchschnittlich acht unterschiedliche Apps, wenn sie digitale Anwendungen nutzen wollen. Dabei stehen die meisten Angebote für sich alleine. Die vorhandenen Lösungen sind stark fragmentiert und Informationen werden nicht zusammengezogen, auch weil es sich um sensible Gesundheitsdaten handelt, die besonders geschützt werden müssen. Für den Patienten ist das nicht nur kompliziert, sondern schränkt auch den positiven Nutzen der Anwendungen ein und schreckt derzeit noch ab. Was können die Akteure im Gesundheitsmarkt tun, um die digitale Unterstützung für Patienten einfacher und zielführender zu gestalten?
Die ePA ist ein guter Ansatz. Doch auch hier zeigt sich, dass die rund 110 gesetzlichen und 47 privaten Krankenkassen an individuellen Lösungen arbeiten. Sie bieten Teillösungen wie Telekonsultation, Onlineterminbuchung in Arztpraxen oder Symptom-Checker. Es fehlt ein gesamthaftes Angebot, das von einer gemeinsamen Basis ausgehend koordiniert wird.
Die Lösung: Digitale Gesundheits-Plattformen
Es wird derzeit bereits an Gesundheits-Ökosystemen und Partnerschaften gearbeitet, die den Patienten in den Mittelpunkt stellen und alle Akteure, die an der Versorgung beteiligt sind, einbeziehen. Die Voraussetzung hierfür ist eine gemeinsame technologische Basis, die es für alle Teilnehmer einer solchen Plattform möglich macht, ihre Angebote und Services anzudocken. Dieses technische Backend befindet sich hierzulande gerade im Aufbau.
Andere Märkte, wie beispielsweise die Schweiz, sind hier schon einen Schritt weiter. Sie verfolgen bereits den Grundgedanken im Sinne der Patienten ein Ökosystem aus verschiedenen Akteuren zu formieren. In Deutschland gehen wir mit der ePA bereits den ersten Schritt in die richtige Richtung. Mit der Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte anzubieten, befinden sich deutsche Versicherer bereits in einer guten Ausgangslage, eine Vorreiterrolle zu übernehmen und das Ökosystem im Bereich E-Health mit Partnern aufzubauen.
Markus Heyen ist Managing Director und Leiter Versicherungen Deutschland bei Accenture.